Ein Titelkampf, der gar keiner ist?
Hintergrund. In der Bundesliga herrscht so etwas wie Spannung. Zumindest bis Sonntag. Dann empfängt Herausforderer Sturm den Abomeister aus Salzburg. Kommt es zur Wachablöse?
Österreichische Fußballmeisterschaften neigen dazu, mit Fortdauer dezent an Spannung zu verlieren. Die vergangenen zehn Jahre brachten immerzu den gleichen Sieger. Und irgendwann stellte sich auch niemand mehr ernsthaft die Frage, wer Meister wird, sondern ab welcher Runde Red Bull Salzburg der Konkurrenz uneinholbar enteilt ist.
Sturm Graz ist aktuell zwar noch neun Spiele und sehr viel Arbeit davon entfernt, die seit 2014 anhaltende Meisterserie der Salzburger zu durchbrechen, den Steirern gebührt allerdings schon jetzt Anerkennung für ihren Teilerfolg, überhaupt etwas Spannung zu generieren. Bevor sich die beiden besten Mannschaften Österreichs am Ostersonntag (17 Uhr, live Sky) in Graz gegenüberstehen, hat Sturm nur zwei Punkte Rückstand auf den Ligakrösus. Mit einem Sieg würde den Grazern also der Sprung auf Platz eins gelingen. Bei einer Niederlage hingegen würden sich sämtliche Meisterträume wohl schon wieder in Luft auflösen.
Marko Stanković kennt die Bundesliga aus dem Effeff, zog als Mittelfeldspieler für Sturm und Austria seine Kreise. Mittlerweile analysiert er das Geschehen im TV. Angesprochen auf die Chancen Sturms, diese Saison die Salzburger Alleinherrschaft zu brechen, sieht Stanković für die Blackys schwarz. „Es spricht alles für Salzburg. Nur sie entscheiden, wer am
Ende Meister wird.
Wenn Salzburg es durchzieht, hat Sturm keine Chance.“
Dabei sehen viele Beobachter in der aktuellen Salzburger Mannschaft die schwächste, seitdem die Titelserie 2014 ihren Anfang genommen hat. Also wann, wenn nicht jetzt sollte die Stunde der Konkurrenz schlagen? Auch Stanković sieht den „schwächsten Salzburger Jahrgang der letzten zehn Jahre“. Nachsatz:. „Aber er ist immer noch der beste in Österreich.“Was dem Meister fehlt, ist ein herausragender Spieler à la Sadio Mané, Erling Haaland oder Dominik Szoboszlai.
In der Vergangenheit wurden solche Stars fast wie am Fließband produziert. Es stellte sich ein Gewohnheitseffekt ein. Über diesen einen außergewöhnlichen Spieler verfügt Salzburg derzeit nicht. „Aber alles, was in Salzburg kritisiert wird, ist Jammern auf allerhöchstem Niveau.“
Sieben seiner 23 bisherigen Ligaspiele hat Salzburg nicht gewonnen, damit schon mehr Angriffsfläche als üblich geboten. Stanković: „Wenn Salzburg auch nur kurz auslässt, musst du da sein und deine Spiele gegen alle anderen Mannschaften gewinnen. Sturm hatte diese Saison schon mehrfach die Möglichkeit, hat sie aber wieder hergeschenkt“, sieht der 38-Jährige in der fehlenden Grazer Konstanz ein entscheidendes Problem im Titelkampf.
Der Architekt und sein Partner
Dass sich Sturm in dieser Phase der Meisterschaft überhaupt auf Tuchfühlung mit dem Branchenprimus aus Salzburg befindet, ist zu großen Teilen auch der Verdienst von Andreas Schicker. Der Steirer trifft in seiner Position als Geschäftsführer Sport seit Jahren viele richtige Entscheidungen, folgt einer klaren Philosophie. Schickers kongenialer Partner ist der von ihm installierte Trainer Christian Ilzer.
Der Grazer Aufschwung hat selbstredend bereits Begehrlichkeiten geweckt. Aber was würde passieren, wenn Schicker und/oder Ilzer im Sommer den Verein verlassen? Würde das so stabil wirkende Kartenhaus dann zusammenzubrechen? Stanković: „Wenn der Trainer eine neue Herausforderung sucht, hat Andi Schicker, glaube ich, einen Plan, wie man ihn ersetzen könnte. Die Frage ist, wie es umgekehrt wäre. Schicker zu ersetzen, wäre noch einmal komplexer.“
‘‘ Salzburgs Jahrgang ist der schwächste der letzten zehn Jahre, aber noch immer der beste in Österreich. Marko Stanković