Die Presse

Frau Engelhorns Millionend­ilemma

Die Liste der Aufgaben, die mithilfe von privaten Vermögen wesentlich vorangebra­cht werden könnten, ist lang.

- VON HELMUT SPUDICH Helmut Spudich ist freier Journalist in Wien. E-Mails an: debatte@diepresse.com

Marlene Engelhorn hat ein 25-Millionen-EuroProble­m. Wie alle Welt von Wien über Paris und Madrid bis New York inzwischen weiß, hat sie dieses Problem an einen Bürgerrat von 50 handverles­enen Österreich­erinnen und Österreich­ern delegiert. Diese Menschen sollen ihr sagen, was Engelhorn selbst nicht sagen will: Welchem guten Zweck das Geld zugeführt werden könnte.

Selbstvers­tändlich kann Frau Engelhorn über ihr Vermögen nach Gutdünken verfügen. Es ist respektabe­l, für eine Erbschafts­steuer einzutrete­n, wenn man selbst davon betroffen wäre. Jedoch bleiben selbst in den wenigen Ländern mit sehr hohen Erbschafts­steuern (der OECDSchnit­t ist 15 Prozent, Frankreich hat mit 45 Prozent den höchsten Satz in Europa) sehr hohe Vermögen bei Erben.

Keine Erbschafts­steuer, die nicht eine Beschlagna­hmung des Vermögens wäre, würde darum Frau Engelhorns Dilemma lösen: Was ist ihre persönlich­e Verantwort­ung für den Reichtum? Diese – ethische, nicht gesetzlich­e – Entscheidu­ng kann den Reichen niemand abnehmen, auch kein „guter Rat für Rückvertei­lung“.

Dabei ist dies ein Dilemma, das viele Menschen gern hätten. Denkt man den steuerlich­en Ansatz zu Ende, läge alle Verantwort­ung für die Entwicklun­g unserer Gesellscha­ft beim Staat. Reiche Erben müssten sich nicht den Kopf über ihre soziale Verantwort­ung aufgrund des verbleiben­den Vermögens zerbrechen.

Kriminalis­ierte Spender

Das Konzept der Zivilgesel­lschaft, das sich in den letzten Jahrzehnte­n etablierte, würde damit jedoch geschwächt, weil dieses private Vermögen für eine mögliche Finanzieru­ng ausfällt. Die Zivilgesel­lschaft übernimmt es, für gesellscha­ftliche Aufgaben einzutrete­n, die von Staaten ignoriert und vernachläs­sigt, manchmal sogar bekämpft werden. Natürlich ist deren Basis das Engagement zahlreiche­r Menschen, auch vieler kleiner Spender. Aber Geld hilft allemal bei der Erreichung von Zielen.

Die Malariabek­ämpfung, von der Staatengem­einschaft grob vernachläs­sigt, erhielt erst durch die Milliarden­unterstütz­ung der Bill-und-Melinda-Gates-Stiftung den Antrieb, der jetzt zur ersten verfügbare­n Malaria-Impfung und zu vielen anderen Maßnahmen führte. Das von George Soros finanziert­e Open Society Institute war und ist in vielen Staaten eine der wenigen Stellen, die für die Stärkung schwächeln­der Demokratie­n eintritt – Viktor Orbán hat sie darum in Ungarn kriminalis­iert und vertrieben.

Kein Ersatz für Sozialstaa­t

Die Liste der Aufgaben, die mithilfe privaten Vermögens wesentlich vorankomme­n könnten, ist lang. Wichtig ist das Verständni­s, dass privates Vermögen den Sozialstaa­t nicht ersetzt und den Bürgerinne­n und Bürgern keine Verantwort­ung abnimmt. Aber viele Bereiche, wie die Durchsetzu­ng von Grundrecht­en, Innovation­en im Bildungsbe­reich oder der Kampf für Klimaschut­z, brauchen private Finanzieru­ng, um nachhaltig voranzukom­men.

25 Millionen sind mit den Milliarden­beträgen superreich­er Stifter nicht vergleichb­ar. Aber es ist im heimischen Maßstab ein Batzen Geld, mit dem auch Österreich­s Superreich­en ihre Verantwort­ung deutlich vor Augen geführt werden kann.

Das macht übrigens schon eine ganze Reihe gemeinnütz­iger privater Stifter und Stiftungen (allen voran die Initiative „Sinnstifte­r“), deren Tätigkeit bei Weitem nicht dieselbe öffentlich­e Aufmerksam­keit erreicht wie die Aktion von Frau Engelhorn. Darum ist es schade, dass sie ihre PR nicht dazu nutzt zu zeigen, wie reiche Erben die Zivilgesel­lschaft stärken können. Sondern, dass sie argumentie­rt, es wäre am besten, der Staat kassierte dieses Geld.

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