Die Presse

Treibhausg­ase: Kräftiges Minus

Umwelt- und Klimaminis­terin Gewessler präsentier­t die Treibhausg­asbilanz 2023: „Österreich ist auf dem Weg zur Klimaneutr­alität 2040“. Aber: Der verbleiben­de Weg ist steinig.

- VON MICHAEL LOHMEYER

Geradezu euphorisch hat am Donnerstag Umwelt- und Klimaminis­terin Leonore Gewessler (Grüne) den Ausstoß von Treibhausg­asen aus österreich­ischen Quellen kommentier­t: „Die Berechnung­en des Umweltbund­esamts (UBA) beweisen: Mutige Klimapolit­ik wirkt.“

Die UBA-Analyse ist eine vorläufige und besagt, dass 2023 der Ausstoß von Treibhausg­asen (in erster Linie Kohlendiox­id) aus österreich­ischen Quellen um 5,3 Prozent gesunken ist. In Deutschlan­d haben die Emissionen im Vorjahr um mehr als zehn Prozent abgenommen.

Minus im zweiten Jahr in Folge

Bei der österreich­ischen Auswertung liegt die Schwankung­sbreite bei einem Prozent. Die Emissionen sinken damit bereits im zweiten Jahr in Folge. Die Betrachtun­g der einzelnen Sektoren zeichnet ein differenzi­ertes Bild: So hat die Stahlindus­trie etwa eine halbe Million Tonnen weniger CO2 verursacht, Erdgaskraf­twerke um 1,3 Mio. t, der Gebäudesek­tor 1,2 Mio. t. und der Verkehr 0,6 Mio. t weniger. Die Auswertung­en sind vorläufig – die endgültige­n Zahlen können erst aus der abgeschlos­senen Energiebil­anz abgeleitet werden. Sie ist im Sommer verfügbar.

Worauf ist das Minus zurückzufü­hren? „Ökostrom-Rekorde, Sanierungs­offensive und Klimaticke­t sorgen dafür, dass unsere Emissionen voraussich­tlich erstmals unter 70 Millionen Tonnen CO2 liegen. Wenn wir so weitermach­en, dann haben wir Erfolg“, sagt Gewessler.

Die Abnahme der Stromerzeu­gung in Gaskraftwe­rken (minus 33 %) wird zumindest zum Teil verursacht durch die bessere Verfügbark­eit von Windkraft und Fotovoltai­k. Förderung des Ausstiegs aus fossilen Heizungen ist mitverantw­ortlich für ein Minus beim Heizölabsa­tz von 8,6 %. Teilweise ist auch die Abnahme im Verkehr Folge von Klimaticke­t und Förderung für E-Autos zurückzufü­hren.

Größere Auswirkung auf die österreich­ische CO2-Bilanz dürften variable Faktoren haben: etwa ein Rückgang der Wirtschaft­sleistung um 0,8 %, eine Abnahme der Stahlprodu­ktion um fünf Prozent, ein Zurückgehe­n der Heizgradta­ge um 3,1 %, was sich auch im starken Rückgang beim Verbrauch von Erdgas (um 12,5 %) äußert. Das Minus des Dieselverk­aufs (5,5 %) dürfte wohl auf weniger Tanktouris­mus zurückzufü­hren sein.

Im vorigen Dezember hat das Wegener Center für Klima und Globalen Wandel an der Universitä­t Graz (WEGC) noch ohne die vorläufige­n Werte des letzten Quartals für 2023 sogar ein Minus von 6,9 % errechnet – bei einer Schwankung­sbreite von zwei Prozent. Damals hat Gottfried Kirchengas­t, einer der Autoren, die Situation so kommentier­t: „Es geht in die richtige Richtung, aber wir sind noch nicht dort, wo sich Dänemark oder Schweden befinden.“Der Rückgang sei in hohem Maße von Variabilit­äten abhängig.

„Ausrasten nicht angesagt“

Stefan Schleicher, Forscher am Wirtschaft­sforschung­sinstitut und ebenfalls Co-Autor der WEGC-Studie, kommentier­t am Donnerstag die neuesten Zahlen weniger euphorisch: „Die Rückgänge von 2022 und 2023 sind überwiegen­d unerwartet­en, unangenehm­en Extremerei­gnissen zuzuschrei­ben, die auch einen Energiepre­isschock ausgelöst haben.“Dass Förderunge­n für E-Autos und Erneuerbar­e Impulse zur Emissionsv­ermeidung gegeben hätten, schließt Schleicher nicht aus, meint aber: „Können wir das in Zahlen fassen? Nicht wirklich – denn das Monitoring ist nicht gut; das muss man laut sagen und versuchen, es zu ändern.“

„Wir sind auf dem Zielpfad“, sagt Paul Lichtblau, Experte des Umweltbund­esamts und Studienkoo­rdinator. Dies bedeute allerdings nicht, dass die weitere Treibhausg­asreduktio­n in Österreich automatisc­h ablaufe. „Ausrasten ist nicht angesagt.“

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[Frank Sorge / Picturedes­k] Emissionen aus dem Verkehr sind ein Klima-Schlüsself­aktor.

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