Ein unsichtbarer Gegner
Rudern. Oxford und Cambridge fiebern dem Boat Race entgegen. Warum einer der ältesten Wettkämpfe der Welt mit Traditionen brechen muss und dies ein Vorbote für Olympia ist.
Wien/London. Großbritannien, speziell England, hat ein Umweltproblem. Ungeklärte Abwässer verschmutzen zunehmend die örtlichen Gewässer – und das beeinflusst auf direktem Wege mittlerweile auch den Sport.
So hat die Verschmutzung selbst The Boat Race erreicht. Im Vorfeld der renommierten Ruderregatta zwischen den Universitäten Oxford und Cambridge, die heute (Hauptrennen um 16.46 Uhr) zum bereits 169. Mal stattfindet, sprachen Umweltschützer der Organisation River Action eine Warnung aus. Der für das Rennen genutzte Abschnitt der Themse weise eine stark erhöhte Konzentration der Darmbakterien Escherichia coli auf. Diese lag demnach beinahe bis zu zehnmal höher als bei Badegewässern, die von der Umweltbehörde als schlecht eingestuft werden.
Die Umweltschützer machen die Mischwasserüberläufe einer nahe liegenden Überlaufstelle dafür verantwortlich. Gemeinsam mit dem Ruderverband British Rowing haben sie deshalb Ratschläge herausgegeben, wie sich Sportler vor Infektionen schützen können. Etwa Wunden mit wasserdichten Verbänden zu schützen und darauf zu achten, kein Spritzwasser zu schlucken.
Für die Teilnehmer der beiden Eliteuniversitäten und die geschätzten 270.000 Zuschauer wird dieses Boat Race jedenfalls anders werden als alle bisherigen. Selbst mit einer seit jeher gehegten Tradition muss sehr wahrscheinlich gebrochen werden. Bisher waren die Mitglieder des Siegerteams (insgesamt 86 Mal hat Titelverteidiger Cambridge, 81 Mal Oxford gewonnen, eine Regatta endete unentschieden) zur Feier in den Fluss gesprungen. Stattdessen werden die Athleten nun ermutigt, sich am Ziel der 6,8 Kilometer langen Strecke im Westen Londons an einer speziellen Reinigungsstation abzuwaschen.
Wettlauf gegen die Zeit
Das Event in England könnte ein Vorgeschmack auf die olympischen Spiele in Paris (26. Juli bis 11. August) sein. Dort sollen in der Seine zwar keine Ruderwettkämpfe, dafür aber das Freiwasserschwimmen – inklusive jenem im Triathlon – stattfinden. Das Problem: Noch ist auch in diesem Fluss das Wasser nicht sauber genug.
Seit über 100 Jahren ist das Baden in der Seine verboten, begründet wurde dies neben der Verschmutzung auch durch die Gefahren durch den Schiffsverkehr. Im Jahr 2016 wurde sie dann aber zum zentralen Punkt der Pariser Olympia-Bewerbung. Seitdem hat Frankreich rund 1,4 Milliarden Euro investiert, um den Fluss zu reinigen bzw. zwei zentrale Probleme zu beheben: Tausende Wohnungen waren immer noch nicht oder nur unzureichend an das Abwassersystem angeschlossen. Deren verschmutztes Wasser fand seinen Weg schlussendlich ungefiltert in die Seine. „Es geht langsam voran“, beurteilte Jean-Marie Mouchel, Professor für Hydrologie an der Sorbonne Universität, unlängst eine dahingehende Verbesserung.
Die Problematik, dass die Pariser Kanalisation größere Regenmengen nicht bewältigen kann – wodurch mehrmals im Jahr Abwasser in den Fluss gespült wird –, soll ein riesiges Überlauf- bzw. Sammelbecken beheben. Nach vier Jahren Bauzeit soll dieses ab April 50.000 Kubikmeter Wasser fassen. Hydrologe Mouchel bleibt skeptisch, ob die Maßnahmen bei Regenfällen rund um die Wettkämpfe reichen werden.
Eines kommt für Pierre Rabadan, den bei der Stadt Paris Verantwortlichen für die Spiele, jedenfalls nicht infrage: eine Verlegung der Events in ein anderes Gewässer. „Es gibt keinen Plan B für die Wettkampfstätte, aber wir können die Wettkampftage verlegen.“