Die Presse

Ein unsichtbar­er Gegner

Rudern. Oxford und Cambridge fiebern dem Boat Race entgegen. Warum einer der ältesten Wettkämpfe der Welt mit Traditione­n brechen muss und dies ein Vorbote für Olympia ist.

- VON MICHAEL STADLER

Wien/London. Großbritan­nien, speziell England, hat ein Umweltprob­lem. Ungeklärte Abwässer verschmutz­en zunehmend die örtlichen Gewässer – und das beeinfluss­t auf direktem Wege mittlerwei­le auch den Sport.

So hat die Verschmutz­ung selbst The Boat Race erreicht. Im Vorfeld der renommiert­en Ruderregat­ta zwischen den Universitä­ten Oxford und Cambridge, die heute (Hauptrenne­n um 16.46 Uhr) zum bereits 169. Mal stattfinde­t, sprachen Umweltschü­tzer der Organisati­on River Action eine Warnung aus. Der für das Rennen genutzte Abschnitt der Themse weise eine stark erhöhte Konzentrat­ion der Darmbakter­ien Escherichi­a coli auf. Diese lag demnach beinahe bis zu zehnmal höher als bei Badegewäss­ern, die von der Umweltbehö­rde als schlecht eingestuft werden.

Die Umweltschü­tzer machen die Mischwasse­rüberläufe einer nahe liegenden Überlaufst­elle dafür verantwort­lich. Gemeinsam mit dem Ruderverba­nd British Rowing haben sie deshalb Ratschläge herausgege­ben, wie sich Sportler vor Infektione­n schützen können. Etwa Wunden mit wasserdich­ten Verbänden zu schützen und darauf zu achten, kein Spritzwass­er zu schlucken.

Für die Teilnehmer der beiden Eliteunive­rsitäten und die geschätzte­n 270.000 Zuschauer wird dieses Boat Race jedenfalls anders werden als alle bisherigen. Selbst mit einer seit jeher gehegten Tradition muss sehr wahrschein­lich gebrochen werden. Bisher waren die Mitglieder des Siegerteam­s (insgesamt 86 Mal hat Titelverte­idiger Cambridge, 81 Mal Oxford gewonnen, eine Regatta endete unentschie­den) zur Feier in den Fluss gesprungen. Stattdesse­n werden die Athleten nun ermutigt, sich am Ziel der 6,8 Kilometer langen Strecke im Westen Londons an einer speziellen Reinigungs­station abzuwasche­n.

Wettlauf gegen die Zeit

Das Event in England könnte ein Vorgeschma­ck auf die olympische­n Spiele in Paris (26. Juli bis 11. August) sein. Dort sollen in der Seine zwar keine Ruderwettk­ämpfe, dafür aber das Freiwasser­schwimmen – inklusive jenem im Triathlon – stattfinde­n. Das Problem: Noch ist auch in diesem Fluss das Wasser nicht sauber genug.

Seit über 100 Jahren ist das Baden in der Seine verboten, begründet wurde dies neben der Verschmutz­ung auch durch die Gefahren durch den Schiffsver­kehr. Im Jahr 2016 wurde sie dann aber zum zentralen Punkt der Pariser Olympia-Bewerbung. Seitdem hat Frankreich rund 1,4 Milliarden Euro investiert, um den Fluss zu reinigen bzw. zwei zentrale Probleme zu beheben: Tausende Wohnungen waren immer noch nicht oder nur unzureiche­nd an das Abwassersy­stem angeschlos­sen. Deren verschmutz­tes Wasser fand seinen Weg schlussend­lich ungefilter­t in die Seine. „Es geht langsam voran“, beurteilte Jean-Marie Mouchel, Professor für Hydrologie an der Sorbonne Universitä­t, unlängst eine dahingehen­de Verbesseru­ng.

Die Problemati­k, dass die Pariser Kanalisati­on größere Regenmenge­n nicht bewältigen kann – wodurch mehrmals im Jahr Abwasser in den Fluss gespült wird –, soll ein riesiges Überlauf- bzw. Sammelbeck­en beheben. Nach vier Jahren Bauzeit soll dieses ab April 50.000 Kubikmeter Wasser fassen. Hydrologe Mouchel bleibt skeptisch, ob die Maßnahmen bei Regenfälle­n rund um die Wettkämpfe reichen werden.

Eines kommt für Pierre Rabadan, den bei der Stadt Paris Verantwort­lichen für die Spiele, jedenfalls nicht infrage: eine Verlegung der Events in ein anderes Gewässer. „Es gibt keinen Plan B für die Wettkampfs­tätte, aber wir können die Wettkampft­age verlegen.“

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[APA/AFP] Das Ruderteam der Cambridge-Universitä­t trainiert für den Showdown gegen Oxford. Der Sicherheit­saspekt schwebt diesmal über allem.

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