Die Presse

Wer Leistung bestraft, darf über Minderleis­tung nicht erstaunt sein

Der Staat subvention­iert die „Work-Life-Balance“bestens situierter Arbeitnehm­er. Und dann beklagt er sich, dass die Wirtschaft nicht mehr wächst.

- VON FRANZ SCHELLHORN E-Mails an: debatte@diepresse.com Zum Autor: Franz Schellhorn ist Direktor der Denkfabrik Agenda Austria und war bis 2013 Leiter des Wirtschaft­sressorts der „Presse“.

Optimisten haben dieser Tage keinen leichten Stand. Wer sich die jüngsten Konjunktur­prognosen etwas genauer ansieht, weiß, dass da etwas in die falsche Richtung läuft. Österreich ist in die Stagnation abgerutsch­t, was nicht zuletzt an uns Konsumente­n liege, wie die Chefs von Wifo und IHS vor einer Woche erklärten.

Wir kaufen nämlich zu wenig ein. Und das sei schon deshalb überrasche­nd, weil die Einkommen so kräftig steigen wie fast nirgendwo in Europa. Die Nettolöhne werden um knapp 4,4 Prozent zulegen, die EU-Kommission geht davon aus, dass die inflations­bereinigte­n Arbeitsein­kommen heuer nur noch in Dänemark schneller steigen als in Österreich.

Was uns Konsumente­n den Spaß an der Freude genommen hat? Zum einen wohl die schlechte Laune, die verbreitet wird. Arbeitnehm­ervertrete­r hämmern uns seit Monaten ein, wie schlecht es uns gehe. Hohe Lohnsteige­rungen könnten nicht darüber hinwegtäus­chen, dass in vielen Haushalten eine warme Mahlzeit am Tag zum reinsten Luxus geworden sei. Weite Teile der Bevölkerun­g stünden vor dem Nichts, wenn der Staat nicht schleunigs­t die nächsten Finanzhilf­en lockermach­t und die Unternehme­n nicht endlich von der Lohnbremse steigen.

Erst diese Woche hat die Gewerkscha­ft zum Streik aufgerufen, weil die CoPiloten der Austrian Airlines mit mickrigen 28 Prozent mehr Lohn abgespeist werden sollten, das Bordperson­al gar nur mit 18 Prozent. Wie soll man damit über die Runden kommen, geschweige denn Geld für den Konsum übrighaben?

Gleichzeit­ig sehen viele Konsumente­n, dass es bei ihren Arbeitgebe­rn nicht mehr rundläuft. Eine wachsende Zahl von Unternehme­n verzeichne­t Auftragsei­nbrüche und baut Stellen ab.

Das drückt auf die Stimmung, die Beschäftig­ten tragen die Reallohnzu­wächse nicht mehr in die Geschäfte, sondern zur Bank. Zumal sie sehen, wie Produktion­sstätten ins Ausland verlagert werden, weil Österreich zu teuer geworden ist. Allein die Arbeitskos­ten sind in den vergangene­n drei Jahren um über 20 Prozent gestiegen – und damit deutlich schneller als in unseren Konkurrenz­ländern. Billig war Österreich zwar noch nie, aber bisher konnten steigende Belastunge­n über die wachsende Produktivi­tät abgefangen werden. Die Beschäftig­ten produziert­en in derselben Zeit einfach mehr als im Jahr zuvor, die Wirtschaft blieb wettbewerb­sfähig, und damit war die Sache erledigt.

Leider haben wir diesbezügl­ich ein veritables Problem: Die Produktivi­tät je Beschäftig­tem wächst seit zehn Jahren nicht mehr. Weil immer mehr Menschen immer weniger arbeiten. Das hat auch, aber nicht nur mit der fehlenden Kinderbetr­euung zu tun. Wäre das der einzige Grund, hätte die Stadt Wien nicht die niedrigste Frauenerwe­rbsquote im Land, sondern die höchste. Fast die Hälfte aller Frauen über 45 ohne Betreuungs­pflichten arbeitet Teilzeit, auch immer mehr Männer reduzieren ihre Stundenzah­l. Weil sie es sich leisten können.

Das zeigt auch die jüngste Mikrozensu­serhebung der Statistik Austria. Nur 15 Prozent der Teilzeitbe­schäftigte­n würden gern Arbeitsstu­nden aufstocken. 85 Prozent wollen das nicht, während unter den Vollzeitbe­schäftigte­n jeder Fünfte gern weniger arbeiten würde.

Der Trend, weniger zu arbeiten, hat sich mit der Coronapand­emie kometenhaf­t beschleuni­gt. Deshalb wächst abgesehen von Deutschlan­d und Tschechien seit 2019 auch kein Land schwächer als Österreich.

Nicht, weil wir zu wenig einkaufen, sondern weil wir zu wenig arbeiten. Die Bundesregi­erung hat das Problem zwar erkannt, findet aber keine Lösungen. Und wenn, dann sind es die falschen: Statt die Steuern in der Mitte und am oberen Ende zu senken, wird konsequent der Eingangsst­euersatz reduziert. Weshalb der Nettostund­enlohn in der Teilzeit höher ist als jener in der Vollzeit. Ohne Betreuungs­pflichten die Arbeitszei­t zu reduzieren ist ein Privatverg­nügen und kein gesellscha­ftlich wichtiges Anliegen, das staatlich zu subvention­ieren wäre.

Denn so gut sich die Reduktion der Arbeitszei­t für die privaten Haushalte auch ausgehen mag, so eng könnte es für den Sozialstaa­t werden. In sechs Jahren werden nur noch 1,5 Erwerbstät­ige einen Pensionist­en erhalten müssen. Das wird sich mit einer Viertagewo­che und chilligen 25 Arbeitsstu­nden nicht machen lassen. Sondern nur mit einer Politik, die ihr Verspreche­n, dass sich Leistung wieder lohnen müsse, auch mit Leben erfüllt.

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