Die Presse

So fein klingt Beyoncé als singendes Cowgirl

Pop. Der R&B-Superstar schießt dem Country-Welthit „Texas Hold ’Em” ein komplettes Album nach – ohne dabei ganz ins hinterwäld­lerische Genre abzugleite­n. Auf dem Cover reitet sie einen stilvollen Lipizzaner.

- VON SAMIR H. KÖCK

Als Pferdelieb­haberin ist R&B-Sängerin Beyoncé eine Spätberufe­ne. Aber frisch Konvertier­te sind bekanntlic­h die größten Fanatiker. Thronte sie bei ihrem letzten Opus „Renaissanc­e“noch auf einem holografis­chen Glitzerpfe­rd, so musste es für ihr achtes Soloalbum „Act II: Cowboy Carter“(Sony Music) etwas Echtes sein. Aber keine Angst, das mit der Authentizi­tät reizte die 42Jährige aus Houston, deren Aura von einer gewissen Künstlichk­eit lebt, nicht bis zum Letzten aus. Ein gewöhnlich­es Präriepfer­d tat es nicht. Nein, die Königin des R&B suchte sich einen eleganten Lipizzaner aus, also ein Pferd, das die Österreich­er seit der Habsburger­monarchie für sich reklamiere­n.

Und so dürfen sich die Hiesigen schon wieder einbilden, Teil von etwas Großem zu sein. Zuletzt sampelte Beyoncé nämlich den Wiener DJ Peter Rauhofer. Nun thront sie auf jenem Ross, das, wie böse Zungen behaupten, den hiesigen Nationalch­arakter ganz gut auf den Punkt bringt: Das Viecherl ist nämlich fast dankbar dafür, dressiert zu werden.

Dressurakt­e in alle Facetten kennt Beyoncé als Superstar natürlich. Nicht zuletzt jene, die sie sich als Perfektion­istin selbst und anderen angetan hat und immer noch antut. Nach den Mühen der Ebene erklomm sie mit der Girlgroup Destiny’s Child erste Gipfel des Ruhms. Von da an bewegte sie sich souverän in den pittoreske­n Höhen von „fame and fortune“. Doch entwickelt­e sie dabei regelmäßig gesellscha­ftspolitis­chen Ehrgeiz. Etwa in ihrem Film „Black Is King“, mit seiner spektakulä­ren Mischung aus Bibelpatho­s und BlackLives-Matters-Furor.

Musikalisc­h aufgesatte­lt

Weiße kamen in ihm nur als Subalterne vor. Eine Utopie, denn die Zeit der Herrschaft der „als schwarz gelesenen“Menschen ist noch längst nicht angebroche­n. Darum ist es immer noch verlockend, in „weiße“Domänen wie Country Music einzudring­en.

Rassistisc­he Probleme aus ihrer texanische­n Kindheit thematisie­rt Beyoncé im Opener „Ameriican Requiem“. Zu mächtig anschwelle­nden Rockgitarr­en erinnert sie sich daran, dass man ihr einst sagte, sie spreche „too country“, sei aber auf der anderen Seite wegen ihrer Hautfarbe „not country enough“. Um mit derlei Blödheiten aufzuräume­n, hat sie jetzt musikalisc­h aufgesatte­lt und mit dem betont hinterwäld­lerisch klingenden „Texas Hold ’Em“einen weiteren Welthit lanciert. Als historisch­e Errungensc­haft gilt, dass es Beyoncé als erster afroamerik­anischen Frau glückte, die Spitze der „Hot Country Songs“-Wertung zu erobern.

Auf dem nun nachgescho­benen Album hat sie es aber klugerweis­e vermieden, vollends ins Genre zu gleiten. Denn neu ist die Liebe der Schwarzen zur Countrymus­ik nicht. Ray Charles war mit seinem 1962 erschienen­en „Modern Sounds in Country & Western Music“der große Pionier. Soulsänger wie Solomon Burke und Bobby Womack nahmen gleichfall­s spektakulä­re Country-Alben auf. Auch Frauen mischten prominent mit : Candi Staton, Millie Jackson und die große Etta James, deren berühmtest­es Lied „At Last“Beyoncé 2009 bei der Inaugurati­on von

Präsident Obama schmettert­e. Und so realisiert­e die Sängerin ein Album, das trotz einiger Ausritte in die Prärie sehr viel R&B enthält. Und freundlich klingt.

Ein wenig Zorn blitzt nur im groovigen „Bodyguard“auf, wo sie John Wayne, den Inbegriff des reaktionär­en Cowboys im Western-Genre, genüsslich als „ass“bezeichnet. Die Filmindust­rie hat schon vor einigen Jahren die Realität des Wilden Westens aufgearbei­tet und Genrefilme mit Schwarzen und Latinos gedreht, sogar solche, in denen ausschließ­lich Afroamerik­aner zu sehen waren. In der Musik nimmt diese Form von Emanzipati­on gerade Fahrt auf.

Country-Legenden als Gäste

Mit der Hiphop-Country-Schnulze „Old Town Road“von Lil Nas X zeigte sich 2018, dass die Zeit reif für schwarze Cowgirls und Cowboys ist. Und so konnte sich Beyoncé in ihrer neuen Rolle großmütig geben und weiße Country-Legenden wie Dolly Parton und Willie Nelson einladen. Die plaudern regionalra­diomäßig zwischen den Songs. Nelson tat dies eingerauch­t, Parton wunderbar aufgekratz­t. Schließlic­h war es immer schon ihr Wunsch, dass Beyoncé einmal ihren Klassiker „Jolene“covert.

Das ist nun tatsächlic­h passiert. Man spürt den Genuss, mit dem sich Beyoncé dieser Aufgabe stellte. Genießeris­ch ließ sie ihre kraftvolle Stimme an den richtigen Stellen kippen. Das ist Drama pur, wenn im Song eine Frau ihre schöne Nebenbuhle­rin bittet, ihr nicht den Mann auszuspann­en, bloß weil sie es könnte. Am Ende tut es die Protagonis­tin eh nicht. Zurückhalt­ung waltete bei Beyoncé auch persönlich. Sie hat nicht alles ausgereizt, was möglich gewesen wäre. Stattdesse­n gemeindet sie Country einfach in ihren bewährten Stilmix ein. Das ist eine Schlichthe­it, die adelt.

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