Erlösung durch das Murmeltier
Nun, wo Ostern ist, gönnte ich mir den Luxus, zwischen Topas-Äpfeln und Pak Choi über das fröhlichste aller katholischsten Feste nachzugrübeln. Theoretisch bin ich Atheist und hätte Besseres zu tun. Zum Beispiel atheistische Gedanken im Kopf hin und her wälzen. Aber jemand sagte einmal: In einem abstürzenden Flugzeug gibt es keine Atheisten. Und ich leide an Flugangst, sogar wenn ich auf dem Boden bin. Also beschloss ich, Jesus’ spektakulärste Erfindung zu ehren: die Auferstehung.
Als katholisches Kind war für mich das Leben nach dem Tod so sicher wie das Amen im Gebet. Aber als Erwachsener interessiert man sich immer mehr für die Auferstehung vor dem Tod. Ich forschte zuerst bei den alten Griechen, weil die neuen sich nur noch für Tourismus und Sirtaki interessieren. Dann knöpfte ich mir die Festlanddenker vor, um am Ende mit einem „Ich armer Tor bin so klug als wie zuvor“dazustehen. Zum Glück schaue ich viel fern. Eines Abends kam auf Kabel Eins die Hollywoodkomödie „Und täglich grüßt das Murmeltier“und brachte die Erlösung.
Die Handlung war mehr lustig als tiefsinnig. Der Wetterreporter Phil, gespielt von Bill Murray, einem Mann, der ich im nächsten Leben sein will (falls das mit der Auferstehung danach doch klappt), ist in einer Zeitschleife gefangen. Er erlebt immer wieder denselben Tag neu. Leider erwischt ihn die Zeitschleife nicht an einem „sexy Tag mit Sonnenschein und Piña Coladas in Malibu“, sondern in einem spießigen Kaff, das nur für eines bekannt ist: ein Murmeltier, das aus seinem Verschlag herauskommt, um seinen Schatten zu suchen. Bill Murray wacht von da an jeden Morgen in einem Gefängnis auf, das aus einer ständigen Wiederholung besteht. Zuerst tippt er auf einen Gehirntumor, dann meint er, er sei verrückt geworden, schließlich arrangiert er sich: Er weiß auf die Sekunde genau, wie er die Bank zu überfallen hat, welche Frau was mag, aber irgendwann wird Phil seines Allwissens überdrüssig und erkennt, was jeder von uns einmal erkennt. Es gibt kein richtiges Leben im falschen. Und schon gar nicht eines, das aus ständiger Wiederholung besteht.
Einmal begeht Phil Selbstmord, aber zu seiner Verblüffung wacht er am nächsten Tag ohne eine Schramme wieder auf. Aus dieser Hölle gibt es nur eine Tür: „Sich selbst ändern, um alles zu ändern.“
Er baggert seine Reporterkollegin an, gespielt von Andie MacDowell, und weiht sie in sein dunkles Geheimnis ein. Andie MacDowell glaubt ihm nicht, aber sie ist Reporterin. Und Reporter sind neugierig. Phil hat immer nur einen Tag Zeit, um sie zu überzeugen. Kaum macht er ein paar Fortschritte, schon fällt der Vorhang, und er muss am nächsten Tag von Neuem beginnen. Die Hölle ist nicht nur höllisch, sie ist auch gemein.
Am Ende erwirbt Phil mit der Erkenntnis „Wenn du schon niemand bist, dann werde zumindest ein guter Niemand“die Gabe der Liebe zum Leben. Er dehnt sie auf Andie Macdowell aus, und der Preis kommt unverhofft. Die Gefängnistür springt auf! Der Murmeltiertag ist zu Ende! Dankbar spricht er einen der genialsten Sätze, der in Hollywood je gefallen ist: „Weißt du, was heute für ein Tag ist?“, fragt er seine Retterin. „Heute ist Morgen.“Sie versteht kein Wort. Er endlich alles. Frohe Ostern!