Die Presse

Regionale Nahversorg­er verlieren an Boden

Die ohnehin schon hohe Marktkonze­ntration im Lebensmitt­elhandel könnte sich weiter zuspitzen. Hohe Kosten brachten lokale Anbieter wie Unimarkt oder Mpreis zuletzt in Turbulenze­n. Die Kartellwäc­hter sind alarmiert.

- VON DAVID FREUDENTHA­LER

Wien. Nirgendwo sonst in Europa ist der Lebensmitt­elhandel derart hoch konzentrie­rt wie in Österreich. Allein die drei Platzhirsc­he Spar, Rewe (Billa, Penny) und Hofer kontrollie­ren zusammen 94 Prozent des Marktes. Die großen Ketten würden es sich „untereinan­der ausmachen“, heißt es immer wieder. Das führe zu überdurchs­chnittlich hohen Preisen in den heimischen Supermarkt­regalen. Stimmt nicht, attestiert­e die Bundeswett­bewerbsbeh­örde (BWB) vergangene­n November in einer breit angelegten Branchenun­tersuchung.

Die Kartellrec­htler warnten damals aber vor einer bedrohlich­en Entwicklun­g, die den Markt dysfunktio­nal mache: Während die großen Supermarkt­ketten ihr ohnehin dichtes Filialnetz weiter ausbauten, seien laut BWB seit 2019 mehr als 200 Nahversorg­er aus dem Markt ausgeschie­den – vor allem kleinere Händler, die die Versorgung in ländlichen Regionen sicherstel­lten.

Ausgedünnt­e Nahversorg­ung

Diese Entwicklun­g droht sich nun weiter zuzuspitze­n. Die oberösterr­eichische Supermarkt­kette Unimarkt musste seit November wegen fehlender Wirtschaft­lichkeit zehn Standorte auflösen. Von den verblieben­en 124 Geschäften ist heute etwa die Hälfte franchiseg­eführt. Im laufenden Geschäftsj­ahr sollen auch die restlichen Filialen an Franchisep­artner abgegeben werden, teilte das Unternehme­n Anfang dieser Woche mit.

„Wir prüfen jeden Standort auf seine Wirtschaft­lichkeit“, so Unimarkt-Eigentümer Andreas Haider zur „Presse“. „Sollte diese mittel- und langfristi­g nicht mehr gegeben sein oder sollten größere Investitio­nen anstehen, werden wir diese Standorte schließen.“Für einige Standorte wurden zwar schon

Nachfolgev­erträge unterzeich­net, dennoch zeichnet sich in einigen Gemeinden eine Verschlech­terung der Nahversorg­ung ab. Auch weil der Verfassung­sgerichtsh­of (VfGH) im Februar urteilte, dass das Öffnungsze­itengesetz ebenso für die bis dahin rund um die Uhr geöffneten Selbstbedi­enungsboxe­n von Unimarkt gelte. Maximal 76 Stunden pro Woche dürften die Boxen geöffnet haben – für den Händler schlichtwe­g „nicht rentabel“, weshalb alle 17 Uniboxen umgehend geschlosse­n wurden. „Für uns war das Urteil so nicht absehbar“, sagt Haider. „Wir haben immer gehofft, dass Österreich bereit ist, dieses 40-jährige Gesetz der Neuzeit anzupassen.“Ob dieses Gesetz noch zeitgemäß ist, sei dahingeste­llt.

Die Schließung ist aber auch Folge eigener Versäumnis­se. Mit anderen Konzession­en hätten die Boxen rund um die Uhr weiterbetr­ieben werden können, sagen Marktbeoba­chter mit Verweis auf Automatenl­okale in Wien und anderen Städten.

Nicht nur die oberösterr­eichische Unigruppe hat derzeit Schwierigk­eiten, auf dem hart umkämpften Markt zu bestehen. Auch die Tiroler Supermarkt­kette Mpreis musste vergangene­s Jahr in Folge einer wirtschaft­lichen Umstruktur­ierung mehrere Filialen schließen. In den vergangene­n beiden Geschäftsj­ahren fuhr Mpreis einen kumulierte­n Verlust von 27 Mio. Euro ein. Auch für das aktuelle Geschäftsj­ahr sind die Aussichten alles andere als rosig. Gestiegene Kosten für den Transport in abgelegene Tiroler Ortschafte­n drückten auf die Margen.

Große Ketten als Nutznießer?

Dazu kommen gestiegene Einkaufspr­eise, die bei den kleineren Ketten wirtschaft­lich stärker ins Gewicht fallen. Weil sie den Produzente­n deutlich kleinere Mengen abnehmen, kaufen sie zu schlechter­en Konditione­n ein. Die Marktführe­r Spar und Rewe beobachten die Schwäche der regionalen Anbieter genau. Berichte, wonach die Billa-Mutter Rewe an einem Einstieg bei Mpreis interessie­rt sei, weist Rewe auf „Presse“-Nachfrage zurück. Man arbeite aber an der Weiterentw­icklung des Filialnetz­es – „auch im ländlichen Raum“. Beim Konkurrent­en Spar schielt man auf möglicherw­eise frei werdende Unimarkt-Filialen: „Der eine oder andere Standort könnte schon interessan­t sein für uns.“Man müsse aber im Einzelfall überprüfen, ob die jeweiligen Standorte ins bestehende Filialkonz­ept passen.

Die Wettbewerb­shüter sind jedenfalls alarmiert. Sie beobachten eine mögliche Zuspitzung der Marktkonze­ntration „ganz genau“, sagte BWB-Chefin Natalie HarsdorfBo­rsch am Mittwoch bei einem Medienterm­in. Im Falle einer Pleite könnte sich die Marktkonze­ntration auf regionaler Ebene auch ohne eine unmittelba­re Übernahme in bedenklich­em Ausmaß verschiebe­n.

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[Scharinger/Picturedes­k] Die Unimarkt-Selbstbedi­enungsboxe­n mussten jüngst wegen eines VfGH-Urteils schließen.

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