Wie teurer Sprit mit Wahlen zusammenhängt
Wahljahr 2024. Wovon hängt es ab, ob Bürger das politische Establishment abstrafen? „Die Presse“bietet mehrere Erklärungsansätze für die bevorstehenden Urnengänge.
Wien. Geht es nach den verfügbaren Prognosen, dürfte das Wahljahr 2024 für die Parteien der breit gefassten proeuropäischen Mitte hierzulande alles andere als erfolgreich werden. So geht etwa der European Council on Foreign Relations (ECFR) davon aus, dass der Stimmenanteil der einstigen Großparteien ÖVP und SPÖ bei der Europawahl am 9. Juni um zehn bzw. fünf Prozentpunkte auf 24,6 bzw. 26,4 Prozent zurückgehen wird, während die Grünen mit 12,7 Prozent ein Minus von 1,4 Prozentpunkten kassieren werden. Für die Nationalratswahl im September sind die Aussichten ähnlich: Während die SPÖ in jüngsten Umfragen bei etwas über 20 Prozent stagniert, fällt die ÖVP von 37 auf ebenfalls knapp über 20 Prozent zurück; zugleich müssen sich die Grünen darauf einstellen, vier von zehn ihrer Wähler von 2019 zu verlieren und bei einem Stimmenanteil von acht Prozent zu landen.
Wovon hängt es ab, ob Wähler das politische Establishment abstrafen und einer (mehr oder weniger radikalen) Opposition ihr Vertrauen schenken? „Die Presse“ist genau dieser Frage nachgegangen und hat auf Basis von Daten aus den vergangenen zwei Jahrzehnten versucht, die Ausgangslage für die bevorstehenden Wahlgänge zu ermitteln.
1 Welche Erkenntnisse liefert die Sozialwissenschaft über die Motivation von Wählern?
Wie Sylvia Kritzinger, Professorin am Institut für Staatswissenschaft der Universität Wien und Projektleiterin der sozialwissenschaftlichen Nationalratswahlstudie Autnes, gegenüber der „Presse“ausführt, werden an der Wahlurne gleich zwei subjektive Urteile gefällt: eines über die politische Performance der vergangenen Jahre, das andere über die sich bietenden Aussichten auf die künftige Entwicklung. Die Frage, welchen Anteil das jeweilige Motiv an der tatsächlichen Wahlentscheidung hat, lässt sich nicht definitiv beantworten, da sich die Motive zum Teil überlappen. Gut erforscht ist allerdings der Zusammenhang zwischen der wirtschaftlichen Lage und den Wahlstimmen für die Regierung. Vereinfacht ausgedrückt müssen die Regierenden mit einem Denkzettel am Wahltag rechnen, wenn die Bevölkerung der Ansicht ist, dass die Wirtschaft nicht gut läuft.
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Werden die Regierungsparteien dabei quer durch die Bank abgestraft?
Eher schon, wenn es sich dabei um politische Systeme wie in Großbritannien oder den USA handelt, in denen für gewöhnlich eine Partei die alleinige Regierungsverantwortung hat. In Systemen, in denen üblicherweise Koalitionen regieren – wie etwa in Österreich oder Deutschland –, ist der Sachverhalt laut Sylvia Kritzinger etwas differenzierter. So habe beispielsweise die Stimmung innerhalb der Regierungskoalition Einfluss auf das Wahlverhalten: Wird in einer Koalition oft gestritten, tendieren die Wähler dazu, jene Partei, die den Finanzminister stellt, bei der Wahl abzustrafen, sofern sie mit der wirtschaftlichen Lage unzufrieden sind – was bei Türkis-Grün eher die ÖVP treffen würde.
Andererseits gilt generell, dass der Juniorpartner in einer Koalitionsregierung bei Wahlen tendenziell stärker als der Seniorpartner unter Druck gerät – ein Trend, der wiederum den Grünen zu denken geben sollte.
3 Profitieren bei einer Denkzettelwahl immer die Rechtspopulisten?
Nein. Die Tatsache, dass Wähler die Regierungsparteien abstrafen, bedeutet laut Kritzinger nicht, dass sie sich automatisch den Rechtspopulisten zuwenden. Überraschende Ereignisse wie das gute Abschneiden der KPÖ in Salzburg oder die guten Umfragewerte für die Bierpartei von Marco Pogo deuten darauf hin, dass eine Unzufriedenheit mit dem (wirtschafts-)politischen Status quo nicht ausschließlich einer Gruppierung zugutekommen muss.
4 Apropos Unzufriedenheit: Wie ist die Stimmungslage in der EU?
Die EU-Kommission fragt im Rahmen ihrer zweimal jährlich durchgeführten Eurobarometer-Studie ab, inwieweit die EU-Bürger mit der wirtschaftlichen Situation in ihrem Land sowie mit der eigenen finanziellen Si