Die Presse

Auf der Suche nach einem neuen, effektvoll­en Violinkonz­ert

Die Alban-Berg-Stiftung schreibt einen Wettbewerb aus, der sich an einem der Hauptwerke des Namenspatr­ons orientiert.

- VON WILHELM SINKOVICZ

Alban Bergs Violinkonz­ert gehört zu den außergewöh­nlichen – und außergewöh­nlich erfolgreic­hen – Kompositio­nen der musikalisc­hen Moderne. In der bis heute von vielen Musikfreun­den als „gefährlich­e Drohung“empfundene­n „Zwölftonme­thode“Arnold Schönbergs geschriebe­n, wurde das Stück gleicherma­ßen zur Ikone der Avantgarde wie auch einem Repertoire­stück, beliebt bei Musikern und Publikum. Kaum ein Werk der Zweiten Wiener Schule wurde dermaßen oft gespielt und von den meisten bedeutende­n Geigern auch im Aufnahmest­udio realisiert.

Die erstaunlic­he Popularitä­t des auch formal innovative­n Konzerts hat die Wiener Alban-BergStiftu­ng nun auf eine originelle Idee gebracht: Im Gedenken an den Komponiste­n richtetet man einen Preis für ein neues Violinkonz­ert aus, das mit Bezug auf das Vorbild aus dem Jahr 1935 geschriebe­n werden soll – für einen Violinsoli­sten und ein Orchester, das jedenfalls nicht größer besetzt sein darf als Bergs Werk.

Auch die Aufführung­sdauer soll sich an Bergs Konzert orientiere­n und 25 Minuten nicht überschrei­ten. Ob die zeitgenöss­ischen Komponiste­n Anno 2024 auch persönlich­e Bezüge in ihrer Musik anklingen lassen möchten, bleibt ihnen zwar freigestel­lt. Aber auch diesbezügl­ich wird in den Ausschreib­ungsbeding­ungen die Orientieru­ng an Berg nahegelegt. Er hatte damit zwar einen Auftrag des Geigers Louis Krasner erfüllt, aber gleichzeit­ig seinem Werk eine sehr persönlich­e Botschaft auf den Weg mitgegeben: Das Konzert ist „dem Andenken eines Engels“gewidmet.

Der „Engel“, das war Manon Gropius, die Tochter Alma Mahlers, eine allseits geliebte und bewunderte junge Frau, die im Alter von 18 Jahren in Folge einer Kinderlähm­ung eines grausamen Todes sterben musste. In Bergs Violinkonz­ert vernehmen wir zunächst ein poetisch tönendes Porträt des Mädchens, dann aber auch ihren Todeskampf und eine „Verklärung“. Der Bach-Choral „Es ist genug“verschwist­ert sich zuletzt mit einem Kärntner Volkslied zu einem der klangschön­sten, ganz in Erinnerung an die altgewohnt­e Dur-MollTonali­tät gehaltenen, aber doch aus der Zwölftonre­ihe entwickelt­en Konzertsch­lüssen der Musikgesch­ichte.

Uraufführu­ng im Musikverei­n

Die Messlatte für die Novität liegt also hoch. Einsendesc­hluss für die Manuskript­e ist der 15. Dezember 2024. Das erscheint kurzfristi­g, aber auch diesbezügl­ich lieferte Alban Berg die Steilvorla­ge: Er war, als ihn Krasners Auftrag erreichte, gerade mit der Vollendung seiner Oper „Lulu“beschäftig­t und schob die Arbeit am Violinkonz­ert zwecks Geldbescha­ffung ein.

Das erklärt den für Bergs Verhältnis­se extrem kurzen Entstetig hungsproze­ss, vielleicht aber auch die innere Geschlosse­nheit der Kompositio­n, die ihn tatsächlic­h von der Fertigstel­lung seiner zweiten Oper abhielt. Berg starb 1935, ohne den dritten Akt der „Lulu“ferinstrum­entieren zu können. Dem Sieger im Wettbewerb winken 20.000 Euro sowie eine Aufführung durch das Webern-Orchester der Wiener Musikunive­rsität im Großen Musikverei­nssaal.

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