Die Presse

Nicht einmal über ihre Leiche

Sheryl Crow will ihre nicht veröffentl­ichten Songs mit ins Grab nehmen – und sorgt rechtlich vor. Und andere Musiker? Ein Überblick.

- VON EVA DINNEWITZE­R

Meine Kunst und Stimme sollen (…) in meinem Grab bleiben.“Dafür hat Sheryl Crow rechtlich vorgesorgt, mit 62 Jahren. Keine Demoaufnah­me soll nach ihrem Ableben noch das Licht der Welt erblicken, niemand anderes sich daran bereichern. So ist es festgehalt­en in ihrem Testament, sagt Crow der DPA: „Wenn ich Songs nicht veröffentl­icht habe, hatte das seine Gründe. Ich war damit unzufriede­n oder bin nicht ganz dahinter gestanden.“

Allein ist sie damit nicht. Rapper Anderson Paak ließ sich 2021 die Anweisung, man möge unveröffen­tlichte Musik mit ihm ruhen lassen, auf den Unterarm tätowieren. „When I’m gone please don’t release any posthumous albums or songs with my name attached. Those were just demos and never intended to be heard by the public.“Seine Demos wären nie fürs öffentlich­e Ohr bestimmt gewesen, liest es sich auf der Extremität. Sadcore-Queen Lana del Rey teilte damals ein Foto des Tattoos auf Instagram mit dem Beisatz, das stehe auch in ihrem Testament.

Jim Morrisons Wille geschah nicht

Wer nichts niederschr­eibt, muss die Erben walten lassen. Im Idealfall wissen diese zumindest aus Gesprächen über den Willen des Toten Bescheid. Im schlimmste­n Fall sind sie geldgierig. Dann werden Überbleibs­el und Skizzen für den großen Release zusammenge­quetscht. Heute erleichter­t zudem die KI das Fertigschr­eiben, weil sie Stimmen immer besser zu imitieren lernt und Schnipsel nach Vorbild der alten Nummern instrument­iert. Von Westcoast-Rapper 2Pac gibt es längst mehr Musik, die nach seinem Tod erschienen ist, als er zu Lebzeiten veröffentl­icht hat. Über zehn Jimi-Hendrix-Alben wurden posthum herausgebr­acht. The Doors beherzigte­n den angebliche­n Wunsch ihres Sängers, Jim Morrison, nicht, als sie hinterlass­ene Aufnahmen seiner Gedichte („An American Prayer“) vertonten. Ginge es nach Morrison, hätte das der Komponist Lalo Schifrin tun sollen, heißt es.

Die Cranberrie­s entschiede­n sich 2019 nach „reiflicher Überlegung“, zu beenden, was man zu Dolores O’Riordans Lebzeiten begonnen hatte. Die Gesangsauf­nahmen für „In The End“– das achte Studioalbu­m der Band – waren zum Zeitpunkt ihres Todes schon im Kasten. Von Paul McCartney wurde mehr abverlangt: Für den letzten BeatlesSon­g „Now And Then“musste er seinen ExKollegen George Harrison an der Gitarre imitieren, was ihm unserem Popkritike­r zufolge ganz gut gelungen ist. Aber auch nicht ganz authentisc­h. Als Bilderbuch­beispiel für posthume Veröffentl­ichungen gilt Mac Millers Album „Circles“. Zwei Jahre nach dem Tod des Rappers im Jahr 2018 kam es als Komplement­ärwerk zu seiner letzten LP, „Swimming“, heraus. Miller hatte mit Produzent Job Brion daran gearbeitet, Millers Familie sollte ihn später bitten, es fertigzust­ellen.

In Wien verwaltet Marie Hummer, die Schwester von Wanda-Keyboarder Christian Hummer, den musikalisc­hen Nachlass seines kleinen Soloprojek­ts LoeweLoewe. Die Gefahr, dass man Änderungen vornimmt, die der Verstorben­e fatal fände, besteht, sagte sie der „Presse“. Zwischen ehrenvolle­m Tribut und unverfrore­ner Geschäftem­acherei liegt oft nur ein schmaler Grat, zumindest bei den ganz großen Namen ist das so. Nirvanas MTV Unplugged aus 1994 hat sein geschichts­trächtiges Standing freilich auch wegen Kurt Cobains Tod sieben Monate zuvor. Ihn konnte man auf den Aufnahmen noch einmal bildfüllen­d sehen, samt Witz und großen Emotionen (von der musikalisc­hen Genialität ganz zu schweigen). Auch „Piano & A Microphone 1983“von Prince möchte man nicht missen. Wenngleich der Fan auch hier nicht weiß, wie es die Künstler gewollt hätten.

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[Imago/MediaPunch] Sheryl Crow will posthum nichts mehr von sich preisgeben: Zwischen Tribut und Geschäftem­acherei liegt oft nur ein schmaler Grat.

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