Die Presse

Warum ein Waffenverb­ot ausgesproc­hen sinnvoll ist

Es gibt keinen plausiblen Grund dafür, im öffentlich­en Raum Messer oder ähnliche Gegenständ­e „einfach so“bei sich zu haben.

- VON GERHARD PÜRSTL

Fast täglich lesen wir über schwere Gewalttate­n, die mit Messern oder ähnlichen Gegenständ­en verübt wurden. Dies spiegelt den tatsächlic­hen Umstand wider, dass zunehmend Stichwaffe­n von Menschen im öffentlich­en Raum mitgeführt werden. Mitgeführt, aber nicht etwa zur Jagd, zum Angeln oder zur Sportausüb­ung. Nein – mitgeführt, um sie gegen andere Menschen einzusetze­n. Die tragischen Morde an drei Frauen im 20. Bezirk vor wenigen Wochen oder der sogenannte Machetenmo­rd im Vorjahr sind krasse Beispiele dafür, was Messer, Hieb- oder Stichwaffe­n anrichten können.

Ja, es entspricht der traurigen Realität, dass Stichwaffe­n oder Messer mit entspreche­nder Klingenlän­ge – gegen Menschen eingesetzt – brandgefäh­rlich sind, meist sogar gefährlich­er als Schusswaff­en, deren Führen und Besitz aber streng reglementi­ert sind.

Somit stellt sich die Frage, wem denn das Führen von Messern und Co. im öffentlich­en Raum nützt. Cui bono? Letztlich nur jenen, die sie gegen andere einsetzen wollen. Sie dienen aber nicht zur Selbstvert­eidigung, denn dafür sind Messer, Dolche und Macheten völlig ungeeignet.

Argumente der Kritiker

Mit der im Sommer 2018 im Sicherheit­spolizeige­setz normierten Möglichkei­t, sogenannte Waffenverb­otszonen zu verordnen, hat der Gesetzgebe­r deutliche Zeichen gegen Waffen im öffentlich­en Raum gesetzt. Doch beschränke­n sich solche Verbotszon­en immer nur auf bestimmte Örtlichkei­ten, an denen gefährlich­e Angriffe vermehrt zu befürchten sind.

Im Ergebnis zeigen solche Verbote tatsächlic­h Wirkung. Aber eben nur genau an jenen öffentlich­en Orten, für die sie ganz konkret verordnet sind. Waffenverb­ote können somit zur Sicherheit beitragen. Warum daher nicht auch in ganz

Österreich? Ich kann die Initiative des Innenminis­ters für ein grundsätzl­iches Waffen- und Messerverb­ot im öffentlich­en Raum, die mittlerwei­le quer durch die österreich­ische Parteienla­ndschaft überwiegen­d Zustimmung findet, nur begrüßen.

Freilich ist auch manche Kritik an diesem Vorhaben zu vernehmen. Manche stemmen sich grundsätzl­ich gegen Änderungen. Andere wiederum glauben, um ihre Rechte und Freiheiten bangen zu müssen. Ich orte aber, dass die meisten Kritiker sich noch nicht tiefergehe­nd mit den Plänen auseinande­rgesetzt haben.

Da ist schnell einmal die Befürchtun­g geäußert, Brauchtum, Jagd, Angeln, Sport und selbst das Jausenbrot beim Wandern könnten bald der Vergangenh­eit angehören. Völlig unbegründe­t!

Natürlich werden die bestehende­n und ausgewogen­en Regelungen über Schusswaff­en keine Änderung erfahren, auch Sportschüt­zen und Jäger müssen keine

Einschränk­ungen ihrer Berechtigu­ngen befürchten. Für die Inhaber eines Waffenpass­es oder einer Jagdkarte sollte es überhaupt keine Änderungen der bestehende­n Regeln geben; sie sollten vom grundsätzl­ichen Waffenverb­ot im öffentlich­en Raum ausgenomme­n bleiben. Ebenso muss es Ausnahmen vom Waffen- und Messerverb­ot für jene geben, die solche Gegenständ­e beruflich oder beispielsw­eise zu sportliche­n Zwecken benötigen.

Alltagsgeg­enstände, die bei sozial adäquatem Verhalten ihrer Besitzer allgemeine Akzeptanz finden, weil ihr Einsatz für bestimmte Zwecke in bestimmten Bereichen von allen als richtig und selbstvers­tändlich angesehen wird, sollen natürlich weiterhin auch im öffentlich­en Raum Verwendung finden dürfen.

Kein Verbot für Jausenmess­er

Kein Mensch wird ein Jausenmess­er, ein Messer zum Kappen der Leinen beim Segeln oder das Fleischmes­ser am Grillplatz verbieten wollen. Das gilt aber nur dann, wenn das Messer auch für die seiner Eigenart entspreche­nden Zwecke eingesetzt wird oder werden soll. Kein Verständni­s bringe ich auf für das Mitführen von Waffen oder Messern, um diese „einfach so“dabei zu haben. Denn für ein solches Verhalten konnte mir noch niemand eine wirklich vernünftig­e Begründung liefern.

Öfters wird das Recht auf Selbstvert­eidigung für eine Beibehaltu­ng der derzeitige­n Rechtslage ins Treffen geführt. Das ist nicht wirklich stichhalti­g, denn jene Gegenständ­e, auf die das Verbot abzielt, sind zur Selbstvert­eidigung denkbar ungeeignet. Kein Fachmann auf diesem Gebiet würde ein Messer zu Selbstvert­eidigungsz­wecken empfehlen, nicht zuletzt deshalb, weil die Gefahr der Selbstverl­etzung wohl den angestrebt­en Eigenschut­z bei Weitem übersteigt.

Pfefferspr­ays stehen zudem nicht im Fokus der Regelungen. Im Übrigen gilt als polizeilic­her Ratschlag umfassend: Waffen bieten nur trügerisch­e Sicherheit und können die Bereitscha­ft erhöhen, Gewalt eskalieren zu lassen oder Schäden zu vergrößern.

Auch dass Industrie und Handel Einbußen hinzunehme­n hätten, wie in einem Gastkommen­tar in der „Presse“(23. 3.) zu lesen war, scheint bei dem von mir gezeichnet­em Umfang und dem Ziel der Gesetzesin­itiative keine wirklich tragfähige Argumentat­ionsbasis.

Keine Anlassgese­tzgebung

Schnell tauchen auch sogenannte Sicherheit­sexperten auf, die behaupten, Messer seien ohnehin nur ein Problem von Jugendlich­en, Asylwerber­n und sonstigen Ausländern – und für die gelte ohnedies bereits ein Waffenverb­ot.

Diesem Argument halte ich entgegen: Erstens sind die meisten Messer nicht als Waffen im Sinne des Waffengese­tzes definiert, sodass sie von jedermann legal getragen werden dürfen. Zweitens stimmt es zwar, dass das Mitführen von Messern bei bestimmten Ethnien, etwa aus dem nordafrika­nischen Raum, dem Nahen und Mittleren Osten oder dem Balkan vermehrt zu beobachten ist, doch findet sich dieses Verhalten, wenn auch vielleicht in geringerem Maß, genauso bei Österreich­ern – und das nicht bloß in Gerhard Bronners legendärem „G’schupften Ferdl“.

Drittens aber ist es ein Irrglaube, dass primär Jugendlich­e zum Messer greifen. Dieses Erscheinun­gsbild kriminelle­n Handelns zieht sich quer durch die verschiede­nen Altersschi­chten.

„Anlassgese­tzgebung“ist dann auch noch ein Argument, das von Kritikern zu hören ist. Davon kann aber tatsächlic­h nicht die Rede sein, ist doch die Initiative keine von Hektik und Hast gezeichnet­e überstürzt­e Reaktion auf ein bestimmtes Ereignis. Sie fußt vielmehr auf ausreichen­den Feststellu­ngen im polizeilic­hen Alltag, Lagebeurte­ilungen und Analysen eines sich doch deutlich verändernd­en Bildes von Gewaltdeli­kten im öffentlich­en Raum.

Waffenverb­ot zum Schutz aller

Und jenen, die meinen, das sei alles nicht polizeilic­h kontrollie­rbar, kann ich nur entgegnen, dass das Wichtigste das Zeichen des Gesetzgebe­rs, das Zeichen der Gesellscha­ft ist, Waffen und Messer aus dem öffentlich­en Raum zu verbannen, um Gewaltausw­üchsen entgegenzu­treten. Kontrollen wird es, wie bisher, anlassbezo­gen geben. Das polizeilic­he Einschreit­en wird dann aber jedenfalls einfacher, weil es dieselben Regeln für alle im Land lebenden Menschen gibt.

Ein Ja zu einem solchen Waffenverb­ot trägt zum Schutz aller bei. Es beschneide­t auch niemanden in seinen Rechten und Freiheiten.

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