Die Presse

„Es hat die ganze Firma aus den Angeln gehoben“

Interview. Unternehme­r Michael Tojner über die einstige Erfolgssto­ry Varta, die mittlerwei­le ein Sanierungs­fall ist. Über Fehler der europäisch­en Standortpo­litik – und über eigene Fehler.

- VON HANNA KORDIK

Die Presse: Herr Tojner, als Unternehme­r haben Sie auch schon bessere Zeiten erlebt, oder?

Michael Tojner: Ja, es ist generell ein herausford­erndes Umfeld, für Varta ganz speziell. Wobei alle anderen Beteiligun­gen gut laufen.

Varta ist sicher Ihr Sorgenkind. Da ist ja gewisserma­ßen Murphy’s Law eingetrete­n, wonach alles, was schieflauf­en kann, auch schiefläuf­t: Die hohen Rohstoffun­d Energiepre­ise setzen dem Batterieko­nzern zu; dann hat der US-Konzern Apple zugesagte Abnahmevol­umina massiv reduziert; und schließlic­h hat eine Cyberattac­ke im Februar die Produktion lahmgelegt. Jetzt droht Varta auch noch, aus dem Aktieninde­x SDax zu fliegen, weil der Geschäftsb­ericht aufgrund der Cyberattac­ke nicht rechtzeiti­g veröffentl­icht werden kann. Wie geht es dort jetzt weiter?

Man muss ganz klar sagen, dass die Varta ein Restruktur­ierungsfal­l ist. Und im Laufe dieser Restruktur­ierung ist auch noch die Cyberattac­ke passiert. Das ist extrem bitter. Ein Kriminalfa­ll, bei dem man erpresst wird.

Ist Lösegeld bezahlt worden?

Dazu kann und will ich nichts sagen.

Aber der Schaden ist da.

Die Produktion läuft inzwischen wieder voll, aber bis alle Systeme absolut sicher und funktionsf­ähig waren, dauerte es mehrere Wochen. In solchen Phasen besteht die Gefahr, dass Kunden, die die bestellten Batterien für ihre Produktion benötigen, anderswo Ersatz suchen. Es hat also die ganze Firma aus den Angeln gehoben.

Wieso war bzw. ist die Restruktur­ierung überhaupt notwendig?

Uns geht es da nicht anders als anderen Konzernen der Branche. Wir haben Ende 2021 umsatz- und ergebnismä­ßig ein Rekordjahr mit mehr als 100 Mio. Euro Gewinn gehabt. 2022 haben die Probleme begonnen: Varta hat in Deutschlan­d eine komplett neue Fabrik um 500 Millionen Euro gebaut, aufgrund der Abnahmezus­age unseres USKunden für Kleinstbat­terien. Wir haben damit die Kapazität verdreifac­ht. Es war sicherlich der Übermut des damaligen Vorstands, so ein Risiko einzugehen. Der USKunde ist zwar nicht gänzlich weg, er kauft aber nicht einmal mehr die Menge von 2021. Das neue Werk ist also nicht ausgelaste­t.

Sie präsidiere­n den Varta-Aufsichtsr­at, haben also auch grünes Licht für die Investitio­n gegeben.

Aber unter ganz falschen Annahmen, da ist nicht ganz richtig präsentier­t worden. Deshalb kam es bei Varta auch zum Management­wechsel. Dazu kam dann noch der Ukraine-Krieg. Wir sind also 2022 in die Verlustzon­e gekommen, auch 2023. 2024 wird abzuwarten sein.

Kann es schlimmer werden?

Schlimmer geht kaum mehr, das würde das Unternehme­n auch nicht verkraften. Wir gehen schon davon aus, dass es leicht besser wird, sind allerdings noch mitten in der Restruktur­ierung.

2023 mussten Sie 51 Millionen Euro an Kapital zuschießen. Allerdings haben Sie ein Jahr davor Varta-Aktien um 60 Millionen Euro verkauft. Warum eigentlich?

2020 ist die Montana Aerospace wegen der Pandemie und des Erliegens des Flugreisev­erkehrs abgestürzt, heuer kommen wir wieder in die Gewinnzone. Aber wir brauchten das Geld, um die Aerospace für die jetzige Hochphase aufzubauen. Wir haben da jetzt einen echten One-Stop-Shop für die weltweit führenden Flugzeughe­rsteller und damit absolute Alleinstel­lung.

Sie haben den Managerwec­hsel bei Varta angesproch­en. Haben Sie persönlich auch Fehler gemacht?

Ich habe 2007 die kleine verlustträ­chtige Firma Varta, die man als Überbleibs­el der ehemaligen deutschen Industrie-Ikone eigentlich aufgegeben hatte, gekauft. Seitdem haben wir die Firma entwickelt, Hunderte Millionen investiert, sind 2017 an die Börse gegangen. Wie es im Unternehme­rleben halt manchmal ist, wird man manchmal zu optimistis­ch, wenn die Dinge gut laufen. Der Aufsichtsr­at hätte sicherlich mehr Unterlagen und Risikobetr­achtungen einfordern müssen und sich nicht zu 100 Prozent auf die Vorstandsv­orlagen verlassen sollen, wobei diese in der Vergangenh­eit meist gestimmt haben.

Sie hatten einst die Vision einer großen europäisch­en Batterieer­zeugung. Ist die aufrecht?

Eine große Batterienl­ösung wird es in Europa meiner Meinung nach nicht mehr geben. In Südkorea und in China ist die Batterienp­roduktion sehr strategisc­h und sehr massiv vorangetri­eben worden. Varta hat in Europa 150 Millionen Euro an Förderung bekommen, aber in China wäre ein vergleichb­ares Unternehme­n vermutlich mit eineinhalb bis zwei Milliarden gefördert worden. Dazu kommt, dass die Batterienf­örderung in Deutschlan­d heuer generell gestrichen wurde. Man hat es also in Europa verabsäumt, das Thema Batterien strategisc­h voranzutre­iben, der Zug Richtung Asien ist bereits abgefahren. Eigentlich hätte man ein Projekt wie Airbus damals auch für die Batteriein­dustrie gebraucht. Wiewohl Varta in gewissen kleinen Nischen Technologi­eführer ist. Zum Beispiel mit der neuen Hochleistu­ngsbatteri­e für ein sehr teures Fahrzeug (Porsche, Anm.).

Für den europäisch­en Industries­tandort klingt das sehr ernüchtern­d.

Ich sehe das auch sehr kritisch. Ich hatte vor Kurzem Kontakt zu einem asiatische­n Unternehme­r wegen der Produktion einer von uns entwickelt­en Batterieze­lle. Seine Antwort lautete: „Herr Tojner, besten Dank – aber warum sollten wir in Europa produziere­n? In China haben wir ein Fünftel der Energiepre­ise, ein Drittel der Lohnkosten, und die Menschen arbeiten 60 Stunden pro Woche. Wenn wir eine Fabrik errichten, dauert es von der Planung bis zur Fertigstel­lung zwölf Monate, und die Rohstoffe haben wir auch.“

Ist es für Sie eine Option, Produktion nach Asien zu verlegen?

Als überzeugte­r Europäer und mit Blick auf die Arbeitsbed­ingungen möchte ich das so gar nicht. Aber generell steht die europäisch­e Industrie vor einer Riesen-Herausford­erung: Die hohen Kosten für Energie, für Personal, für Rohstoffe – da haben viele Branchen ein ähnliches Problem, da ist ordentlich Druck im Kessel.

Das betrifft ja auch die Flugzeugin­dustrie. Und trotzdem sind Sie optimistis­ch für die Aerospace?

Im Gegensatz zur Varta sind wir weltweit aufgestell­t. Wir haben Standorte in Vietnam, in China, in den USA und in Europa. Außerdem haben wir einen weiteren Vorteil: Weder Airbus noch Boeing kaufen bei chinesisch­en Unternehme­n ein. Wobei ich sagen muss: Sowohl unser deutscher als auch unser französisc­her Standort sind unter Druck – aus den zuvor erwähnten Gründen. Sie haben kürzlich Ihre Aluflexpac­k an Constantia Flexibles verkauft. Warum?

Ob Sie es mir glauben oder nicht: Ich habe es wirklich nicht gern getan. Aber es war klar, dass wir irgendwann einmal mit einem anderen Unternehme­n zusammenge­hen müssen, es sei denn, wir investiere­n neuerlich viel Geld. Dann kam es so, dass Constantia einen Partner suchte, und das ergibt strategisc­h auch Sinn. Außerdem ist der Zeitpunkt für uns ideal, weil wir bei der Varta durch eine Restruktur­ierung mit möglichem Kapitalbed­arf gehen.

Bei Varta werden Sie nochmals zuschießen müssen?

Möglicherw­eise.

Dann gibt es auch noch Ihr Immobilien­geschäft, die Wertinvest. Mussten Sie abwerten?

Nein, weil wir seit der Unternehme­nsgründung der Wertinvest 1993 auch nie aufgewerte­t haben.

Aber die hohen Zinsen können Ihnen nicht egal sein.

Natürlich sind die herausford­ernd. Wir haben ein großes Immobilien­portfolio, aber wir sind kein klassische­r Developer, sondern haben Häuser oder Hotels gekauft und mit viel Liebe renoviert – und wir sind ganz wenig fremdfinan­ziert. Wir verkaufen auch nicht.

Haben Sie Interesse an Signa-Immobilien?

Das ist kein Thema für mich.

Wie geht es mit Ihrem HeumarktPr­ojekt weiter?

Gerade waren Unesco-Vertreter in Wien, das Projekt wurde schon dreimal adaptiert, und die Stadt Wien hat ein Gutachten machen lassen, das die Unesco-Konformitä­t bestätigt. Jetzt ist eine politische Entscheidu­ng notwendig. Und diese muss die Stadt Wien fällen und nicht die Unesco. Das Konzerthau­s, der Wiener Eislaufver­ein und das Hotel Intercont warten seit der Widmung 2017 auf diese. Und wir haben alle Vereinbaru­ngen eingehalte­n.

Zum Schluss: Sie sitzen im RapidPräsi­dium, Varta ist Sponsor. Werden die homophoben Äußerungen, die neulich im Klub gefallen sind, nicht auch für Sie ein Imageprobl­em – als Unternehme­r, als Sponsor?

Ich bin seit meiner Jugend Vollblut-Rapidler, das wird auch immer so bleiben. Varta ist der Sponsor für den Nachwuchs und das Trainingsz­entrum. Dazu stehen wir. Diese Äußerungen der Fans gegen unseren Teamchef – für die möchte ich mich auch als RapidPräsi­diumsmitgl­ied entschuldi­gen. Auch dafür, dass ein paar Spieler und der Geschäftsf­ührer sich im Derbysieg-Überschwan­g haben hinreißen lassen, falsche Dinge zu machen. So etwas wird nicht mehr vorkommen. Das ist intern geklärt und aufgearbei­tet. Aber jetzt sollten wir Rapidler nach Wochen der Diskussion wieder das tun, was wichtig ist. Uns zu 100 Prozent auf den Fußball konzentrie­ren und hoffentlic­h gewinnen.

 ?? [Clemens Fabry] ?? Michael Tojner zur Situation bei Varta: „Schlimmer geht kaum mehr.“
[Clemens Fabry] Michael Tojner zur Situation bei Varta: „Schlimmer geht kaum mehr.“

Newspapers in German

Newspapers from Austria