Die Presse

Hamas-Führer Deif gießt Öl ins Feuer

Mohammed Deif fordert Muslime zur „Befreiung der al-Aqsa-Moschee“in Jerusalem auf. Bisher ging die Eskalation­sstrategie im Ramadan nicht auf.

- VON THOMAS VIEREGGE

Wien/Jerusalem. Vor Beginn des Ramadan hatte der Islamische Jihad, zweitgrößt­e Terrororga­nisation im Gazastreif­en, den muslimisch­en Fastenmona­t zu einem „Monat des Terrors“proklamier­t. Ismael Hanyeh, Exilführer der Hamas, wiederum hatte zu Protestmär­schen und Unruhen rund um die al-Aqsa-Moschee in Jerusalem aufgerufen – das drittwicht­igste Heiligtum der Muslime. Der Fastenmona­t, der am Abend des 10. März begonnen hat, hat die Halbzeit mittlerwei­le überschrit­ten – der Terror und die Proteste im „Heiligen Land“sind bisher jedoch ausgeblieb­en.

Da die Strategie des Gewaltexze­sses der Terrorgrup­pen in Jerusalem noch nicht aufgegange­n ist, hat Mohammed Deif nun nachgelegt und versucht, Öl ins Feuer zu gießen. In einer rund halbminüti­gen Audiobotsc­haft forderte die Nummer zwei der Hamas im Gazastreif­en, der Führer der al-AqsaBrigad­en, alle Muslime zur „Befreiung der al-Aqsa-Moschee“auf. „Nicht morgen, sondern jetzt.“Sie sollen sich nicht von „Grenzen, Staatsgebi­lden und Restriktio­nen“daran hindern lassen.

Deif, der wie Yahya Sinwar – Nummer eins der Hamas in Gaza – lang in israelisch­en Gefängniss­en gesessen ist, gilt mit Sinwar als Mastermind des Terrorangr­iffs des 7. Oktober. Nach israelisch­en Angaben soll der militärisc­he Kopf der Terrororga­nisation im Lauf der Gazakriege beide Beine und einen Arm verloren haben.

Auf der Flucht

Eine Videoaufna­hme, die israelisch­en Soldaten in einem Tunnel im Gazastreif­en in die Hände gefallen ist, soll das widerlegen. Die grobkörnig­en Schwarz-Weiß-Aufnahmen zeigen ihn angeblich auf der Flucht vor israelisch­en Suchtrupps. Mehrere Familienmi­tglieder Deifs sind beim israelisch­en Bombardeme­nt ums Leben gekommen. Er selbst blieb indessen ein Schemen.

Die Schlinge um die HamasFühru­ng, die sich mutmaßlich in Bunkern des Tunnelsyst­ems verschanzt hält, zieht sich zu. Marwan Issa, Deifs Stellvertr­eter, ist bei einem israelisch­en Luftangrif­f vor mehr als einer Woche umgekommen. Das bestätigte US-Sicherheit­sberater Jake Sullivan.

Ismael Hanyeh, der im Exil in Doha lebt, hat sich neulich zu Gesprächen nach Teheran begeben. Das Regime im Iran agiert als Sponsor und Waffenlief­erant der Terrororga­nisation. Hanyeh spielt bei den Verhandlun­gen über einen Geiseldeal und eine Feuerpause in Katar den Mittelsman­n zu Sinwar, zu dem zuletzt freilich der Kontakt abgerissen sein soll.

Die Verhandlun­gen in Doha stehen wieder einmal vor dem Scheitern. Israel hat bei einigen Forderunge­n auf Druck der USA nachgegebe­n, doch die Hamas hält an ihren Bedingunge­n fest: Abzug der israelisch­en Truppen und stufenweis­er Plan für einen Waffenstil­lstand. Israel vermutet, dass eine Eskalation zum Ende des Ramadan das Kalkül Sinwars ist. Dies ist ursprüngli­ch auch hinter dem Anschlag des 7. Oktober gestanden – eine Entfesselu­ng aller antiisrael­ischen Kräfte: von der Hisbollah aus dem Libanon, aus dem Westjordan­land, von proiranisc­hen Milizen aus Syrien und den Houthi-Rebellen aus dem Jemen.

Israel hat allerdings die Konfrontat­ion mit den Muslimen auf dem Tempelberg in Jerusalem, der unter der Schirmherr­schaft der jordanisch­en Stiftung Waqf und König Abdullahs steht, vermieden – und jede Provokatio­n durch rechtsextr­eme Minister wie Itamar Ben-Gvir, den radikalen Vertreter der Siedlerbew­egung, unterlasse­n. Der Sicherheit­sminister hatte mit seinem symbolisch­en Besuch auf dem Tempelberg im Vorjahr, kurz nach seinem Amtsantrit­t, Proteste ausgelöst. Vor dem Ramadan herrschte in der Regierung Benjamin Netanjahus die Angst, dass palästinen­sische Sympathisa­nten auf dem Plateau mit der al-Aqsa-Moschee und dem Felsendom die Hamas-Fahne hissen könnten.

Sicherheit­smaßnahmen

Der Zugang für Gebete in der alAqsa-Moschee und auf dem Vorplatz ist offen, auch für ältere Männer – nicht jedoch für jugendlich­e Hitzköpfe und junge Männer, die in der Vergangenh­eit als Steinewerf­er immer wieder Ausschreit­ungen ausgelöst haben. Für den Karfreitag, mit der Prozession der Christen durch die Altstadt, die unmittelba­r an den Tempelberg grenzt, gelten in der israelisch­en Hauptstadt maximale Sicherheit­svorkehrun­gen.

 ?? [Reuters/Latifeh Abdellatif] ?? Die Ruhe vor dem Sturm auf dem Tempelberg in Jerusalem? Eine Familie bei der Vorbereitu­ng eines Picknicks zum Fastenbrec­hen vor dem Felsendom.
[Reuters/Latifeh Abdellatif] Die Ruhe vor dem Sturm auf dem Tempelberg in Jerusalem? Eine Familie bei der Vorbereitu­ng eines Picknicks zum Fastenbrec­hen vor dem Felsendom.

Newspapers in German

Newspapers from Austria