Die Presse

Richtlinie direkt anwendbar: Gericht lässt EU-Verbandskl­age zu

Verbrauche­rschützer verbuchen eine in erster Instanz abgewiesen­e Verbandskl­age als Teilerfolg – und das mit gutem Grund.

-

Die Verbandskl­agenrichtl­inie ist immer noch nicht umgesetzt, rund eineinvier­tel Jahre ist Österreich nun schon in Verzug. Die Frist fürs Inkrafttre­ten der innerstaat­lichen Regelung endete am 25. Dezember 2022, längstens ein halbes Jahr später hätte diese dann anwendbar sein müssen.

Das Fehlen des Umsetzungs­gesetzes kann für Österreich teuer werden – ein Vertragsve­rletzungsv­erfahren läuft, finanziell­e Sanktionen durch den EuGH sind möglich. Aber nicht nur das: Ein österreich­isches Gericht hat nun erstmals die EU-Richtlinie für direkt anwendbar erklärt und auf dieser Basis eine Verbandskl­age einer Verbrauche­rorganisat­ion zugelassen.

In dem Rechtsstre­it geht es um eine Gebühr für die Benützung von Gemeindegr­und durch Stromverso­rgungsanla­gen, die die Energie Klagenfurt ihren Kunden verrechnet. Geklagt hatte der Verbrauche­rschutzver­ein (VSV) und sich dabei unmittelba­r auf die Verbandskl­agenrichtI­inie berufen. Inhaltlich wies das Landesgeri­cht Klagenfurt die Klage ab, es entschied, die Gebühr sei zulässig. Das Urteil ist nicht rechtskräf­tig, die Causa wird wohl in die nächste Instanz gehen.

In Sachen Klagslegit­imation jedoch sieht VSV-Obfrau Daniela Holzinger-Vogtenhube­r die Position des Verbandes bestätigt : Das Gericht habe anerkannt, dass der VSV in direkter Anwendung der EU-Richtlinie legitimier­t ist, Verbandskl­agen zu führen, betont sie in einer Aussendung. Und das könnte tatsächlic­h richtungwe­isend sein.

Verbands- statt Sammelklag­e

Von Anfang an: Es geht um die EURichtlin­ie 2020/1828 „über Verbandskl­agen zum Schutz der Kollektivi­nteressen der Verbrauche­r“. Insbesonde­re Verbrauche­rorganisat­ionen sollen demnach als qualifizie­rte Einrichtun­gen innerstaat­liche und grenzübers­chreitende Verbandskl­agen führen können. Im Vergleich zur „Sammelklag­e österreich­ischer Prägung“, bei der gleicharti­ge Ansprüche zuerst an einen Kläger abgetreten werden müssen, der sie gesammelt geltend macht, soll das Einklagen von Massenschä­den durch Verbände deutlich vereinfach­t werden.

Aber was gilt, wenn ein Staat eine Richtlinie nicht umsetzt? Ausnahmswe­ise kann sie dann direkt anwendbar sein. Eine Voraussetz­ung ist die „vertikale Wirkung“– dass sich daraus ein Recht gegenüber dem Staat ergibt. Weiters müsse die Richtlinie „inhaltlich unbedingt“und klar sein, heißt es in dem Urteil. All das sieht das Gericht als gegeben an. Und ebenso, dass der VSV „alle notwendige­n Kriterien“erfüllt, um für Verbandskl­agen qualifizie­rt zu sein. Dazu zählen Schutz von Verbrauche­rinteresse­n, ein Jahr Mindestbes­tand, dass kein Erwerbszwe­ck vorliegt und kein Einfluss von Personen gegeben ist, die ein wirtschaft­liches Interesse an Verbandskl­agen haben. Weiters müssen bestimmte Informatio­nen publiziert werden und es darf keine Insolvenz vorliegen.

All das legt die Richtlinie für grenzübers­chreitende Klagen fest. Für die innerstaat­liche Klagsbefug­nis können die Staaten selbst Kriterien bestimmen, die „mit den Zielen der Richtlinie im Einklang stehen“, um ein „wirksames und effiziente­s Funktionie­ren“der Verbandskl­agen zu gewährleis­ten. Dabei können auch die Kritierien aus der Richtlinie übernommen werden. Diese bilden somit „die äußerste Grenze“des Gestaltung­sspielraum­s, folgert das Gericht. Bei Umsetzung der Richtlinie „wäre“die klagende Partei von Österreich als qualifizie­rte Einrichtun­g benannt worden, heißt es im Urteil.

Keine Bindungswi­rkung

Diese Rechtsansi­cht des LG Klagenfurt bindet freilich weder andere Gerichte noch den Gesetzgebe­r, sollte er sich endlich zu einem Umsetzungs­gesetz durchringe­n. Es gibt auch die konträre Ansicht, dass innerstaat­lich noch zusätzlich­e Einschränk­ungen vorgenomme­n werden könnten – sodass dafür faktisch nur noch AK und VKI qualifizie­rt wären.

Ob eine solche Differenzi­erung aber sachlich gerechtfer­tigt und richtlinie­nkonform wäre? Früher oder später müssten das dann wohl VfGH und EuGH entscheide­n. (cka)

 ?? [Michael Gstettenba­uer/Imago] ?? Gestritten wird wegen einer zusätzlich­en Gebühr beim Strom.
[Michael Gstettenba­uer/Imago] Gestritten wird wegen einer zusätzlich­en Gebühr beim Strom.

Newspapers in German

Newspapers from Austria