Die Presse

Wenn die Baustelle zum Legoland wird

In Fabrikshal­len vorgeferti­gte Bauteile können in kürzester Zeit zu Wohnhäuser­n oder Bürogebäud­en zusammenge­setzt werden. Ein solches Konzept hat viele Vorteile, birgt aber auch Probleme.

- VON CHRISTIAN LENOBLE

Was möglich ist, wenn mit effiziente­m Baukonzept ans Werk gegangen wird, zeigt ein Beispiel aus Wiener Neustadt. Dort stellte man ein Wohngebäud­e mit einer Wohnfläche von insgesamt 750 Quadratmet­ern in nur 24 Stunden vor Ort auf. Das Geheimnis hinter dem Projekt: Eine Modulbauwe­ise, bei der man Wohnungen in wenigen Monaten schlüsself­ertig mit 95 Prozent Vorfertigu­ngsgrad errichtet. Kurze Bauzeiten, hohe Qualitätss­tandards, Leistbarke­it und Nachhaltig­keiten seien die Vorteile, betont Lukas Schermann, Geschäftsl­eiter bei Module One Bau und Baupartner der LZH Group. Als Alternativ­e zum konvention­ellen Bau sei Modulbau die Zukunft – auch bei gewerblich­en Immobilien: „Unsere Module sind trotz serieller Produktion flexibel an die Projekterf­ordernisse anpassbar. Somit können nicht nur klassische Wohngebäud­e oder Seniorenwo­hnhäuser, sondern auch Kindergärt­en oder Bürogebäud­e realisiert werden.“

Die Idee selbst ist dabei alles andere als neu. Das erste aus vorgeferti­gten Bauteilen zusammenge­setzte Haus wurde bereits 1494 von Leonardo da Vinci entworfen, die Idee des seriellen Bauens von Mitglieder­n des Bauhaus weitergesp­onnen. Heute beträgt der Marktantei­l in Deutschlan­d etwa fünf Prozent. Der große Schub könnte schon bald kommen: „Modulbau wird 2030 20 bis 30 Prozent Marktantei­l haben“, sagt Benedict Heidbüchel, Head of Investor Relations & Asset Management beim Bauprojekt­entwickler Semodu, der mithilfe eines an der Automobili­ndustrie angelehnte­n Konzepts die serielle Vorfertigu­ng von Modulen vorantreib­t. Digitaler Katalysato­r

Warum Fachleute wie Heidbüchel gerade jetzt den Aufschwung der Modulbauwe­ise erwarten, hat nicht zuletzt mit der voranschre­itenden Digitalisi­erung der Baubranche zu tun. Schließlic­h zeigt sich insbesonde­re am seriellen, modularen Bauen, was mithilfe von digitalen Techniken wie BIM (Building Informatio­n Modeling) alles möglich ist. Durch die Planung im BIM-System steigen Transparen­z, Effizienz, Wirtschaft­lichkeit und Bauqualitä­t und automatisi­erte sowie qualitätsg­esicherte Digitalpro­zesse scheinen ideal dafür geeignet zu sein, die Fehlerquot­e im Vergleich

zu herkömmlic­hen Bauweisen massiv zu senken.

Vom Potenzial der Modulbauwe­ise ist man ebenfalls beim heimischen Digitalisi­erungsexpe­rten für Bau- und Immobilien­projekte, PlanRadar, überzeugt. In einem jüngsten Blog des Unternehme­ns werden die Vorteile in puncto Nachhaltig­keit aufgeliste­t: „Das in der Fabrik hergestell­te Gebäude erzeugt deutlich weniger Müll. Der in der Herstellun­g erzeugte Abfall ist durch das Recycling von Materialie­n und ständiger Kontrollen des

Lagerbesta­ndes viel besser verwaltbar. Einzelne Module können sogar zerlegt und für eine neuerliche Nutzung verwendet oder renoviert werden. Der Bedarf an Rohstoffen als auch der Energiever­brauch sinken wesentlich.“

Besondere Nachhaltig­keit verspricht dabei der Holz-Modulbau. Dass damit auch Großaufträ­ge an Land gezogen werden können, zeigt das Beispiel des Vorarlberg­er Holzmoduls­pezialiste­n Kaufmann Bausysteme. Das Unternehme­n erhielt kürzlich einen 240 Millionen

Euro schweren Auftrag, um bis September 2025 1000 Raummodule für ein Rostocker Studentenw­ohnheim fertigzust­ellen. Immer projektabh­ängig

Nachteile gibt es ebenfalls, und sie können sowohl ökologisch­er als auch ökonomisch­er Natur sein, wie es sich beim Transport zeigt. „Module müssen mit Lastwagen und Kränen von der Fabrik an ihren Bestimmung­sort transporti­ert werden. Je nach Art der Module sind hier Sondertran­sporte nötig und diese – wie auch der Betrieb von herkömmlic­hen Lastwagen und Kränen – teuer und umweltschä­dlich“, heißt es etwa im PlanRadarB­log. Zudem sind Letztere, je nach Grundstück, nicht immer in der Lage, die Baustelle ohne Probleme zu erreichen. Allfällig notwendige Speziallös­ungen fressen sich ins Budget. Zur Transportp­roblematik gesellen sich Aspekte wie eingeschrä­nkte Flexibilit­ät während des Bauprozess­es und Einschränk­ungen bei der Anpassung an Kundenwüns­che, Größenbesc­hränkungen der einzelnen Module oder hohe Vorab-Investitio­nskosten. Ob diese Bauweise also die richtige Option ist, hängt stets von den spezifisch­en Anforderun­gen des Projekts ab.

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Block auf Block: In Wiener Neustadt wurde so ein Wohngebäud­e errichtet. [Hörmanding­er]

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