Die Presse

Erlösung durch das Murmeltier

- Von Radek Knapp RADEK KNAPP Autor und Obstverkäu­fer. Foto: Fabry

Nun, wo Ostern ist, gönnte ich mir den Luxus, zwischen Topas-Äpfeln und Pak Choi über das fröhlichst­e aller katholisch­sten Feste nachzugrüb­eln. Theoretisc­h bin ich Atheist und hätte Besseres zu tun. Zum Beispiel atheistisc­he Gedanken im Kopf hin und her wälzen. Aber jemand sagte einmal: In einem abstürzend­en Flugzeug gibt es keine Atheisten. Und ich leide an Flugangst, sogar wenn ich auf dem Boden bin. Also beschloss ich, Jesus’ spektakulä­rste Erfindung zu ehren: die Auferstehu­ng.

Als katholisch­es Kind war für mich das Leben nach dem Tod so sicher wie das Amen im Gebet. Aber als Erwachsene­r interessie­rt man sich immer mehr für die Auferstehu­ng vor dem Tod. Ich forschte zuerst bei den alten Griechen, weil die neuen sich nur noch für Tourismus und Sirtaki interessie­ren. Dann knöpfte ich mir die Festlandde­nker vor, um am Ende mit einem „Ich armer Tor bin so klug als wie zuvor“dazustehen. Zum Glück schaue ich viel fern. Eines Abends kam auf Kabel Eins die Hollywoodk­omödie „Und täglich grüßt das Murmeltier“und brachte die Erlösung.

Die Handlung war mehr lustig als tiefsinnig. Der Wetterrepo­rter Phil, gespielt von Bill Murray, einem Mann, der ich im nächsten Leben sein will (falls das mit der Auferstehu­ng danach doch klappt), ist in einer Zeitschlei­fe gefangen. Er erlebt immer wieder denselben Tag neu. Leider erwischt ihn die Zeitschlei­fe nicht an einem „sexy Tag mit Sonnensche­in und Piña Coladas in Malibu“, sondern in einem spießigen Kaff, das nur für eines bekannt ist: ein Murmeltier, das aus seinem Verschlag herauskomm­t, um seinen Schatten zu suchen. Bill Murray wacht von da an jeden Morgen in einem Gefängnis auf, das aus einer ständigen Wiederholu­ng besteht. Zuerst tippt er auf einen Gehirntumo­r, dann meint er, er sei verrückt geworden, schließlic­h arrangiert er sich: Er weiß auf die Sekunde genau, wie er die Bank zu überfallen hat, welche Frau was mag, aber irgendwann wird Phil seines Allwissens überdrüssi­g und erkennt, was jeder von uns einmal erkennt. Es gibt kein richtiges Leben im falschen. Und schon gar nicht eines, das aus ständiger Wiederholu­ng besteht.

Einmal begeht Phil Selbstmord, aber zu seiner Verblüffun­g wacht er am nächsten Tag ohne eine Schramme wieder auf. Aus dieser Hölle gibt es nur eine Tür: „Sich selbst ändern, um alles zu ändern.“

Er baggert seine Reporterko­llegin an, gespielt von Andie MacDowell, und weiht sie in sein dunkles Geheimnis ein. Andie MacDowell glaubt ihm nicht, aber sie ist Reporterin. Und Reporter sind neugierig. Phil hat immer nur einen Tag Zeit, um sie zu überzeugen. Kaum macht er ein paar Fortschrit­te, schon fällt der Vorhang, und er muss am nächsten Tag von Neuem beginnen. Die Hölle ist nicht nur höllisch, sie ist auch gemein.

Am Ende erwirbt Phil mit der Erkenntnis „Wenn du schon niemand bist, dann werde zumindest ein guter Niemand“die Gabe der Liebe zum Leben. Er dehnt sie auf Andie Macdowell aus, und der Preis kommt unverhofft. Die Gefängnist­ür springt auf! Der Murmeltier­tag ist zu Ende! Dankbar spricht er einen der genialsten Sätze, der in Hollywood je gefallen ist: „Weißt du, was heute für ein Tag ist?“, fragt er seine Retterin. „Heute ist Morgen.“Sie versteht kein Wort. Er endlich alles. Frohe Ostern!

 ?? ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria