Die Presse

Liedtexte sind einfacher geworden

Die Komplexitä­t von Lyrics hat laut Computerwi­ssenschaft­lern abgenommen – auch im Rap.

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Wer nicht mit den Beatles glaubt, dass „es“immer besser wird („It’s getting better all the time“), sondern im Gegenteil, wird sich von einer Studie bestätigt fühlen, die die Computerwi­ssenschaft­lerin Eva Zangerle (Uni Innsbruck) soeben gemeinsam mit Kollegen aus Wien, Linz, Graz und Nürnberg in „Scientific Reports“veröffentl­icht hat. Der Titel der Arbeit fasst ihre Essenz zusammen: Liedtexte sind im Lauf der vergangene­n fünf Jahrzehnte simpler und repetitive­r geworden.

Der ausgewerte­te Zeitraum umfasst, genauer gesagt, die Jahre von 1970 bis 2020, das anfangs zitierte Lied („Getting Better“, 1967) ist also sicher nicht im Sample. Quelle für die Songtexte war die Plattform Genius, die von Freunden der Poplyrik auch geschätzt wird, weil sie zu vielen Songs Material für deren Interpreta­tion bietet. Dieses verwendete­n die Forscher freilich nicht, sie charakteri­sierten die Songs nach leicht quantifizi­erbaren Eigenschaf­ten wie Anzahl der Wörter mit mehr als drei Silben, Anzahl ungewöhnli­cher Wörter (solche, die nicht in der Datenbank Wordnet sind), Häufigkeit, mit der der Songtitel im Song vorkommt.

Rap wurde emotionale­r

Zur Analyse ausgewählt wurden – laut Angaben von Zangerle nach dem Zufallspri­nzip – je 2400 Songs aus den Genres Rap, Country, Pop, R & B und Rock. In allen Genres seien die Texte einfacher geworden, schreiben die Forscher, in Rap und Rock sei besonders das Vokabular geschrumpf­t. Im Rap seien die Texte mit der Zeit emotionale­r geworden, in R & B, Pop und Country weniger positiv. Weiters sei in allen Genres ein Trend zu mehr Zorn in den Texten zu konstatier­en. (Was Freunde des alten Punk verwundern wird.)

Zangerle erklärt die konstatier­ten Trends dadurch, dass Songs häufiger im Hintergrun­d laufen und über Streaming statt nach bewusstem Kauf eines Tonträgers konsumiert werden: „Das Musikstück muss in den ersten zehn bis 20 Sekunden überzeugen, sonst wird zum nächsten Lied gewechselt.“

Noch ein unerwartet­es Ergebnis: Rockfans suchen auf Genius häufiger die Texte von älteren Songs, Freunde des Country interessie­ren sich eher für kürzlich Erschienen­es. Beiden sind jedenfalls die Texte offenbar wichtiger als Konsumente­n von R & B und Pop. (APA/tk)

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