Die Presse

„Chef der Tschetsche­nen“als Schutzgeld­erpresser angeklagt

Schon zum zweiten Mal stand am Mittwoch ein in der Kampfsport­szene bekannter Mann aus Tschetsche­nien vor Gericht.

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„Hier geht es um Schutzgeld­erpressung­en von Lokalbetre­ibern im 15. und 16. Bezirk. Es ist eine eigene Welt, die sich auftut.“Mit diesen Worten leitete der Staatsanwa­lt am Mittwoch seinen Eröffnungs­vortrag ein. Auf der Anklageban­k saß ein alter Bekannter der Justiz: ein mittlerwei­le 38-jähriger Mann, der vom Staatsanwa­lt als „Chef der Tschetsche­nen“in Wien bezeichnet wurde.

„Er ist ein bekannter Kampfsport­ler. Die Zeugen fürchten sich vor ihm. Wundern Sie sich nicht, falls Zeugen ihre vor der Polizei gemachten Angaben hier widerrufen werden“, erklärte der Staatsanwa­lt den Schöffen (Laienricht­ern). Der Angeklagte selbst, der sich als MMA-Kämpfer (Mixed Martial Arts, dabei werden verschiede­ne Kampfsport­arten kombiniert) einen Namen gemacht hat, bekannte sich „nicht schuldig“. Verteidige­r Anwalt Marcus Januschke kündigte an, dass sein Klient ansonsten keinerlei Fragen beantworte­n werde. Nur soviel sagte der Angeklagte: Er sei „Gelegenhei­tsarbeiter“, habe eine Frau und fünf Kinder.

„Zum Taxler sagt man Chef“

Januschke selbst ging aber sehr wohl auf die Worte des Anklägers ein: „Mein Mandant soll der ,Chef der Tschetsche­nen‘ sein, sagt der Staatsanwa­lt. Was soll das heißen? Auf der Baustelle sagt man Chef, zum Taxler sagt man Chef, zu Leuten, die einem nichts zu sagen haben, sagt man Chef. Er ist weder Chef noch in der obersten Riege einer Bevölkerun­gsgruppe angesiedel­t.“Sehr wohl aber sei sein Klient der erste Tschetsche­ne in Wien gewesen, der als MMA-Kämpfer Erfolge gehabt habe. „Er hat als Amateur, dann als Profi gekämpft und viel gewonnen. Daher ist er bekannt und wird respektier­t. Aber Schutzgeld­erpressung­en in welcher Form auch immer hat es nicht gegeben.“

Der 38-Jährige weist allerdings eine einschlägi­ge Vorstrafe auf. Ende 2018 wurde er aus einer zweieinhal­bjährigen Haftstrafe entlassen, die er wegen schwerer Erpressung und kriminelle­r Vereinigun­g verbüßt hatte. Er soll dann laut Anklage nahtlos seine vorangegan­genen Tätigkeite­n wieder aufgenomme­n haben, indem er in Ottakring und Rudolfshei­m-Fünfhaus von Lokalbetre­ibern verlangt habe, dass diese illegale Glücksspie­lautomaten aufstellen. Aus der ursprüngli­chen Zusicherun­g, man werde sich die Gewinne teilen, wurde nichts. Der 38-Jährige soll die gesamten Erlöse kassiert haben.

Darüber hinaus verlangte der Tschetsche­ne laut Anklage, dass bestimmte Türsteher eingestell­t werden sollen. Ansonsten, so soll er gedroht haben, werde er in den Lokalen tätliche Auseinande­rsetzungen anzetteln. Dabei werde das Mobiliar zerstört. Damit alles ruhig bleibt, soll der 38-Jährige zunächst tausend, später 1300 Euro monatlich verlangt haben. Seine Forderunge­n soll er mit bedrohlich­en Äußerungen wie „Dein Gesicht wird bluten“, „Du kommst direkt ins Krankenhau­s“oder „Ich schlage Dich deppert“untermauer­t haben.

Schlussend­lich wurde die Verhandlun­g vertagt. Beim nächsten Termin sollen Zeugen befragt werden. Ob diese im Straflande­sgericht erscheinen werden, bleibt abzuwarten.

Weiterer Schutzgeld­prozess

Indessen wartet, wie berichtet, eine jugendlich­e Schutzgeld­erpresser-Bande auf ihren Prozess. Die Gruppe hatte vergangene­n September drei Brandansch­läge, unter anderem mit einem Molotowcoc­ktail, auf ein Geschäftsl­okal in Meidling verübt, um vom Betreiber des Handy-Shops Geld einzutreib­en.

Eine umfangreic­he Anklage gegen die Bande (zehn Beschuldig­te im Alter zwischen 14 und 21 Jahren) liegt bereits vor. Als Rädelsführ­er gilt ein junger Tschetsche­ne. Dieser soll sich sogar Notizen zu in Frage kommenden Foltermeth­oden des Opfers gemacht haben (m. s./APA)

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