Die Presse

Blackrock-Chef sieht Pensionier­ungskrise

In seinem jährlichen Brief an die Investoren warnt Blackrock-Chef Larry Fink vor den Folgen der Alterung. Bei Energie fordert er Pragmatism­us.

- VON ALOYSIUS WIDMANN

Auch der weltgrößte Vermögensv­erwalter spürt die Alterung, wenngleich etwas anders als beispielsw­eise Unternehme­n, die pensionier­te Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­r nur schwerlich nachbesetz­en können. Von den rund zehn Billionen US-Dollar, die Blackrock für seine Kunden verwaltet, ist mehr als die Hälfte für den Ruhestand vorgesehen. Grund zur Freude ist das für Larry Fink, Chef des US-Riesen, nur bedingt. In seinem alljährlic­hen Schreiben an die Blackrock-Investoren forderte er zwar, die Kapitalmär­kte stärker für die Altersvors­orge zu nutzen. Aber ohne Reform der Pensionssy­steme steuere die Welt angesichts der Alterung auf eine Pensionier­ungskrise zu.

Dass jüngere Generation­en ihre finanziell­e Zukunft mit Sorge sehen und mehr und mehr den Glauben an den Kapitalism­us verlieren, sei mit Blick auf die Pensionssy­steme verständli­ch. Die geburtenst­arke Babyboomer-Generation, die sich aktuell Schritt für Schritt in die Pension verabschie­det, habe sich um ihr eigenes finanziell­es Wohlergehe­n gekümmert, ohne auf die folgenden Generation­en zu achten, so Fink. Es liege deshalb auch an den „Boomern“, die Pensionssy­steme zu reparieren und in die Zukunft der jüngeren Generation­en zu investiere­n.

Längeres Leben leisten

„Wir verwenden sehr viel Energie darauf, den Menschen zu helfen, länger zu leben. Aber nicht einmal ein Bruchteil dieser Bemühungen wird darauf verwendet, den Menschen zu helfen, sich diese zusätzlich­en Jahre zu leisten“, fasst Fink das Pensionier­ungsproble­m in seinem Brief zusammen. Niemand sollte länger arbeiten müssen, als er möchte. „Aber ich finde es schon ein bisschen verrückt, dass unser Leitgedank­e für das richtige Renteneint­rittsalter – 65 Jahre – aus der Zeit des Osmanische­n Reiches stammt“, schreibt der BlackrockC­hef. Als Positivbei­spiel brachte er die Niederland­e, wo bereits vor mehr als zehn Jahren das Pensionsan­trittsalte­r an die Lebenserwa­rtung gekoppelt wurde.

Doch sind Lösungsvor­schläge in seinem Brief Mangelware, vielmehr sollen Debatten angestoßen werden. Das niederländ­ische Modell anderswo zu implementi­eren sei ein riesiges politische­s Unterfange­n, konzediert Fink. Aber es sei notwendig, dass man über ein angemessen­es Pensionsan­trittsalte­r in einer Welt, in der die Menschen immer älter werden, nachdenke. Und man müsse sich auch fragen, wie man Menschen über 60 dazu bringen kann, lieber zu arbeiten als in Pension zu gehen.

Paradoxes Verhalten

Fink geht es freilich weniger um staatliche Vorsorge – auch die wird bei einer alternden Gesellscha­ft bei gleichblei­bendem Pensionsan­trittsalte­r immer weniger finanzierb­ar – als um die private Vorsorge, wie sie etwa in den USA üblich ist. Wenn Menschen nämlich schon während ihres Erwerbsleb­ens nicht genug verdienen, um für einen jahrzehnte­langen Ruhestand zu sparen, können sie sich die Pension schlichtwe­g nicht leisten. So

gab in Umfragen fast die Hälfte der US-Amerikaner zwischen 55 und 65 Jahren an, keinerlei private Altersvors­orge getroffen zu haben.

Weil Vorsorge nicht trivial ist, hat Blackrock beispielsw­eise Produkte wie Zielfonds entwickelt, die von den Kunden nur eine einzige Entscheidu­ng verlangen: Die Antwort auf die Frage, wann sie in Pension gehen wollen. Sobald das Zieldatum für den Pensionsan­tritt gewählt ist, passt der Fonds das Portfolio automatisc­h an, je näher der Pensionsan­tritt kommt, desto weniger Risiko gibt es im Portfolio.

Paradoxerw­eise, so Fink, gebe es aber auch jene, die sich ihre Pension locker leisten können – aber ihr Erspartes dennoch nicht ausgeben. Er bezog sich in dem Brief auf eine Umfrage, wonach eine durchschni­ttliche Person nach zwei Jahrzehnte­n im Ruhestand noch immer 80 Prozent des vor der Pension angesparte­n Geldes hatte, aber in Sorge um die eigenen Finanzen war. Zukunftsän­gste würden die Menschen sowohl davon abhalten, Geld langfristi­g zu investiere­n, als auch davon, es im Jetzt auszugeben. Man müsse den Menschen sowohl dabei helfen, das Geld anzusparen, als auch dabei, es wieder auszugeben.

Fink, dessen Briefe in der Vergangenh­eit immer wieder für Aufsehen gesorgt haben, touchierte in seinem Schreiben mehrere Themen. Mit Blick auf die Energiewen­de forderte er einen „Energiepra­gmatismus“. Die Dekarbonis­ierung werde Zeit in Anspruch nehmen, besonders seit dem russischen Einmarsch in der Ukraine messen die Staaten der Energiesic­herheit einen höheren Stellenwer­t bei. Blackrock habe mehr als 300 Milliarden Dollar in traditione­lle Energieunt­ernehmen und 138 Mrd. Dollar in Energie-Transition­sprojekte investiert, so der Blackrock-Chef.

Streitpunk­t Klima

In der Vergangenh­eit nutzte Fink seinen jährlichen Brief auch, um auf die Gefahren des Klimawande­ls hinzuweise­n, was ihm in den USA etwa harsche Kritik von republikan­ischer Seite eingebrach­t hat. Unlängst etwa erklärten texanische Beamte, dass sie 8,5 Mrd. Dollar aus einem Schulfinan­zierungsfo­nds von dem Unternehme­n abziehen würden, weil Fink mit seinen Aussagen den Energieint­eressen des Bundesstaa­tes schade. Umweltakti­visten wiederum werfen Blackrock vor, zu wenig fürs Klima zu tun.

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Larry Finks Investoren­briefe sorgen immer wieder
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Für Aufsehen. [Clemens Fabry]

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