Regionale Nahversorger verlieren an Boden
Die ohnehin schon hohe Marktkonzentration im Lebensmittelhandel könnte sich weiter zuspitzen. Hohe Kosten brachten lokale Anbieter wie Unimarkt oder Mpreis zuletzt in Turbulenzen. Die Kartellwächter sind alarmiert.
Wien. Nirgendwo sonst in Europa ist der Lebensmittelhandel derart hoch konzentriert wie in Österreich. Allein die drei Platzhirsche Spar, Rewe (Billa, Penny) und Hofer kontrollieren zusammen 94 Prozent des Marktes. Die großen Ketten würden es sich „untereinander ausmachen“, heißt es immer wieder. Das führe zu überdurchschnittlich hohen Preisen in den heimischen Supermarktregalen. Stimmt nicht, attestierte die Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) vergangenen November in einer breit angelegten Branchenuntersuchung.
Die Kartellrechtler warnten damals aber vor einer bedrohlichen Entwicklung, die den Markt dysfunktional mache: Während die großen Supermarktketten ihr ohnehin dichtes Filialnetz weiter ausbauten, seien laut BWB seit 2019 mehr als 200 Nahversorger aus dem Markt ausgeschieden – vor allem kleinere Händler, die die Versorgung in ländlichen Regionen sicherstellten.
Ausgedünnte Nahversorgung
Diese Entwicklung droht sich nun weiter zuzuspitzen. Die oberösterreichische Supermarktkette Unimarkt musste seit November wegen fehlender Wirtschaftlichkeit zehn Standorte auflösen. Von den verbliebenen 124 Geschäften ist heute etwa die Hälfte franchisegeführt. Im laufenden Geschäftsjahr sollen auch die restlichen Filialen an Franchisepartner abgegeben werden, teilte das Unternehmen Anfang dieser Woche mit.
„Wir prüfen jeden Standort auf seine Wirtschaftlichkeit“, so Unimarkt-Eigentümer Andreas Haider zur „Presse“. „Sollte diese mittel- und langfristig nicht mehr gegeben sein oder sollten größere Investitionen anstehen, werden wir diese Standorte schließen.“Für einige Standorte wurden zwar schon
Nachfolgeverträge unterzeichnet, dennoch zeichnet sich in einigen Gemeinden eine Verschlechterung der Nahversorgung ab. Auch weil der Verfassungsgerichtshof (VfGH) im Februar urteilte, dass das Öffnungszeitengesetz ebenso für die bis dahin rund um die Uhr geöffneten Selbstbedienungsboxen von Unimarkt gelte. Maximal 76 Stunden pro Woche dürften die Boxen geöffnet haben – für den Händler schlichtweg „nicht rentabel“, weshalb alle 17 Uniboxen umgehend geschlossen wurden. „Für uns war das Urteil so nicht absehbar“, sagt Haider. „Wir haben immer gehofft, dass Österreich bereit ist, dieses 40-jährige Gesetz der Neuzeit anzupassen.“Ob dieses Gesetz noch zeitgemäß ist, sei dahingestellt.
Die Schließung ist aber auch Folge eigener Versäumnisse. Mit anderen Konzessionen hätten die Boxen rund um die Uhr weiterbetrieben werden können, sagen Marktbeobachter mit Verweis auf Automatenlokale in Wien und anderen Städten.
Nicht nur die oberösterreichische Unigruppe hat derzeit Schwierigkeiten, auf dem hart umkämpften Markt zu bestehen. Auch die Tiroler Supermarktkette Mpreis musste vergangenes Jahr in Folge einer wirtschaftlichen Umstrukturierung mehrere Filialen schließen. In den vergangenen beiden Geschäftsjahren fuhr Mpreis einen kumulierten Verlust von 27 Mio. Euro ein. Auch für das aktuelle Geschäftsjahr sind die Aussichten alles andere als rosig. Gestiegene Kosten für den Transport in abgelegene Tiroler Ortschaften drückten auf die Margen.
Große Ketten als Nutznießer?
Dazu kommen gestiegene Einkaufspreise, die bei den kleineren Ketten wirtschaftlich stärker ins Gewicht fallen. Weil sie den Produzenten deutlich kleinere Mengen abnehmen, kaufen sie zu schlechteren Konditionen ein. Die Marktführer Spar und Rewe beobachten die Schwäche der regionalen Anbieter genau. Berichte, wonach die Billa-Mutter Rewe an einem Einstieg bei Mpreis interessiert sei, weist Rewe auf „Presse“-Nachfrage zurück. Man arbeite aber an der Weiterentwicklung des Filialnetzes – „auch im ländlichen Raum“. Beim Konkurrenten Spar schielt man auf möglicherweise frei werdende Unimarkt-Filialen: „Der eine oder andere Standort könnte schon interessant sein für uns.“Man müsse aber im Einzelfall überprüfen, ob die jeweiligen Standorte ins bestehende Filialkonzept passen.
Die Wettbewerbshüter sind jedenfalls alarmiert. Sie beobachten eine mögliche Zuspitzung der Marktkonzentration „ganz genau“, sagte BWB-Chefin Natalie HarsdorfBorsch am Mittwoch bei einem Medientermin. Im Falle einer Pleite könnte sich die Marktkonzentration auf regionaler Ebene auch ohne eine unmittelbare Übernahme in bedenklichem Ausmaß verschieben.