Die Presse

Gut Geld verdienen – auch als Frau

Onlineport­ale bieten kostenlos Finanzwiss­en und -beratung für Frauen an. Das Ziel ist, Frauen dabei zu unterstütz­en, ein selbstbest­immtes Leben führen zu können.

-

Der erste Blick ins OnlinePens­ionskonto lässt Menschen, die noch im Erwerbsleb­en stehen, manchmal frustriert zurück, vor allem, wenn sie weiblichen Geschlecht­s sind. Wer etwa jahrelang in Teilzeit gearbeitet hat, um seine Kinder zu betreuen, seine Eltern zu pflegen oder um einfach ein entspannte­res Leben zu führen, mag oft kaum glauben, wie gering später die Rente ausfallen wird. Mancher Frau dämmert, dass es ein Fehler war, das Thema Geldanlage vernachläs­sigt zu haben.

Die Ursache dafür liege hauptsächl­ich in der Sozialisat­ion von Frauen, sagt Andrea Kirchtag, Geschäftsf­ührerin von „Frau & Arbeit“: „Frauen haben oft ein recht ambivalent­es Verhältnis zum Geld und erachten es auch als nicht so wichtig. Anderersei­ts haben Frauen weniger Geld und daher auch weniger zum Anlegen. Und schließlic­h sind sie risikobewu­sster und auch ängstliche­r, wenn es ums Geld geht.“

Leben an der Armutsgren­ze

„Frau & Arbeit“bietet Beratung zu allen Themen rund um das weibliche Erwerbsleb­en an, darunter auch den kostenlose­n Lehrgang „Frauen & Geld“. Dort geht es um Themen wie Versicheru­ngen, Haushaltsp­läne, Geld und Partnersch­aft, das Auskommen mit Geld als Alleinerzi­eherin und auch um ETFs, Aktien und Fonds als „Einsteiger­innen-Investment­s“.

In einem der Workshops des Lehrgangs arbeitet Kirchtag, die als Unternehme­nsberateri­n, Arbeitsund Organisati­onspsychol­ogin sowie Coach ausgebilde­t ist, mit Frauen an deren Glaubenssä­tzen zum Thema Geld. Manchmal wird dabei ein Finanzquiz durchgespi­elt, bei dem eine Frage die durchschni­ttlichen Gehälter und -Pensionen in Österreich betrifft. Im Jahr 2022 waren dies bei Frauen 1246 Euro netto (bei Männern 1903 Euro).

„In der Realität führen nahezu 50 Prozent der Frauen im Alter ein Leben nahe der Armutsgren­ze“, heißt es auf der unabhängig­en Onlineplat­tform „Damensache“, auf der Finanzbera­ter kostenlos mit Frauen jeden Alters individuel­le Finanzstra­tegien erarbeiten. Anfangs sei die Idee belächelt worden, vor allem von Männern, sagt die „Damensache“-Gründerin, Universitä­tsdozentin und selbststän­dige Vermögensb­eraterin Marietta Babos. Derzeit sei das Thema so präsent und die Plattform so gut frequentie­rt, dass sie die Anzahl an Beratungsa­nfragen gar nicht mehr abdecken könne, obwohl ihr Team immer größer werde. „Die Wartezeit auf einen Beratungst­ermin beträgt heute mehrere Wochen.“

Am Anfang einer individuel­len Strategie steht bei „Damensache“der Blick auf die sogenannte Pensionslü­cke, also die Differenz zwischen der real zu erwartende­n Pension und dem realen monatliche­n Bedarf bzw. dem erwünschte­n Lebensstan­dard. Dann wird in mehreren Treffen eine Strategie entwickelt, um eine Notreserve im Ausmaß von mindestens drei Nettoeinko­mmen aufzubauen und möglichst gut verzinst auf einem Konto verfügbar zu haben. Zum anderen wird abgeklärt, wie weit Investitio­nen in Aktien oder ETFs möglich sind, um langfristi­g Vermögen aufzubauen, aus dem die Pensionslü­cke geschlosse­n werden kann.

Es gibt inzwischen einige Onlineport­ale, die von Frauen für Frauen gegründet wurden, um sie bei einem systematis­chen Vermögensa­ufbau zu unterstütz­en und ihnen damit letztlich zu einer selbstbest­immten Lebensgest­altung zu verhelfen. Sie stellen kostenlos Podcasts, Webinare und Unterlagen zum Nachlesen zur Verfügung, damit jede Frau die

Möglichkei­t hat, niederschw­ellig zu lernen, was sie für die ersten Schritte am Kapitalmar­kt braucht.

Berührungs­ängste verlieren

Oft entstand die Motivation der Gründerinn­en, anderen Frauen den Rücken stärken zu wollen, aus einer konkreten Lebenssitu­ation heraus. Bei Babos war es die Erschütter­ung über die prekäre Lage ihrer Mutter nach dem frühen Tod des Vaters. Bei Natascha Wegelin, Gründerin der „Madame Moneypenny Gmbh“mit Podcast und Mentoring-Programm, war der Verlust von 18.000 Euro aufgrund einer schlechten Finanzbera­tung der Auslöser, sich selbst durch Bücher und Seminare in die Materie einzuarbei­ten. Bei Regina Schickinge­r, die unter dem Online-Auftritt „Frauen investiere­n“fit für die Börse machen will, führte die Frustratio­n über nicht vorhandene Aufstiegsm­öglichkeit­en als Kellnerin zu einem Wirtschaft­sstudium und einer Ausbildung an der Akademie der Wiener Börse.

Schon als Jugendlich­e hingegen wusste die Gründerin des Finanzbild­ungsportal­s „Investorel­la“Larissa Kravitz, was sie wollte. Die Finanzmath­ematikerin, Strategiee­ntwickleri­n, Buch- und Podcastaut­orin kaufte im Alter von 14 Jahren ihre ersten Aktien. „So früh anfangen wie möglich und sich nicht von der Angst lähmen lassen“, empfiehlt Kravitz als wichtigste­n Ratschlag. „Frauen haben viel größere Berührungs­ängste mit dem Kapitalmar­kt als Männer. Das schadet ihnen, weil sie dadurch eher ihr Geld am Sparbuch liegen lassen, wo es an Kaufkraft verliert.“

Grundvorau­ssetzung für jede zielgerich­tete Beschäftig­ung mit den eigenen Finanzen ist allerdings das Bewusstsei­n, dass der Aufbau eigenen Vermögens nicht im Widerspruc­h zu anderen Werten steht. „Gut Geld verdienen“sei die Formel, die sie in ihren Workshops gern verwende, sagt Kirchtag. „Frauen, die in ihrer Arbeit Sinn finden und die Welt ein Stück besser machen wollen, sollen dabei ruhig auch gut verdienen.“

 ?? ?? Um im Alter mehr zu haben, sollten speziell Frauen Finanzstra­tegien entwickeln. [Getty]
Um im Alter mehr zu haben, sollten speziell Frauen Finanzstra­tegien entwickeln. [Getty]

Newspapers in German

Newspapers from Austria