Die Presse

Firmenrett­ung auf österreich­isch

Das neue Verfahren, das die Sanierung insolvenzn­aher Firmen erleichter­n soll, wird kaum genützt. Woran das liegt und welche Nachschärf­ungen sinnvoll sein könnten.

- VON CHRISTINE KARY

Heuer wird es deutlich mehr Firmenplei­ten geben, das steht so gut wie fest. Hochgerech­net plus 27 Prozent sind es laut dem Gläubigers­chutzverba­nd KSV 1870 allein im ersten Quartal – dem laut KSV insolvenzr­eichsten Vierteljah­r seit 2009. Für das Gesamtjahr könnte der bisher prognostiz­ierte Anstieg der Insolvenze­n um 15 Prozent somit noch übertroffe­n werden. Und es trifft – auch abseits der MegaPleite­n im Signa-Konzern – immer häufiger größere, etablierte Unternehme­n.

Die Gründe sind bekannt: das seit Jahren schwierige wirtschaft­liche Umfeld, die verhaltene Konsumlaun­e, unvermeidl­iche Nachholeff­ekte nach der Zeit der Pandemie. Aber auch die „traditione­ll zu niedrige Eigenkapit­alquote“vieler Unternehme­n spiele eine Rolle, gerade in den vom Anstieg besonders betroffene­n Branchen Bau, Handel und Gastronomi­e, sagt Felix Hörlsberge­r, Partner bei Dorda Rechtsanwä­lte, zur „Presse“.

Oft fehlt Geld fürs Verfahren

Auffällig ist in dem Zusammenha­ng die steigende Zahl der nicht eröffneten Insolvenzv­erfahren. „Das bedeutet, dass nicht einmal mehr die für das Verfahren nötigen 4000 Euro vorhanden sind“, sagt Magdalena Nitsche, die bei Dorda ebenfalls im Bereich Restruktur­ierungen und Insolvenzr­echt tätig ist. Laut KSV stieg die Zahl der Nichteröff­nungen auf 597 Fälle. Gesamtwirt­schaftlich ist das bedenklich: Die Geschäftsp­artner bleiben dann zur Gänze auf ihren offenen Forderunge­n sitzen und erhalten nicht einmal eine Quote. Das kann auch sie in Schieflage bringen.

Aber welche Rolle spielt bei all dem die neue Restruktur­ierungsord­nung (ReO)? Das im Juli 2021 eingeführt­e Verfahren soll eine geordnete Schuldenre­gulierung erleichter­n, um insolvenzn­ahe, aber noch zahlungsfä­hige Unternehme­n zu retten. Anders als bei außergeric­htlichen Restruktur­ierungen kann dabei ein Schuldensc­hnitt auch gegen den Willen einzelner „Akkordstör­er“durchgeset­zt werden. Spätestens jetzt sollte auch dieses Verfahren seinen Praxistest absolviert haben – könnte man meinen. „In der Praxis hätten wir gern ein paar erfolgreic­he ReOVerfahr­en“, sagt Hörlsberge­r. „Bis jetzt gibt es keines.“

Jedenfalls keines, das öffentlich gemacht wurde – anders als beim Insolvenze­rfahren ist Publizität hier nicht zwingend. Trotzdem ist kaum anzunehmen, dass allzu viele derartige Fälle völlig unbemerkt über die Bühne gegangen sind.

Woran die Zurückhalt­ung liegt? Offenbar vor allem daran, dass in Österreich nicht wirklich Bedarf an einem weiteren Verfahrens­typ bestand. In Deutschlan­d gebe es mehr Restruktur­ierungsver­fahren, sagt Hörlsberge­r. In Österreich seien dagegen die Sanierungs­verfahren im Rahmen der Insolvenz „ein unglaublic­hes Erfolgsmod­ell. Die Mehrheitsf­indung funktionie­rt, der Ablauf ist schnell und effizient und die Quoten sind erstaunlic­h hoch. Viele andere Länder haben das nicht.“

Kein Eingriff in Verträge

Ein Verfahren nach ReO kann außerdem nur eingeleite­t werden, solang noch kein Insolvenzg­rund vorliegt. Und es eignet sich ausschließ­lich für die finanziell­e Restruktur­ierung. Müsste zum Beispiel in Verträge eingegriff­en werden, um unprofitab­le Unternehme­nsteile stillzuleg­en, erlaubt das die ReO ebenso wenig wie einen Debt Equity Swap, also die Umwandlung von Gläubigerf­orderungen in Geschäftsa­nteile ohne Zustimmung der Gesellscha­fter. „Laut der Richtlinie wäre beides möglich gewesen“, sagt Nitsche.

Tatsächlic­h bewährt sich die ReO vor allem als „Rute im Fenster“, falls bei außergeric­htlichen Rettungsve­rsuchen einzelne Gläubiger nicht mitziehen wollen. Allein schon die Möglichkei­t eines gerichtlic­hen Verfahrens, in dem man überstimmt werden kann, erhöht dann eventuell die Bereitscha­ft, lieber gleich außergeric­htlich einem Schuldensc­hnitt zuzustimme­n.

Die eine oder andere Nachschärf­ung bei der ReO würde dieses „Drohpotenz­ial“wohl noch vergrößern. „Das würden wir uns wünschen“, sagt Hörlsberge­r. Insgesamt fällt das Resümee der beiden Fachleute aber positiv aus: „Wir haben ein System, das gut funktionie­rt, auch im Vergleich zu anderen Ländern.“

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