Werner Faymanns feines Gespür für Pleiten
Immobilien. Beim Wiener Immobilienkonzern Imfarr gehen in Deutschland und Österreich Tochterfirmen pleite. Der SPÖ-Altkanzler stieg rechtzeitig als Gesellschafter aus.
Wien. Welche Strahlkraft ehemalige Bundeskanzler für Investoren haben können, hat die Signa mit Alfred Gusenbauer eindrücklich gezeigt. Doch es ist nicht das einzige Immobilienunternehmen, das sich solche Prominenz zunutze gemacht hat – um auch wie René Benko in Deutschland ganz groß zu werden.
Als Werner Faymann Mitte 2019 bei der österreichischen Immobilienunternehmen Imfarr einstieg, lag sein Rücktritt als Bundeskanzler (SPÖ) rund drei Jahre zurück. Der einstige Wiener Wohnbaustadtrat war in Sachen Stadtentwicklung zwar keineswegs grün hinter den Ohren, dennoch war es geschäftlich wohl von Vorteil, dass sein früherer Kanzlerminister Josef Ostermayer an seiner Seite blieb. Diesmal als Geschäftspartner. Der ehemalige Vorstandschef der Wiener Sozialbau AG Ostermayer wurde im Sommer 2021 sogar Geschäftsführer bei Imfarr.
Der Türöffner Faymann
Hinter der Wiener Immobiliengruppe steht die Familie Farrokhnia. Sohn Nemat, ein ehemaliger Investmentbanker, führt die Geschäfte. Sein Vater, Nematollah Farrokhnia, dürfte als 30 Jahre lang dienender Vorstand im Baukonzern Strabag unter Ex-Boss Hans Peter Haselsteiner ein Begriff sein. Er saß einst auch beim Konkurrenten Porr im Aufsichtsrat und berät noch immer Imfarr im Hintergrund.
Binnen kurzer Zeit expandierte der 2007 gegründete Entwickler nach Deutschland und setzte dort auf spektakuläre Objekte. So kaufte Imfarr mit einem Schweizer Partner im Schlepptau 2021 die Highlight Towers mit 70.000 Quadratmetern Bürofläche in München. Kolportierter Kaufpreis: rund 700 Millionen Euro.
Faymann fungierte mit seinem Netzwerk als Scharnier zwischen Wirtschaft und Politik und öffnete somit die Türen zum Münchner Rathaus. Im Herbst 2021 hatte er dem Oberbürgermeister Dieter Reiter, ebenfalls ein Sozialdemokrat, diverse Immobilienprojekte präsentiert. Der Kontakt wurde offenbar gehalten. Denn im Sommer 2022 verewigte Reiter seine guten Verbindungen zur österreichischen Schwesterpartei mit einem Bild von ihm, Faymann und dem Wiener Bürgermeister Michael Ludwig in den sozialen Medien.
Unter anderem wanderte auch ein geplanter Bürokomplex im Münchner Bahnhofsviertel, das Elementum, ins Portfolio. Imfarr war vor allem in der bayerischen Hauptstadt schnell zu einem der größten Entwickler am Markt aufgestiegen. 2022 bildete der Projektentwickler ein Joint Venture mit Peter Korbacka für Investitionen in Berliner Wohn- und Gewerbeobjekte. Korbacka ist Gründer der Immobiliengesellschaft JTRE sowie bei der spanischen Immobilien-AG Trivium im Vorstand. Zeitweise war der Slowake Großaktionär bei den Wiener Konzernen S Immo und Immofinanz. Heute betreibt Imfarr Immobilienprojekte in Düsseldorf, Leipzig, Frankfurt am Main und anderen Großstädten Deutschlands. In Wien gehören Projekte wie die Lassallestraße 5, das HS 3 sowie das MH 47 zum Portefeuille.
Faymann dürfte dabei nicht schlecht verdient haben. Der Bilanzgewinn von Imfarr lag 2021 bei rund 77 Millionen Euro (mit einem Gewinnvortrag von 48 Mio. Euro). Doch der ehemalige Politiker zog sich zurück. Während Faymann im September 2022 bei Imfarr ausstieg, blieb Ostermayer noch an Bord. Er wird zwar von Imfarr noch als Teil des Teams präsentiert, Unterlagen legen jedoch offen, dass er als Geschäftsführer der Imfarr Beteiligungs GmbH schon Ende Mai 2023 abberufen wurde. Dem Vernehmen nach soll er allerdings noch für das Unternehmen in beratender Rolle tätig sein.
Erste österreichische Firma pleite
Ungefähr zu dieser Zeit beginnt es zu brodeln. Fragen zu den Projekten werden laut, weil Elementum im Jahr 2023 mehrheitlich an einen US-Investor ging, der sich mit Mezzaninkapital auf Unternehmen in Schieflage spezialisiert und nun die Kontrolle ausübt. Und heuer im Februar meldete die deutsche Tochtergesellschaft Elements of Infrastructure GmbH mit Sitz in Grünwald Insolvenz an. Damit liegt die Baugrube in der Münchner Innenstadt derzeit brach – übrigens unweit des ehemaligen Karstadt, ein Signa-Projekt. Dort hätten bis 2025 eine Tiefgarage und bis 2026 ein Geschäftsgebäude entstehen sollen.
Die Probleme haben nun auch Österreich erreicht. Am vergangenen Dienstag meldete auch eine österreichische Tochtergesellschaft am Handelsgericht Wien Konkurs an. Die 2018 gegründete Firma Vendome Eins Entwicklungs GmbH entwickelte Immobilen und betrieb seit 2020 auch ein Gewerbe für Baumeister. Es ist eine der 20 österreichischen Töchter der Imfarr Beteiligungsgesellschaft GmbH. Dem Vernehmen nach wird auch bei weiteren Wiener Objekten versucht, Finanzierungen zu restrukturieren.
Es dürfte nicht überraschen, dass ähnlich wie bei Signa für jedes Projekt bzw. Bauvorhaben eigene Gesellschaften gegründet wurden, die sich zum größeren Firmennetz ausbreiten. Das ist üblich in der Immobilienbranche und bringt auch hier eine gewisse Komplexität mit. Schlussendlich laufen die Fäden in einer Privatstiftung zusammen, die in Österreich kaum etwas transparent machen müssen.
Verspätete Bilanz
Außerdem hat die Imfarr Beteiligungsgesellschaft ihre Bilanz für das Geschäftsjahr 2022 noch nicht veröffentlicht und ist damit zu spät dran. Das weckt derzeit wohl kaum Vertrauen. Auch für 2023 liegt noch kein Jahresabschluss vor. 2021 wurden jedenfalls noch Verbindlichkeiten von mehr als 200 Millionen Euro verbucht. Die Gesellschaft gehört zum Großteil einer leeren Hülle ohne Mitarbeiter namens Imfarr HDG Beteiligungs GmbH. Und diese Holding wiederum gehört der ACF Privatstiftung, deren Begünstigte unter anderem Nemat und Nematollah Farrokhnia sind.
Offen bleibt, wie es um andere Projektgesellschaften steht ; und die Frage, ob es in der Immobilienbranche ein österreichisches Charakteristikum gab, das vor allem immer wieder in Deutschland Erfolg hatte. Imfarr reagierte nicht auf „Presse“-Anfrage.