Die Macht der Symbolik im Fußball
Farben, Flaggen und Symbole elektrisieren im sportlichen Spannungsfeld aus Tradition und Moderne. Warum der ÖFB trotz allen Innovationsdrangs auch auf die Bremse tritt.
Die Aufregung war groß, der Aufschrei laut – selbst in höchsten Politikerkreisen. Als sich vergangene Woche gleich zwei europäische Fußballgroßmächte in Diskussionen um ihre Trikots wiederfanden, war dies sinnbildlich für ein Spannungsfeld aus Sport, Politik, Patriotismus, Tradition und Moderne.
Vor allem war es die Farbe, die die Wogen hochgehen ließ. Deutschland präsentierte sein neues Auswärtstrikot in Pink und Lila. Der neue eingeschlagene Weg, der laut Hersteller Adidas „die neue Generation deutscher Fußballfans und die Vielfalt des Landes repräsentieren soll“, sorgte in den sozialen Medien teilweise für vorhersehbare Kommentare.
Dafür hat Farbforscher Axel Buether gegenüber der Deutschen Presse-Agentur eine Erklärung. Pink werde mit Zartheit, Verletzlichkeit und Empfindlichkeit in Verbindung gebracht. Im (Männer-)Sport sei diese Farbe „lange Zeit ein No-Go gewesen“, da dieser mit maskulinen Eigenschaften wie Kraft, Aggressivität und Konkurrenzverhalten assoziiert werde. Nichtsdestoweniger zeigten der Deutsche Fußballbund, seine Spieler und Trainer Kante. Auch manch Sponsor liebt diese Farbe. Darum spielt Lask in diesen Dressen – oder Inter Miami mit Lionel Messi.
Stolz und Identität
Politisch noch aufgeladener war die jüngste Farbdiskussion in England. Dort hatte Hersteller Nike auf dem neuen Trikot der Nationalmannschaft ein St.-Georgs-Kreuz auf dem Kragen platziert. Es ist normalerweise rot und bildet zusammen mit einem weißen Hintergrund die englische Flagge. In der aktuellen Variante fehlt jedoch der weiße Hintergrund – und dem Kreuz wurden die Farben Lila und Blau hinzugefügt. Offenbar ein Foul für den britischen Premierminister, Rishi Sunak. „Ich bevorzuge das Original, wir sollten mit Nationalflaggen keinen Unsinn machen“, sagte der Regierungschef. Die Fahne sei „eine Quelle des Stolzes und der Identität“.
In Fußball-Österreich haben Diskussionen über Farben ebenso Tradition. 2002 verwarf das ÖFBTeam das seit rund hundert Jahren gängige Heimspieldress (weiße Leibchen, schwarze Hosen) und tritt seither – auf Wunsch des damaligen Teamchefs, Hans Krankl – in Rot und Weiß an. Längst verflogen und vergessen sind die anfänglichen Bedenken.
Inzwischen hat der ÖFB seine strategische Ausrichtung nachgeschärft. „Wir wollen Tradition erhalten, aber auch mutig und innovativ sein“, erklärte Geschäftsführer Bernhard Neuhold der „Presse“. Ein maßgeblicher Termin habe 2016 mit Ausrüster Puma stattgefunden. Nun gilt das Auswärtstrikot als Experimentierfeld. Nicht zuletzt mit der türkis-schwarzen Kombination 2019 wurde dies deutlich. „Das war bisher unser bestverkauftes Auswärtstrikot“, verriet Neuhold. Er hielt aber fest, dass es Grenzen geben müsse. „Man muss neue Farben in einen geschichtlichen Kontext zum Team setzen können.“Rosa, Gelb oder Grün seien keine Optionen für den ÖFB.
Standortpatriotismus
Die Quelle des Stolzes und der Identität kann schlussendlich viel mehr sein als eine Farbe oder ein Logo (der ÖFB hat 2019 etwa auch den Adler auf der Brust ohne ausufernde Kritik runderneuert). Wenngleich Symbolik im Fußball tatsächlich so tiefe Bedeutungen in sich trägt, dass sie bei Fans identitätsstiftenden Charakter hat – insbesondere auf Klubebene. Rapid wird immer grün, die Austria immer violett sein. Im Gegenzug hat etwa die Übernahme von Austria Salzburg durch Red Bull 2005 gezeigt, dass Zugehörigkeitsgefühle durch den Bruch mit Traditionen zerstört werden können.
Einen Sonderfall erlebte Deutschland – zusätzlich zur Einführung des pinkfarbenen Trikots – unlängst durch die Bekanntgabe eines neuen DFB-Ausrüsters. Ab 2027 wird der deutsche Konzern Adidas vom US-Riesen Nike abgelöst. DFB-Präsident Bernd Neuendorf zeigte sich angesichts der Kritik vieler Politiker am Millionendeal seines finanziell angeschlagenen Verbands letztendlich „fassungslos“. Zuvor hatte sich etwa Wirtschaftsminister Robert Habeck mehr „Standortpatriotismus“gewünscht. Geändert werde an diesem Deal jedoch nichts mehr.
Am Ende ist Fußball jedenfalls Business. In Sachen Trikotverkäufe hält Neuhold fest: Beim ÖFB sei Merchandising „keine der sechs wesentlichen Ertragssäulen“.