Eine Kundry mit Abgründen: Elīna Garanča ist konkurrenzlos
Staatsoper. Der vorösterliche „Parsifal“brachte zahlreiche Debüts – mit einigen Enttäuschungen, etwa einem oft zu blassen Gurnemanz.
„Parsifal“, das lehrt auch die jüngere Wiener Operngeschichte, hat Regisseure immer wieder zu unkonventionellen Deutungen inspiriert. Die jüngste Inszenierung, die im April 2021 Premiere hatte, ist eine besonders radikale. Kirill Serebrennikow, der viel Persönliches in seine Lesart dieses Wagner einfließen lässt, geht es nicht um Erlösung, sondern um Befreiung. Er begreift den Gral als Idee der Freiheit, verbannt alles, was mit einem Bühnenweihspiel – als das Wagner diese Oper ausdrücklich verstanden wissen wollte – zu tun hat. Ab 1. April lädt man in der Staatsoper zu einem hochkarätig besetzen „Parsifal“Symposion, bei dem auch diese Serebrennikow-Arbeit Thema ist. Welche Erkenntnisse man daraus ziehen wird?
Nicht ganz so hochkarätig besetzt, wie man es sich gewünscht hätte, präsentiert sich die aktuelle „Parsifal“-Serie. Von den Hauptdarstellern der prominenten Premierenbesetzung, die man mittlerweile auf CD nachhören kann, ist einzig Elīna Garanča als Kundry geblieben. Sie ist und bleibt die Idealbesetzung für diese Partie. Nicht allein wegen ihrer stimmlichen Perfektion, sondern weil sie in ihrer intensiven Gestaltung aufwühlende Emotion stets mit kluger Distanz verbindet. Damit werden die Abgründe Kundrys und ihre Gespaltenheit noch verdeutlicht. Eine faszinierende Charakterstudie.
Mehr erwartet hätte man sich von Günther Groissböcks erstem Wiener Gurnemanz. Anfangs wirkte er fast zögerlich, unentschlossen. Hinderte ihn die ungewöhnliche, in einem Gefängnis spielende Szenerie daran, stärker aus sich herauszugehen, beredter zu phrasieren? Für die graue Eminenz der Gefangenen, wie ihn die Regie sieht, wirkte er oft zu blass. Überzeugender war das Parsifal-Debüt von Daniel Frank (optisch verdoppelt durch Nikolay Sidorenko). Ein größeres schauspielerisches Selbstbewusstsein und mehr Mut zu stimmlichem Glanz hätten aber nicht geschadet. Zu übertrieben in jeder Hinsicht gab der erstmals an der Staatsoper auftretende Werner van Mechelen den in Serebrennikows „Parsifal“-Welt zum fiesen Medienzampano umgedeuteten Klingsor. Untadelig Michael Nagy als Amfortas, präsent wie gewohnt Wolfgang Bankl als Titurel.
Soddy setzte auf breite Tempi
Rollendeckend erwiesen sich die übrigen, unterschiedlich präzise aufeinander eingestimmten Protagonisten. Gut studiert zeigten sich die Choristen. Aus dem Orchester hätte man mehr Farben und Dramatik herausholen können. Der sich in Wien erstmals als „Parsifal“-Dirigent vorstellende, zuletzt mit „Animal Farm“reüssierende Alexander Soddy benötigte einige Anlaufzeit. Er setzte auf breite Tempi, entging damit nicht völlig der Gefahr des Zelebrierens. Das ging vor allem auf Kosten der Spannung des ersten Aufzugs. Danach nahm der Abend immer mehr Fahrt auf, steigerte sich dem Ende zu.