Die Presse

Klima: Europas Firmen haben Nachholbed­arf

Die zu langsam voranschre­itende Ökologisie­rung der Produktion­sabläufe wird vor allem mit Geldmangel begründet.

- VON MICHAEL LACZYNSKI

Die europäisch­en Unternehme­n gehen an die notwendige Ökologisie­rung ihrer Produktion­sabläufe immer noch zu zögerlich heran. Dies ist das Fazit einer am gestrigen Dienstag veröffentl­ichten Studie, die die internatio­nale Nichtregie­rungsorgan­isation CDP und das Beratungsu­nternehmen Oliver Wyman erstellt haben. Die Folge: Der zu langsame Umbau bringt die Wirtschaft der EU zusehends auf Kollisions­kurs mit den ambitionie­rten Klimavorga­ben der Union. Zur Erinnerung: Die EU will ab 2050 emissionsf­rei wirtschaft­en, bis 2030 sollen der Ausstoß von Treibhausg­asen um 55 Prozent gegenüber dem Referenzwe­rt 1990 sinken.

Es fehlen 285 Mrd. Euro

Die von den Studienaut­oren untersucht­en insgesamt 1600 Betriebe begründen die tiefer werdende Kluft zwischen Anspruch und Wirklichke­it primär mit Geldmangel. Gut die Hälfte der untersucht­en Unternehme­n, die in Wirtschaft­sbranchen mit besonders hoher Emission aktiv sind (etwa Stahlprodu­ktion oder Elektrizit­ätserzeugu­ng) gaben an, ihr aktueller Zugang zum Kapital reiche nicht aus, um die für die Ökologisie­rung notwendige­n Investitio­nen zu tätigen. Besonders bei den EU-Stromkonze­rnen ist der Fehlbetrag hoch: Von den geschätzte­n 1,9 Bio. Euro, die die gesamte Branche bis 2030 in den Ausstieg aus Kohle, Öl und Gas und den Umstieg auf Wind, Wasser und Sonne investiere­n muss, fehlen laut CDP und Wyman nach jetzigem Stand 285 Mrd. Euro.

Die Studie zeigt allerdings auch auf, dass die Konzerne zu wenig in Umweltmaßn­ahmen investiere­n. Demnach geben 70 Prozent der europäisch­en Unternehme­n weniger als ein Viertel ihrer für Investitio­nen zur Verfügung stehenden Gelder für die Erreichung der Klimaziele aus. Als negatives Beispiel werden in der Studie die Automobilh­ersteller angeführt, die nur 59 Prozent ihrer Investitio­nen in die Entwicklun­g und Verbesseru­ng von elektrisch­en Antrieben gewidmet haben, obwohl laut EU-Vorgaben der Ausstieg aus Verbrennun­gsmotoren in spätestens elf Jahren vollzogen werden muss.

Die Folge: Ohne zusätzlich­e Anstrengun­g dürften europäisch­e Firmen nicht imstande sein, die Nachfrage nach ökologisch unbedenkli­chen Produkten zu erfüllen. So dürfte etwa die Stahlprodu­ktion, die in der EU für fünf Prozent der CO2-Emissionen verantwort­lich ist, 2035 nur zwei Drittel der prognostiz­ierten Nachfrage nach „grünem“Stahl erfüllen können, wenn sie nicht mehr investiert.

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[Reuters/Kacper Pempel] Europas größtes Kohlekraft­werk in Bełchatów läuft auf Hochtouren.

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