Von Wandelhalle und Waldbad
Ein Abstecher in den legendären westböhmischen Ort Marienbad führt retour in 200 Jahre prominente Kurgeschichte.
Marienbad beziehungsweise Mariánské Lázně mag Österreichern heute weniger ein Begriff sein als früher. Ein ganz anderes Bild bot sich im 19. Jahrhundert, als Marienbads Kurtradition ihre erste Hochblüte erreichte und bekannte Persönlichkeiten anzog, die neben der anregenden Atmosphäre hier durchaus auch die Kraft von Schlamm, Heilquellen und Mineralwasser schätzten.
So verarbeitete etwa Johann Wolfgang von Goethe die Tage in dem böhmischen Kurort in seiner berühmten „Marienbader Elegie“(veröffentlicht 1827). Frédéric Chopin kam in den 1820er-Jahren nach Marienbad, unter anderem, um sich zu verloben. Richard Wagner arbeitete hier z. B. an „Die Meistersinger von Nürnberg“.
Zu einer Art politischem Zentrum von Europa wurde Marienbad für kurze Zeit während eines Aufenthalts des britischen Königs Edward VII. – er traf hier 1904 auf Kaiser Franz Joseph I. Ein Denkmal mitten in der Stadt zeigt deren Begegnung, doch so ganz authentisch ist die Skulptur nicht. Rund um Edward VII. hatte es die wildesten Geschichten und Gerüchte gegeben, etwa auch jenes, dass er wegen seines starken Übergewichts keine Waagen in seiner Nähe erlaubte. Trockenlegung mit Stil
Obwohl man lang davor bereits die positive Wirkung der mehreren Mineralwasserquellen erkannt hatte, profitierte Marienbad noch von einer anderen Entwicklung Anfang des 19. Jahrhunderts. Abt Karl Prokop Reitenberger hatte Gartenarchitekten beauftragt, das Sumpfgelände, das zum Besitz des Klosters gehörte, zu entwässern. So wurde ab den 1820er-Jahren aus Marienbad eine grüne Stadt mit zahlreichen Parks und ein aufstrebender Kurort. Auf Reitenbergers
Initiative entstand Kurarchitektur – Pavillons, Wandelhallen – rundherum klassizistische Häuserensembles.
Dass Marienbad durch die Eisenbahn 1872 mit Wien, Prag und Pilsen verbunden wurde, brachte noch mehr Kurgäste in das sogenannte Böhmische Bäderdreieck. In diesen goldenen Zeiten rund um 1900 entstand eindrucksvolle Jugendstilarchitektur – Kurhäuser, Hotels und Aussichtspunkte wurden errichtet. Darunter auch die bekannte Wandelhalle zum Flanieren. Das zog auch viele Künstler und Intellektuelle an, prominente Gäste wie Gustav Mahler, Rudyard Kipling, Mark Twain, Franz Kafka oder Friedrich Nietzsche. Bädertradition bis heute
Ein Sprung in die Gegenwart, eine neue prosperierende Zeit. Im Jahr 2021 wurde Mariánské Lázně gemeinsam mit zehn anderen europäischen Kurorten unter die „Großen Bäder Europas“(Great Spa Towns of Europe) gelistet und von der Unesco mit dem Welterbe-Titel ausgezeichnet.
Zu den ersten Häusern am Platz gehört heute das Falkensteiner Spa Resort Marienbad, obwohl es etwas erhöht oberhalb der Hauptstraße liegt und eine Verknüpfung von insgesamt vier Häusern darstellt. Die 162 Zimmer verteilen sich auf Gebäudeteile namens Pelnar, Kurpalais, Orangerie und Villa Ferdinand. Das historische Hauptgebäude stammt aus dem 19. Jahrhundert und birgt die hauseigene Alexandraquelle. 2004 wurde der Komplex durch die drei genannten Flügel erweitert, in denen sich das Spa, die medizinischen Einrichtungen, das Restaurant und das Parkhaus befinden. Das Fünf-Sterne-Hotel bietet den größten Poolbereich der Stadt mit insgesamt vier Becken.
Im Medical Center des Resorts – unter der Leitung von Hotelarzt Roman Vokaty – werden zahlreiche klassische MarienbadAnwendungen für den Bewegungsapparat, das Verdauungs- sowie das Atmungssystem durchgeführt, aber das Angebot an medizinischer und therapeutischer Betreuung geht weiter darüber hinaus. Hier gibt es für Gäste auch Anwendungen zur Stress- und Burn-out-Prävention sowie Training zur Achtsamkeit und Entspannung, ebenso setzt man hier auf zertifiziertes Shinrin Yoku (Waldbaden) und Ernährungsberatung. Wer weiß – das hätte Gästen von damals vermutlich wohl auch gefallen.