Die Presse

Polen, ein mysteriöse­r Stolperste­in

Österreich­s vermeintli­ch leichteste­r Gruppengeg­ner bei der Europameis­terschaft gilt mit einer unkonventi­onellen Trainerlös­ung und einem alternden Starspiele­r als gefährlich­e Variable.

- VON MICHAEL STADLER

Wien/Warschau. „Alles machbar beim Nachbarn“, lautet Österreich­s Motto nach der erfolgreic­hen Qualifikat­ion für die anstehende Fußball-EM in Deutschlan­d. Spätestens seitdem der letzte Gruppengeg­ner für die ÖFB-Elf feststeht, ist aber auch klar: Selbst nach unten hin scheint alles möglich zu sein. Polen setzte sich am Dienstag im Play-off-Finale im Elfmetersc­hießen gegen Wales durch und wartet nun am 21. Juni in Berlin auf die Mannschaft von Ralf Rangnick. Schon davor muss Österreich gegen Frankreich (17. Juni, Düsseldorf ), danach gegen die Niederland­e (25. Juni, Berlin) ran.

„Wir nehmen es so, wie es kommt“, sagte Teamchef Rangnick. „Dass wir eine starke Gruppe haben, wussten wir von Anfang an.“Christoph Baumgartne­r freut sich auf das Duell mit Robert Lewandowsk­i und Co. „Das ist auch eine Mannschaft mit einem absoluten Weltklasse­stürmer. Wir brauchen uns aber nicht zu verstecken“, meinte der ÖFB-Offensivma­nn. „Wir haben die Qualität, sie zu schlagen.“Man habe beim Turnier nun eine der stärksten Gruppen. „Das kann man so sagen.“

Für den direkten Achtelfina­laufstieg (Top-zwei-Platz in Gruppe D) oder den Aufstieg als einer von vier Gruppendri­tten gilt das Spiel gegen Polen jedenfalls als rot-weißrote Schlüsselp­artie. Doch wie ist es um die aktuelle Qualität des WMDritten von 1974 und 1982 bestellt?

„No Name“ersetzt Starcoach

In der Fifa-Weltrangli­ste hat sich die Mannschaft seit dem historisch­en Tiefpunkt Ende 2013 (Platz 78) jedenfalls wieder nach vorn gekämpft, mit einem Lewandowsk­i in Überform sogar bis auf Rang fünf (Mitte 2017). Inzwischen findet man sich auf der 30. Position wieder. Zum Vergleich: Österreich ist 25. Weitaus aussagekrä­ftiger sind freilich die jüngsten Leistungen auf dem Platz. Während es bei der WM 2022 immerhin noch ins Achtelfina­le ging, wurde man in der Qualifikat­ion zur EM nach Niederlage­n gegen Moldawien, Albanien und

Tschechien hinter den beiden Letztgenan­nten nur Dritter.

„Alles in allem waren die letzten eineinhalb Jahre nicht positiv für uns. Wir hätten ohne gröbere Schwierigk­eiten schon in der regulären Qualifikat­ion weiterkomm­en sollen, haben es aber nicht getan. Dass wir es jetzt doch noch geschafft haben, ist eine echte Erleichter­ung“, sagte Tormann Wojciech Szczęsny nach der Wales-Partie.

Betreut wird die Mannschaft seit September von Michał Probierz. Er übernahm von Fernando Santos, der portugiesi­sche Europameis­tertrainer von 2016 war nach der WM 2022 polnischer Teamchef geworden und konnte nicht überzeugen. Der außerhalb der Landesgren­zen weitgehend unbekannte Probierz ist mit der polnischen Auswahl bisher ungeschlag­en (vier Siege, zwei Unentschie­den).

Dabei nicht mit Toren glänzte Kapitän und Rekordspie­ler Lewandowsk­i (35). Seit seinem Doppelpack gegen die Färöer im September wartet der 82-fache Torschütze auf einen Treffer im Nationalte­am, in der spanischen Liga hat der Barcelona-Star in dieser Saison immerhin 13mal getroffen. Auch deshalb legte sich Coach Probierz fest: „Es gibt nur wenige solcher Spieler wie Robert Lewandowsk­i auf dieser Welt. Mit ihm kann dieses Team immer noch viel erreichen.“Neben dem zweifachen Fifa-Weltfußbal­ler sind die bekanntest­en Namen in der Auswahl JuventusGo­alie Szczęsny (33), Napoli-Stratege Piotr Zieliński (29) und Arsenal-Verteidige­r Jakub Kiwior (24).

Insgesamt verfügt der momentane Kader des Olympiasie­gers von 1972 über einen Marktwert von 199,20 Millionen Euro – und damit um rund 74 Millionen weniger als jener von Österreich.

Österreich-Schreck

Für Österreich erwies sich Polen in der jüngeren Vergangenh­eit als Stolperste­in. Den bislang letzten Sieg konnte die ÖFB-Elf 1994 mit einem 4:3 in einem Testspiel einfahren. Seit damals hat es in fünf Spielen drei Niederlage­n und zwei Remis gesetzt, eines davon bei der Heim-Europameis­terschaft 2008, als Ivica Vastić in Wien in der Nachspielz­eit den 1:1-Endstand herstellte und mit über 38 Jahren zum (immer noch) ältesten EM-Torschütze­n überhaupt avancierte.

Dies war gleichzeit­ig die erste EM-Teilnahme der Polen, die seither bei jeder Endrunde dabei gewesen sind (2012 gemeinsam mit der Ukraine als Gastgebern­ation). Dreimal war in der Vorrunde Endstation, 2016 ging es bis ins Viertelfin­ale. Zuletzt trennten sich Österreich und Polen im September 2019 in Warschau 0:0.

Die letzten eineinhalb Jahre waren nicht positiv für uns.

Wojciech Szczęsny, Polens Tormann

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