Die lang gehüteten Kurzfilme der Maria Lassnig
Die österreichische Malerin war auch Trickfilm-Pionierin – doch sie versteckte ihr eigenes Werk. Nun ist es im Künstlerhaus zu sehen.
Lang hat es gedauert, bis Maria Lassnig endlich als das gewürdigt wurde, was sie ist: eine der wichtigsten Künstlerinnen unserer Zeit. Geboren 1919 in Kärnten, nahm sie erst in den 1980er-Jahren an der Documenta in Kassel teil und erhielt große Einzelausstellungen. Dabei ist nicht nur ihre Malerei dank der schonungslosen Bildmotive, der pastelligen Farbpalette und eigenständigen Kompositionen großartig.
Auch mit ihren Trickfilmen betrat sie Neuland. Schon in den 1970ern gründete sie die Women Artist Filmmakers Inc., um Filme zu vertreiben. 1982 startete sie an der Universität für angewandte Kunst Österreichs einziges Lehrstudio für Trickfilm – das bis heute besteht.
Aber mit ihrem zunehmenden Erfolg als Malerin wollte sie ihre Filme nicht mehr zeigen. Vieles lagerte sie im unfertigen Zustand in einer Kiste auf ihrem Dachboden. Sie wehrte auch jedes Reden darüber ab. Und verfügte, dass Restaurierung und Rekonstruktionen erst nach ihrem Tod erlaubt sein würden. 2014 verstarb Lassnig, seither konnten ihre engen Vertrauten Mara Mattuschka und Hans Werner Poschauko das Material teilweise nach genauen Schnittanweisungen überarbeiten.
Jetzt widmet das Künstlerhaus Wien Lassnig die wunderbare kleine Ausstellung „Selbst als Kamera“mit einer Auswahl ihrer Kurzfilme, Filmplakate und Zeichnungen. Auf die Frage, warum sie überhaupt mit Filmen anfing, verwies Lassnig auf New York. Es sei die Stadt der Filmemacher, sagte sie einmal, „New York ist schuld daran“. Von 1968 bis 1980 lebte sie in der US-Metropole, die zu jener Zeit der Hotspot der Kunst war, von wo ein neuer Trend nach dem anderen die – damals noch sehr kleine – Kunstwelt eroberte.
Die eigenen Bilder animiert
Dort belegte Lassnig einen ZeichentrickKurs, kaufte sich eine 16-mm-Filmkamera und experimentierte mit dem neuen Medium. Den Begriff „Trickfilm“lehnte sie für ihre Werke immer ab, sie bevorzugte „Animationsfilm“. Zu ihren frühesten und auch berühmtesten Filmen jener Jahre gehören ihre „Soul Sisters“-Serie über befreundete Frauen und „Selfportrait“. Dieser fünfminütige StopMotion-Film basierte auf ihren Bildern. In schneller Form überblendet sie ihre Gesichter, mal mit Zügen von Greta Garbo, dann von Bette Davis oder der Freiheitsstatue, gegen Ende mit einer Kamera. Dazu erzählt ihre Stimme von sich selbst.
Dominiert in ihrer Malerei die von ihr genannte „Bodyawareness“, reflektiert sie in ihren Filmen oft weibliche Rollenmuster. Ganz anders dagegen „Dogfilm“, der drei Minuten lang teilweise in Überblendungen und Mehrfachbelichtungen eine Collage aus Nahaufnahmen und privaten Momenten mit Hunden zeigt, mal zähnefletschend, mal zahm. In der Ausstellung ist passend dazu eine ganze Wand mit großartigen Tierzeichnungen gefüllt. Mit wenigen Strichen gelingt es ihr, Löwen, Tiger und Hunde in entspannten Posen kuschelig aussehen zu lassen. Viele dieser Blätter wurden zuvor noch nie ausgestellt.
„Kann ja jeder Gott sein“
Ein Höhepunkt der Ausstellung ist sicher Lassnigs Film „Art Education“von 1976. Es ist eine feministische Umdeutung kunsthistorischer Ikonen, denen sie einen humorvollkritischen Text verpasst. Da lässt sie etwa die Figuren in Michelangelos „Erschaffung Adams“Selbstgespräche führen.
Wir sehen das berühmte Detail, das der italienische Meister als Teil des Deckenfreskos für die Sixtinische Kapelle malte, wo Gottvater mit ausgestrecktem Zeigefinger Adam zum Leben erweckt. Bei Lassnig führt das zu Reflexionen über die Frage nach Göttinnen, aber auch über die Existenz Gottes: „Wenn Gott eine Erfindung ist, kann ja jeder Gott sein.“