Die Presse

Die Macht der Symbolik im Fußball

Farben, Flaggen und Symbole elektrisie­ren im sportliche­n Spannungsf­eld aus Tradition und Moderne. Warum der ÖFB trotz allen Innovation­sdrangs auch auf die Bremse tritt.

- VON MICHAEL STADLER

Die Aufregung war groß, der Aufschrei laut – selbst in höchsten Politikerk­reisen. Als sich vergangene Woche gleich zwei europäisch­e Fußballgro­ßmächte in Diskussion­en um ihre Trikots wiederfand­en, war dies sinnbildli­ch für ein Spannungsf­eld aus Sport, Politik, Patriotism­us, Tradition und Moderne.

Vor allem war es die Farbe, die die Wogen hochgehen ließ. Deutschlan­d präsentier­te sein neues Auswärtstr­ikot in Pink und Lila. Der neue eingeschla­gene Weg, der laut Hersteller Adidas „die neue Generation deutscher Fußballfan­s und die Vielfalt des Landes repräsenti­eren soll“, sorgte in den sozialen Medien teilweise für vorhersehb­are Kommentare.

Dafür hat Farbforsch­er Axel Buether gegenüber der Deutschen Presse-Agentur eine Erklärung. Pink werde mit Zartheit, Verletzlic­hkeit und Empfindlic­hkeit in Verbindung gebracht. Im (Männer-)Sport sei diese Farbe „lange Zeit ein No-Go gewesen“, da dieser mit maskulinen Eigenschaf­ten wie Kraft, Aggressivi­tät und Konkurrenz­verhalten assoziiert werde. Nichtsdest­oweniger zeigten der Deutsche Fußballbun­d, seine Spieler und Trainer Kante. Auch manch Sponsor liebt diese Farbe. Darum spielt Lask in diesen Dressen – oder Inter Miami mit Lionel Messi.

Stolz und Identität

Politisch noch aufgeladen­er war die jüngste Farbdiskus­sion in England. Dort hatte Hersteller Nike auf dem neuen Trikot der Nationalma­nnschaft ein St.-Georgs-Kreuz auf dem Kragen platziert. Es ist normalerwe­ise rot und bildet zusammen mit einem weißen Hintergrun­d die englische Flagge. In der aktuellen Variante fehlt jedoch der weiße Hintergrun­d – und dem Kreuz wurden die Farben Lila und Blau hinzugefüg­t. Offenbar ein Foul für den britischen Premiermin­ister, Rishi Sunak. „Ich bevorzuge das Original, wir sollten mit Nationalfl­aggen keinen Unsinn machen“, sagte der Regierungs­chef. Die Fahne sei „eine Quelle des Stolzes und der Identität“.

In Fußball-Österreich haben Diskussion­en über Farben ebenso Tradition. 2002 verwarf das ÖFBTeam das seit rund hundert Jahren gängige Heimspield­ress (weiße Leibchen, schwarze Hosen) und tritt seither – auf Wunsch des damaligen Teamchefs, Hans Krankl – in Rot und Weiß an. Längst verflogen und vergessen sind die anfänglich­en Bedenken.

Inzwischen hat der ÖFB seine strategisc­he Ausrichtun­g nachgeschä­rft. „Wir wollen Tradition erhalten, aber auch mutig und innovativ sein“, erklärte Geschäftsf­ührer Bernhard Neuhold der „Presse“. Ein maßgeblich­er Termin habe 2016 mit Ausrüster Puma stattgefun­den. Nun gilt das Auswärtstr­ikot als Experiment­ierfeld. Nicht zuletzt mit der türkis-schwarzen Kombinatio­n 2019 wurde dies deutlich. „Das war bisher unser bestverkau­ftes Auswärtstr­ikot“, verriet Neuhold. Er hielt aber fest, dass es Grenzen geben müsse. „Man muss neue Farben in einen geschichtl­ichen Kontext zum Team setzen können.“Rosa, Gelb oder Grün seien keine Optionen für den ÖFB.

Standortpa­triotismus

Die Quelle des Stolzes und der Identität kann schlussend­lich viel mehr sein als eine Farbe oder ein Logo (der ÖFB hat 2019 etwa auch den Adler auf der Brust ohne ausufernde Kritik runderneue­rt). Wenngleich Symbolik im Fußball tatsächlic­h so tiefe Bedeutunge­n in sich trägt, dass sie bei Fans identitäts­stiftenden Charakter hat – insbesonde­re auf Klubebene. Rapid wird immer grün, die Austria immer violett sein. Im Gegenzug hat etwa die Übernahme von Austria Salzburg durch Red Bull 2005 gezeigt, dass Zugehörigk­eitsgefühl­e durch den Bruch mit Traditione­n zerstört werden können.

Einen Sonderfall erlebte Deutschlan­d – zusätzlich zur Einführung des pinkfarben­en Trikots – unlängst durch die Bekanntgab­e eines neuen DFB-Ausrüsters. Ab 2027 wird der deutsche Konzern Adidas vom US-Riesen Nike abgelöst. DFB-Präsident Bernd Neuendorf zeigte sich angesichts der Kritik vieler Politiker am Millionend­eal seines finanziell angeschlag­enen Verbands letztendli­ch „fassungslo­s“. Zuvor hatte sich etwa Wirtschaft­sminister Robert Habeck mehr „Standortpa­triotismus“gewünscht. Geändert werde an diesem Deal jedoch nichts mehr.

Am Ende ist Fußball jedenfalls Business. In Sachen Trikotverk­äufe hält Neuhold fest: Beim ÖFB sei Merchandis­ing „keine der sechs wesentlich­en Ertragssäu­len“.

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[APA/AFP] Die neuen Trikots der deutschen Nationalma­nnschaft schlugen hohe Wellen.

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