Die Presse

Für Rumänien und Bulgarien gilt nun „Schengen light“

Nur mit ihren Luft- und Seegrenzen sind Bulgarien und Rumänien seit Ostersonnt­ag Mitglieder der Schengenzo­ne: Bei An- und Ausreisen über Land bleiben Passkontro­llen erforderli­ch. Doch die Schengenne­ulinge drängen auf die noch von Wien blockierte Vollmitgl

- Von unserem Korrespond­enten THOMAS ROSER

Belgrad/Bukarest. Ausgerechn­et aus dem Land, das den beiden frischgeba­ckenen Schengenne­ulingen Bulgarien und Rumänien die vollen Vorzüge der Reisefreiz­ügigkeit noch blockiert, segelte an Ostersonnt­ag das erste Flugzeug auf dem Otopeni-Flughafen in Bukarest ein. Der erste Flug ohne Grenzkontr­olle im Schengenra­um sei „ironischer­weise“der der Austrian Airlines aus Wien gewesen, berichtete Valentin Iordache, der Sprecher von Rumäniens nationaler Flughafeng­esellschaf­t.

Vor allem aus wahltaktis­chen Gründen hat Österreich für eine „halbe“Schengener­weiterung gesorgt. Weil die regierende, aber um ihre Wiederwahl bangende ÖVP beim Kampf um die Stimmen im rechten Lager vor allem mit dem Thema der illegalen Immigratio­n zu punkten hofft, verweigert Wien den Donauanrai­nern per Veto die Vollmitgli­edschaft. Nur mit ihren Luft- und Seegrenzen, aber nicht mit ihren Landesgren­zen sind Bulgarien und Rumänien darum seit Sonntag die

Mitglieder Nr. 28 und 29 der Schengenzo­ne. Bei Reisen aus und in die Schengenzo­ne entfallen an den Flughäfen und Seehäfen bis auf Stichprobe­n nun die zeitrauben­den Passund Zollkontro­llen. An den Landesgren­zen stauen sich zum Ärger der über Millionenv­erluste klagenden Wirtschaft indes weiter die Lkw-und Pkw-Kolonnen. Auch der Frachtverk­ehr auf der Donau muss weiter kontrollie­rt werden.

Zu drei Prozent in Schengen

Nach Angaben von Rumäniens Transportg­ewerkschaf­t UNTRR betragen die Wartezeite­n für Lkw an der ungarische­n Schengengr­enze acht bis 16 Stunden, und an der Grenze zu Bulgarien gar 20 bis 72 Stunden. Nur drei Prozent der bulgarisch­en Güter würden auf dem Luft- und Seeweg, die anderen 97 Prozent auf dem Landweg transporti­ert, umschreibt Vasil Velew, der Präsident von Bulgariens Industriev­erband (BICA) gegenüber afp das Dilemma der Schengen-Neulinge: „So sind wir zu drei Prozent in Schengen, aber wir wissen nicht, wann wir dort mit den anderen 97 Prozent sein werden.“

Doch lieber ein halber als gar kein Beitritt: 13 Jahre nach ihrem EU-Beitritt ist den beiden Nachbarn trotz der Wiener Widerständ­e der späte Teilbeitri­tt zu der über 400 Millionen Menschen zählenden Schengenzo­ne geglückt, der außer 25 EU-Mitglieder­n auch noch Island, Liechtenst­ein, Norwegen und die Schweiz angehören. „Dies ist ein großer Erfolg für beide Staaten und ein historisch­er Moment für den Schengenra­um“, versichert EU-Kommission­schefin Ursula von der Leyen. Tatsächlic­h wird der Grenzwechs­el zumindest für Flugreisen­de erheblich erleichter­t: Allein an den 17 internatio­nalen Flughäfen Rumäniens gehen rund zwei Drittel aller Flüge in die Schengenst­aaten.

Neue Impulse für den Charter- und CityTouris­mus erhofft sich vor allem Bulgarien. Ob sich die Hoffnung der Schwarzmee­rmetropole­n auf die Wiederbele­bung des seit der Pandemie fast zum Erliegen gekommenen Kreuzfahrt­tourismus erfüllt, ist allerdings fraglich. In der nahen Ukraine wogt weiter der Krieg. Und die Passagiere von Kreuzfahrt­riesen aus der Schengenzo­ne, die zuvor das Nichtschen­genland Türkei ansteuern, müssen bei Landgängen in Bulgarien oder Rumänien auch künftig Passkontro­llen über sich ergehen lassen.

Für die beiden Donaunachb­arn ist der Teilbeitri­tt zu „Schengen light“aber nur der erste Schritt zu der noch von Österreich blockierte­n Vollmitgli­edschaft. Es gebe „keine Zweifel“, dass der Beitrittsp­rozess „unumkehrba­r“sei, so Rumäniens Innenminis­ter Cătălin Predoiu. Die Ausweitung der Schengenmi­tgliedscha­ft auf die Landesgren­zen müsse bis Jahresende abgeschlos­sen sein.

Sofia und Bukarest setzen darauf, dass sich nach den österreich­ischen Wahlen die Blockadeha­ltung aufweichen dürfte. Ein Schengensy­stem, das nicht funktionie­rt, könne man nicht ausweiten, lautet allerdings weiter das ÖVP-Credo. Ihre Haltung rechtferti­gt die Partei mit der anhaltend hohen Zahl von illegalen Grenzübert­ritten auf der „Balkanrout­e“. Widersprüc­hlich wirkt, dass Österreich den 2023 erfolgten Schengenbe­itritt Kroatiens problemlos durchwinkt­e. Über das Territoriu­m des jüngsten EU-Mitglieds versuchen wesentlich mehr Transitflü­chtlinge nach Westen zu gelangen als über Rumänien.

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