Ein bisschen rassistisch werden wir wohl bleiben müssen
Der Verein Zara kämpft gegen Ausgrenzung und Diskriminierung. Offenbar geht deren Ausmaß zurück. Die Aktivisten aber freut das gar nicht.
Fangen wir mit einer guten Nachricht an, die Sie vielleicht übersehen haben: In Österreich ist die Zahl rassistisch motivierter Vorfälle gesunken. Wie die Beratungsstelle Zara vor ein paar Tagen bekannt gab, wurden im Jahr 2023 insgesamt 1302 einschlägige Meldungen registriert. Das sind immer noch zu viele, klar, aber um fast 200 weniger als im Jahr davor. Der Rückgang ist noch beeindruckender, wenn man die jüngsten Zahlen mit jenen des Rekordjahres 2020 vergleicht: Damals hatte Zara mehr als 3000 rassistische Vorfälle dokumentiert. Dieser Wert war offensichtlich ein einmaliger Ausreißer. Seither geht es steil nach unten.
Bei der Präsentation des vom Verein verfassten Rassismusberichts 2023 muss die Stimmung also ziemlich gut gewesen sein, meinen Sie? Weit gefehlt. Man dürfe sich von diesem Rückgang nicht täuschen lassen, erklärte Zara-Geschäftsführerin Rita Isiba. Die Dunkelziffer sei viel höher, die Diskriminierung nach wie vor kein individuelles, sondern ein gesellschaftliches Problem. Anders als die Zahl der Meldungen sei der Bedarf an Beratung gestiegen, was für Frau Isiba zeigt, „wie tief verwurzelt Rassismus in vielen Lebensbereichen in Österreich noch ist“.
Die Medien übernahmen mehrheitlich diesen düsteren Lagebericht. „Hohe Dunkelziffer bei Alltagsrassismus“, titelte etwa ORF Online. Auch die Kritik von Zara an der untätigen Politik wurde nicht groß hinterfragt, sondern pflichtbewusst verbreitet. „Ein Aktionsplan ist eigentlich im Regierungsprogramm vorgesehen, lässt aber seit Jahren auf sich warten“, kritisierte der „Standard“.
Es ist wirklich wie verhext: Da wird in diesen harten Zeiten ausnahmsweise einmal etwas besser, und trotzdem jammern alle. Wenn Sie mich fragen, erklärt dieses Beispiel ziemlich gut, warum so viele Bürger den Eindruck haben, dass die Welt immer nur schlechter und noch schlechter wird. Eine andere Erzählung ist ja nicht im Angebot.
Die Damen und Herren von Zara sind mit ihrer Auslegung der Wirklichkeit nämlich nicht allein. Ziemlich viele NGOs und karitative Vereine arbeiten nach demselben Muster: Kaum wird irgendwo der Verdacht ruchbar, dass ein Übel geschrumpft sein könnte, halten die zuständigen Aktivisten sofort dagegen. Auch wenn die Statistik etwas anderes sagt, muss die Armut bitterer werden, die Benachteiligung von Frauen/Müttern/ Pensionistinnen zum Himmel schreien und die Diskriminierung diverser Minderheiten skandalös bleiben.
Als Argumentationshilfe häufig im Einsatz ist die sogenannte Dunkelziffer – ein Wert, den definitionsgemäß niemand kennt und der folglich als Beweis für praktisch jede Behauptung herhalten kann. Besagte Dunkelziffer ist natürlich stets sehr viel höher als die beweisbaren Zahlen, manchmal sogar um ein Vielfaches. Weil sie nicht fassbar ist, lassen sich dagegen keine Einwände vorbringen. So macht das Rechnen richtig Spaß.
Müssten gemeinnützige Vereine und Hilfsorganisationen nicht das Ziel verfolgen, die von ihnen bekämpften Missstände zu beheben, und jeden Fortschritt auf diesem Weg feiern? Doch, eigentlich schon, aber leider unterliegen auch die Guten diversen Sachzwängen. Sie buhlen um Spenden und Fördermittel und sollten die eigene Bedeutung hochhalten, damit ihnen überhaupt jemand zuhört.
Es ist wie verhext: Da wird in diesen harten Zeiten ausnahmsweise einmal etwas besser, trotzdem jammern alle.
Elend, Ausbeutung und Benachteiligung müssen also intensiv bewirtschaftet werden, allfällige Hinweise auf ein mögliches Happy End wären grob geschäftsschädigend. Zara-Geschäftsführerin Isiba hat das Dilemma in ihrer jüngsten Pressekonferenz selbst beschrieben: „Um wirklich etwas gegen Rassismus zu tun, müssen unsere Ressourcen aufgestockt werden. Wir sind auf Förderungen und Spenden angewiesen.“
Aus dieser Zwickmühle gibt es keinen Ausweg. Die Medien müssten allerdings nicht jedes Mal mitspielen. Erfreuliche Neuigkeiten sind ja nicht grundsätzlich verboten.