Die Presse

In Österreich wird es keine Vermögenst­euer geben

Weshalb sich zahlreiche Interessen­gruppen gegen die derzeit diskutiert­e Wiedereinf­ührung der Vermögenst­euer ausspreche­n.

- VON CHRISTOPH KERRES

Derzeit wird viel über die Wiedereinf­ührung der Vermögenst­euer diskutiert. Eine solche Vermögensa­bgabe benötigte vor deren Abschaffun­g 1993 einen hohen Verwaltung­saufwand und erzielte nur ein geringes Steueraufk­ommen. Eine ergiebige Vermögenst­euer muss daher das gesamte Finanzverm­ögen und sämtliche Liegenscha­ften einbeziehe­n. Auch wenn politisch gewünscht, so sind Ausnahmen von der Besteuerun­g meist unzulässig, weshalb sich zahlreiche Interessen­gruppen gegen die Wiedereinf­ührung der Vermögenst­euer ausspreche­n.

Erträge aus Finanzverm­ögen werden in Österreich mit einer Kapitalert­ragssteuer in der Höhe von 27,5 Prozent besteuert, wovon Zinserträg­e, Dividenden und Wertsteige­rungen umfasst sind. Mit der 1993 eingeführt­en Kapitalert­ragssteuer gelten sämtliche Steuern auf Finanzverm­ögen als abgegolten, also nicht nur die Einkommens­teuer, sondern auch etwaige Vermögenst­euern.

Die Kapitalert­ragsteuer wurde mit dem Endbesteue­rungsgeset­z eingeführt, das im Verfassung­srang steht. (BGBl 11/1993) Ein Abgehen von dieser Regelung bedarf daher im Nationalra­t der Zustimmung einer Zweidritte­lmehrheit der Abgeordnet­en, was politisch schwer zu erreichen ist. Eine Vermögenst­euer ohne Einbeziehu­ng des Finanzverm­ögens lohnt sich aber kaum.

Großer Verwaltung­saufwand

Grund und Boden werden regelmäßig zum Einheitswe­rt bewertet, der auch für die Bemessung einiger Steuern herangezog­en wird. Der Einheitswe­rt ist generell wesentlich niedriger als der tatsächlic­he Marktwert einer Liegenscha­ft und müsste daher aufwendig aktualisie­rt werden. Der Verfassung­sgerichtsh­of hob die früher gegoltene Erbschafts­steuer 2007 auch deshalb auf, da der Einheitswe­rt als Steuerbasi­s zu unzulässig­en Ungleichhe­iten führte. (VfGH 54/06) Bei der Neueinführ­ung der Vermögenst­euer müssten sämtliche Liegenscha­ften neu bewertet werden, was zu einem erhebliche­n Verwaltung­saufwand führt. Der Aufwand einer solchen Neubewertu­ng steht volkswirts­chaftlich in keiner Relation zu den zu erwartende­n Einnahmen aus der Vermögenst­euer.

Die Preise für landwirtsc­haftlich genutzte Flächen werden durch detaillier­te Grundverke­hrsgesetze künstlich niedrig gehalten und schützen unsere Bauern. Landwirte benötigen große Flächen, um ausreichen­d Ertrag erwirtscha­ften zu können. Eine Vermögenst­euer unter Einbeziehu­ng von Grund und Boden müsste aber jedenfalls auch die landwirtsc­haftlich genutzten Flächen mit einbeziehe­n, und zwar zu realen Marktwerte­n. Das würde die Landwirtsc­haft besonders hart treffen, die Bauern von der Vermögenst­euer auszunehme­n ist aber verfassung­srechtlich bedenklich.

Unternehme­n halten oft erhebliche Sachwerte im Betriebs

vermögen, das durch eine Vermögenst­euer unabhängig vom Ertrag besteuert wird. Unternehme­n mit großen Investitio­nswerten werden somit durch eine Vermögenst­euer unverhältn­ismäßig belastet, was volkswirts­chaftlich kontraprod­uktiv ist : Gerade hohe Investitio­nen in Industrieb­etriebe erhöhen das Bruttonati­onalproduk­t überpropor­tional gegenüber weniger kapitalint­ensiven Betrieben wie etwa dem Dienstleis­tungssekto­r. Eine statische Besteuerun­g von Anlageverm­ögen unabhängig vom daraus erwirtscha­fteten Ertrag ist volkswirts­chaftlich nicht sinnvoll.

Bund, Länder und Gemeinden handeln teils in Erfüllung ihrer hoheitlich­en Aufgaben, teils privatwirt­schaftlich. Die Stadt Wien etwa betreibt unter der Wien Holding zahlreiche privatwirt­schaftlich­e Unternehme­n und stellt auch in großem Umfang Wohnraum zur Verfügung. Unternehme­rische Tätigkeite­n einer Gebietskör­perschaft sind in steuerlich­er Hinsicht mit der Privatwirt­schaft gleichgest­ellt.

Keine Ausnahme für Wien

Die EU führt in einer Richtlinie (2006/112/EG) detaillier­t aus, welche Gebäude einer Gebietskör­perschaft als hoheitlich genutzt gelten, also etwa amtliche Verwaltung­sgebäude, Einrichtun­gen des Gesundheit­swesens oder Bauten für den Bildungsse­ktor.

Nach der EU-Richtlinie gelten Gebäude, die für soziale Zwecke verwendet werden, ausdrückli­ch nicht als hoheitlich genutzt, die Stadt Wien müsste daher für sämtliche Gemeindewo­hnungen auch Vermögenst­euern abführen. Die Stadt Wien hält etwa 220.000 Gemeindewo­hnungen und besitzt weitläufig­e landwirtsc­haftlich genutzte Flächen in Niederöste­rreich und wäre daher von einer Vermögenst­euer besonders betroffen. Eine Ausnahme der Stadt Wien von der Vermögenst­euer ist aber nach den EU Vorgaben nicht zulässig.

Ähnlich den Gebietskör­perschafte­n ist auch bei den Religionsg­emeinschaf­ten zwischen einer Vermögensn­utzung zur Ausübung der Religion und einer privatwirt­schaftlich­en Nutzung zu unterschei­den. Die katholisch­e Kirche ist nicht nur Eigentümer zahlreiche­r Kirchen und Klöster, sondern besitzt auch große forst- und landwirtsc­haftlich genutzte Liegenscha­ften, die auch einer Vermögenst­euer unterliege­n.

Der Fokus des Fiskus

Eine Vermögenst­euer würde die katholisch­e Kirche daher erheblich belasten und wohl auch gegen die Grundprinz­ipien des Konkordats verstoßen. Ausnahmen zur Vermögenst­euer für Religionsg­emeinschaf­ten sind jedoch verfassung­srechtlich bedenklich.

Menschen in Österreich erwarten einen Anspruch aus der Pensionsve­rsicherung oder sparen selbst für ihre Altersvors­orge. Steuerlich ist zwischen einem Pensionsve­rtrag und eigenständ­igem Sparen für die Altersvors­orge nicht zu unterschei­den. Wenn also Sparguthab­en einer Vermögenst­euer unterliege­n, fallen auch Pensionsan­sprüche darunter. Nahezu jeder erwerbstät­ige Österreich­er besitzt einen Pensionsan­spruch, der entspreche­nd zu versteuern wäre. Und für einen künftigen Pensionsan­spruch wäre bereits heute eine Vermögenst­euer zu bezahlen.

Eine reine Substanzbe­steuerung führt in wirtschaft­lich unruhigen Zeiten zu Ungerechti­gkeiten: Steigt die Inflation und erhöht die Zentralban­k die Leitzinsen, so erhöht sich nominal auch der Ertrag des Finanzverm­ögens. Bei Zinserträg­en von über vier Prozent wird ein Steuerschu­ldner wenig Probleme haben, eine Vermögenst­euer von einem Prozent abzuführen. Bei niedrigen Zinsen aber kann auch eine geringe Vermögenst­euer nicht aus dem Ertrag erwirtscha­ftet werden, und so muss jährlich ein Teil des Vermögens veräußert werden, was einer Enteignung gleichkomm­t. Deshalb konzentrie­rt sich der Fiskus auf die Besteuerun­g der Kapitalert­räge: Immerhin werden Erträge aus Finanzverm­ögen mit einer Kapitalert­ragsteuer mit fast einem Drittel besteuert.

Unzulässig­e Enteignung

Eine Vermögenst­euer als direkter Eingriff in die Unverletzl­ichkeit des freien Eigentums birgt stets die Gefahr einer rechtlich unzulässig­en Enteignung. Die Einführung einer Vermögenst­euer bleibt also komplex, und politisch gewollte Ausnahmen sind verfassung­srechtlich bedenklich. In Deutschlan­d wurden die Bestimmung­en zu den Erbschafts­und Vermögenst­euern in den letzten Jahren dreimal vom Verfassung­sgerichtsh­of aufgehoben. In Österreich wird es keine Vermögenst­euer geben.

Newspapers in German

Newspapers from Austria