„Bei Zuschüssen ist das Geld einfach weg“
Der Vorstand der Oesterreichischen Kontrollbank, Helmut Bernkopf, spricht über die Schwächen des Exports und Finanzausfälle.
Über die OeKB haftet der Staat für Risiken, die der private Kreditversicherungsmarkt nicht übernimmt. Glauben Sie, dass Finanzminister Magnus Brunner deswegen manchmal ein bisschen nervös ist?
Helmut Bernkopf: Ich glaube nicht. Ich glaube, er kann sehr gut schlafen, weil die Geschichte der Bank zeigt, dass wir sehr sorgfältig handeln. Die Summe der bezahlten Haftungsentgelte muss immer die Summe der Schäden übersteigen. Und das tut es schon seit Jahrzehnten. Das Risiko, das der Finanzminister oder die Steuerzahler eingehen, ist gut bezahlt. Dementsprechend kann er mit der Bilanz zufrieden sein. Vor allem, wenn man es dagegen abwägt, wie viel Wohlstand und Entwicklung die Exportwirtschaft bringt.
Wann hat denn der Steuerzahler zuletzt draufzahlen müssen?
Das dürfte zuletzt in den Achtzigern oder Neunzigern gewesen sein. Alle Forderungen des Bundes aus Schadenszahlungen werden aber grundsätzlich weiterverfolgt.
Bekommt die Republik ihre Forderungen irgendwann wieder?
Das ist immer wieder der Fall, dafür gibt es viele Beispiele. Gerade bei Forderungen an souveräne Staaten hat sich gezeigt, dass diese in der Regel irgendwann an den internationalen Verhandlungstisch zurückkehren und eine Begleichung ihrer Auslandsverbindlichkeiten anstreben. Zum Beispiel die Übernahme der Verbindlichkeiten der Ex-GUS-Staaten durch Russland in den Neunzigerjahren. Diese Verbindlichkeiten wurden in der Folge von Russland im Rahmen der Pariser-Club-Umschuldung allesamt bezahlt.
Wie ist das vergangene Jahr für die OeKB gelaufen?
Große Schäden, die wir vor allem aus Russland und der Ukraine erwartet haben, sind ausgeblieben. Wir veröffentlichen unsere Bilanz erst – ich kann vorwegnehmen, dass diese wieder positiv sein wird.
Aber es gab sicherlich auch Schadenszahlungen?
Ja, auch aus Russland und der Ukraine. Es gab in verschiedenen Märkten auch Umschuldungen, etwa im afrikanischen Raum. Aber es handelt sich um kleine Summen. Insgesamt übersteigen die Haftungsentgelte die Schäden.
Stieg das Geschäftsvolumen?
Das ist extrem stark gestiegen. Wir haben letztes Jahr über sechs Millarden Euro Neugeschäft gemacht. Gleichzeitig wurde auch viel zurückbezahlt. Auf der Haftungsseite sehen wir eher eine Seitwärtsbewegung.
Von 40 Milliarden Euro, die die OeKB als Haftungsvolumen bereitstellt, wurden nur 30 Milliarden in Anspruch genommen. Das ist doch ein schlechtes Zeichen für Österreichs Wirtschaft?
Im Gegenteil. Wir waren schon viel niedriger, und wir wachsen wieder. Wir decken nicht marktfähige Risken ab. In einem Idealzustand der Welt gäbe es nur mehr marktfähige Risken, und man würde unsere Bank gar nicht brauchen. Die letzten Jahre haben aber gezeigt, dass durch Krisen, Pandemien, diverse Kriege, Sanktionen usw. die Unsicherheit in manchen Regionen wächst. Umso wichtiger ist, dass unsere Instrumente gut ausgestattet sind. Wir sind für zukünftige Themen gut gerüstet. Gerade die Energietransformation wird viel Geld kosten, und das kann man gut über Haftungsinstrumente abbilden. Aus meiner Sicht, auch als Steuerzahler, ist das besser als ein Direktzuschuss, weil die Chance, dass es kommerziell funktioniert, da ist und die Haftung nur für den Notfall ist. Bei Zuschüssen ist das Geld einfach weg.
Unsere Wirtschaft ist sehr vom Export abhängig. Die Industrie schwächelt weltweit. Ist damit Österreichs Wohlstand in Gefahr?
Würden wir hier einen großen Rückgang sehen, dann ja. Mehr als 1,2 Millionen Arbeitsplätze hängen am Export. Würde die Wettbewerbsfähigkeit unserer Industrie nachlassen, dann hätte das natürlich eine Auswirkung. Aber das ist nicht der Fall. Die Unternehmen sind gut aufgestellt, auch wenn sie schwierige Herausforderungen vorfinden. Bis November 2023 wuchs der Export um 3,5 Prozent. Wir kommen zwar von zweistelligen Wachstumsraten, aber da waren auch Aufholjahre nach der Pandemie dabei.
Die wichtigsten Exportmärkte sind Länder wie Deutschland, USA, Italien und die Schweiz. Das sind jetzt mit Ausnahme der USA alles keine großen Wachstumsländer, sondern eigentlich eher Länder, die dieselben Probleme haben wie wir. Sollten da die österreichischen Unternehmen nicht etwas mutiger sein?
Ja, durchaus. Die geringe Diversifizierung der Exportwirtschaft ist ein Schwachpunkt. 80 Prozent unserer Exporte gehen nach Europa. Rechnet man noch die USA und Kanada dazu, bleiben nur mehr rund zehn Prozent für Schwellenländer und damit Wachstumsregionen der Welt wie Asien, Lateinamerika und auch Afrika. Das versuchen wir zu unterstützen, also politische und wirtschaftliche Risken abzudecken. Aber es braucht zunächst die Unternehmen und die Exporteure, die diese Märkte erschließen und ihre Chancen dort wahrnehmen wollen.
Sollte man nicht viel mehr den Standort Österreich stärken?
Mit sogenannten exportinduzierenden Investitionen engagieren wir uns auch in Österreich etwa bei der grünen Transformation. Aber die Standortentscheidung treffen Unternehmen aufgrund der Rahmenbedingungen wie Kosten und Fachkräfte. Dabei sind wir eher ein kleines Rädchen. Da ist die Wirtschaftspolitik gefordert. Ab April bieten wir gemeinsam mit dem Finanzministerium neue Finanzierungsmöglichkeiten, um die Versorgung mit Vorprodukten und Energie noch besser abzusichern.
Wird in Russland investiert?
Das ist mit uns unmöglich. Wir haben seit Kriegsbeginn einen Deckungsstopp und das bestehende Haftungsobligo in hohem Ausmaß abgebaut. In Summe hat sich die österreichische Exportwirtschaft gut umgestellt.
Und in die Ukraine?
Wir können fünf Millionen Euro auf drei Jahre abdecken. Eine große Nachfrage gibt es nicht. Es geht eher um Einzelfälle wie Landwirtschaft und Medizintechnik. Jetzt werden die Rahmenbedingungen für den Wiederaufbau geschaffen, wenn er dann möglich ist.
Es gibt Studien, die sagen, Sanktionen bringen nichts. Wäre es nicht sinnvoll, sich wirtschaftlich mehr zu vernetzen, damit Kriege nicht entstehen?
Wirtschaftlich haben sie schon einen kurzfristigen Effekt, aber langfristig ist die Wirksamkeit nicht so groß. Je länger Sanktionen aufrechtbleiben, desto mehr Umgehungen passieren. Aber als stabile Demokratie müssen wir Signale setzen, wer unsere Partner sein können.
Gibt es vor Wahlen eher Zurückhaltung bei Investitionen?
Wir erwarten, dass wir uns nicht von allen demokratischen Werten verabschieden. Faktoren wie Investorenfreundlichkeit, Steuern und Fachkräfte sind wichtiger.
Gab es Momente, bei denen Sie nervös geworden sind?
Zu Beginn des Ukraine-Kriegs. Russland war immer unter den Topländern im Bestandsgeschäft. Da rechnet man mit dem Schlimmsten. Dass das Geschäft ohne nennenswerte Schäden reduziert werden konnte, war nicht selbstverständlich.