Gewinnt sie gegen die Schwiegermutter?
Mit „Die Hoffnung der Chani Kaufmann“setzt Eve Harris ihre Geschichte um eine junge Frau aus der jüdisch-orthodoxen Welt fort.
Bei der Buchpremiere im Literaturhaus Berlin sagte die in London lebende Autorin Eve Harris, dass sie gar keine Fortsetzung ihres Erfolgsromans „Die Hochzeit der Chani Kaufman“habe schreiben wollen.
Eigentlich war die Geschichte der jungen, ebenso hübschen wie eigenwilligen Chani, der es gelungen war, über all die Verbote und Gebote ihrer jüdisch-orthodoxen Umwelt hinweg den Mann zu heiraten, den sie sich ausgesucht hatte, für sie abgeschlossen. Chani hatte bekommen, was sie wollte. Sie hatte ihren Baruch.
Nach einer Weile aber hatte Harris bemerkt, dass die Figuren sie nicht losließen, sie wollten weiterleben. Und es gab auch eine weitere Geschichte, die erzählt werden musste. Die Geschichte einer Hoffnung, einer guten Hoffnung.
Das Paar lebt also ein Jahr nach seiner Hochzeit in Jerusalem, wo Baruch seinen Studien nachgeht, um Rabbiner zu werden. Ihr Leben wäre schön und unbeschwert, gäbe es da nicht das Problem mit der ausbleibenden Schwangerschaft. Für einen Rabbiner ist es ein Muss, viele Kinder zu haben. Der Gedanke, dass Baruch sich von ihr scheiden lassen und sich eine neue, fruchtbare Frau nehmen könnte, versetzt Chani in Panik. Also kehren die beiden zurück nach London, nach Golders Green, wo sie sich kennengelernt haben, und forschen in einer Kinderwunschklinik nach dem Grund ihrer ungewollten Kinderlosigkeit.
Ginge es nach Chanis Schwiegermutter, würde sie sofort eine andere Frau für ihren Sohn suchen, war sie doch von Anfang an überzeugt, dass Baruch die falsche geheiratet hat. Vorsichtshalber wird schon mal eine Heiratsvermittlerin aufgesucht. Sollte ihre Schwiegertochter in den nächsten sechs Monaten nicht schwanger werden, wird sie ihren Sohn dazu zwingen, sich scheiden zu lassen.
Harris, die als Lehrerin an jüdisch-orthodoxen Schulen in London und Tel Aviv unterrichtete, erzählt, wie wenig Freiheit Mädchen und Frauen in solchen Gemeinden haben. Das Leben ist streng reguliert, und es ist eine Männerwelt: Sie machen die Gesetze, sie bestimmen die Regeln, sie sind Vorbilder.
Doch es gibt Freiräume. Wenn man so will, ist auch der Haushalt so einer, denn dort herrscht die Frau. Und es gibt auch Freiheit, denn nur nach außen hin sieht es so aus, als gäbe es kein Dazwischen, entweder du bist eine von uns oder nicht. Doch Harris’ Charaktere
zeigen, dass die Trennlinien alles andere als klar sind.
Chani begegnet in der U-Bahn einer alten Bekannten: Rivka, der ehemaligen Rebbetzin Zilberman, die den Schritt in die säkulare Welt gewagt hat. In ihrer Not erzählt Chani ihr von ihren Problemen, schwanger zu werden. Die Ärzte sagen, dass Chanis fruchtbare Tage zu früh sind und in die Zeit fallen, da sie noch als „nidda“gilt, als unrein, und ihr Mann sie nicht berühren darf. Als sie und Baruch den Rat eines Rabbi suchten, meinte er nur, dass die Gesetze eingehalten werden müssen, Ausnahmen gebe es keine. Was soll sie nun tun? Rivka rät ihr: „Du hast die Wahl. Lass zu, dass die Regeln dich und deine Ehe zerstören, oder beuge sie ein wenig und lebe ein bisschen.“
Für Rivka reichte es nicht, nur ein bisschen zu leben, und jetzt kämpft sie mit den Konsequenzen des Ausgestoßenseins. Ihren Kindern wird verboten, sie zu sehen, dem Mann wird nahegelegt, sich bald eine andere Frau zu nehmen. Ihr jüngster Sohn wird in der Schule gemobbt, sie wird auf offener Straße angegriffen. Die Gemeinde verzeiht keine Fehler.
Wird es bei Chani und Baruch auch so enden? Am Ende trifft das Paar eine Entscheidung – die einzig richtige.