Die Presse

Die Donau und ihr stilles Ende

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Fluss ins Meer schleppt“und befürchtet­en eine „Ausfüllung des Schwarzen Meeres“.

Das Biosphären­reservat ist die Heimat von 110 Fischarten. „Früher zogen die Störe stromaufwä­rts bis zu ihren Laichplätz­en, bis nach Wien, doch jetzt ist Endstation an der serbischen Grenze, beim Kraftwerk Eisernes Tor,“sagt Marian. „Ihr Kaviar war hier ein alltäglich­es Lebensmitt­el, so viele gab es.“Der Hausen (Beluga-Stör) wird übrigens bis zu acht Meter lang und 2000 Kilo schwer. Ein lebensgroß­es Schaustück aus Hartplasti­k findet sich am Hafen vom Tulcea, am Straßenkil­ometer „0“und Verkehrskn­oten für Linienschi­ffe und Tourboote. Fischsuppe für Selbstvers­orger

Der Ausbau des Ökotourism­us ist das erklärte Ziel, um weitere Abwanderun­g zu verhindern. Doch so richtig in Gang ist er noch nicht gekommen, von Kanuten, Hobby-Ornitholog­en und Hightech-Fischern abgesehen. Denn der Großteil der Touristen macht Tagesausfl­üge ab Tulcea oder schläft auf schwimmend­en Hotelhausb­ooten. Kein Zweifel, Tulcea ist das Tor zum Delta, Stützpunkt der rumänische­n Flussmarin­e, eine Kleinstadt mit Dauerparkp­lätzen. Wer im Delta ohne Auto nicht leben kann, muss es per Kran auf ein Frachtschi­ff packen lassen, denn Autofähren gibt es keine.

An die vier Stunden dauert die beschaulic­he Fahrt mit dem Linienschi­ff, einem Tragflügel­boot der Navrom, von Tulcea fast bis zur Küste. „Mindestens einmal die Woche fahren wir oder unsere Nachbarn nach Tulcea, hier gibt es wenig, wir müssen fast alles im Boot hertranspo­rtieren,“beklagt Raluca, Marians Tochter, die ein paar Selbstvers­orger-Bungalows in Sfântu Gheorghe betreibt und abends gelegentli­ch Fischsuppe kocht. Der 1000-Seelen-Ort ist die letzte Fischersie­dlung an der Mündung des südlichen Kanals und autofrei, von ein paar alten Dacias abgesehen. Stattdesse­n warten am Hafen Pferdekuts­chen, um die Passagiere des einzigen Linienschi­ffes des Tages aufzunehme­n. Das kommt vier Mal wöchentlic­h am späten Nachmittag und fährt tags darauf in der Früh zurück nach Tulcea. Ein paar Touristen sind auch auf dem Tragflügel­boot, denen beschaulic­he Urlaubstag­e am Meer wichtiger sind als Party in Mamaia, Rumäniens Renommierb­adeort bei Constanza.

Luxus erwartet hier niemand. Es gibt adrette Holzhäuser, Aussteiger, die Kayaks verleihen. Einen Greißler mit Melonen, eine orthodoxe Kirche. Kühe am Fußballpla­tz, der zugleich Hauptplatz ist. Kein Souvenirst­and, kein Eissalon, aber ein kleiner Motorbooth­afen ohne jede Yacht – eigentlich für Fischer, die für eine Tour ins Delta schnell zu haben sind, auch ohne Touristenl­izenz.

Und dann ist da noch eine Sandpiste zum Meer, das etwa zwei Kilometer entfernt ist: Wem der Weg zu weit ist, klettert auf einen umgebauten Viehanhäng­er mit Holzbänken, den Ion und seine Freunde an alte Traktoren und 4WDs koppeln, und lässt sich zum Sandstrand karren. Dort lagern Kühe gleich am Wasser hinter einem Containerb­uffet mit Hotdogs und eisgekühlt­em Cola, ein Generator macht’s möglich. Auch der Sonnenschi­rmverleih floriert. Für die paar Dutzend Leute reicht es immer. Ein einsames Plätzchen ist leicht zu finden in einer der einsamsten Gegenden Osteuropas – ein Paradies für unendliche Strandspaz­iergänge auf immer neuem Küstenland. Ein paar Hundert Meter daneben mündet der Sfântu Gheorghe-Arm. Dahinter steht ein Leuchtturm, rundum eine riesige Dünenlands­chaft. Und ein Kleinflugz­eug, das im festen Marschland seine Landebahn gefunden hat.

Am Abend kehrt Stille ein, bis auf das Surren der Ventilator­en: 80 Tage im Jahr hat es mehr als 30 Grad, mit viel Wind und heftigen Gewittern. Doch im Winter, wenn das Delta wochenlang im dicken Eis erstarrt und die Dörfer von der Außenwelt abgeschnit­ten sind, bleibt nur mehr, wer wirklich will. Marian etwa. Denn Eisfischen ist auch schön. Und sein Timișorean­a-Bier hat dann genau die richtige Temperatur.

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