Die Geister, die für Promis schreiben
Wer etwas auf sich hält, schreibt eine Autobiografie – oder genauer gesagt: lässt sie von Ghostwritern verfassen. Die Vermessung eines Genres.
Papst Franziskus hat es getan. Britney Spears und Prinz Harry sowieso. Wer etwas auf sich hält, schreibt eine Autobiografie. Die Warentische in den Buchhandlungen sind voller Memoiren. Prominente Österreicher versuchen sich darin, globale Stars vergangener Jahrzehnte – wie Paris Hilton oder Pamela Anderson – rücken damit „ihre Geschichte“gerade. Elon Musk beschäftigte mit seiner autorisierten Biografie im Herbst die Titelseiten. Mit biografisch inspirierten Ratgebern oder politischen Streitschriften drängen öffentliche Figuren von Arnold Schwarzenegger bis Beate Meinl-Reisinger in die Regale.
Es braucht nicht einmal viel Lebenserfahrung oder Star-Status, um ein Buch zu füllen. Einen Bestseller landete auch Tom Felton, bekannt als Nebendarsteller in „Harry Potter“. Anthony Hopkins und Hugh Jackman sind am Schreiben, Biografien von Al Pacino und Elton John sollen noch heuer erscheinen. Ebenso die Memoiren von Lisa Marie Presley, posthum vollendet von Tochter Riley Keough. Und im demnächst erscheinenden „Knife“meditiert Schriftsteller Salman Rushdie über den Anschlag auf ihn.
Was sich in Streaming-Dokuserien zeigt, gilt auch auf dem Buchmarkt: Radikale Subjektivität geht immer. „Man interessiert sich eben dafür, was Menschen erleben“, sagt Katarzyna Lutecka. Vor allem dann, wenn es sich um berühmte Menschen handelt: Lutecka ist Verlagsleiterin bei Amalthea, wo viele (Auto-)Biografien von österreichischen Publikumslieblingen erschienen sind. „Früher hat man damit relativ lang zugewartet, zumindest bis zu großen runden Geburtstagen. Mittlerweile geht es oft nicht darum, eine Bilanz zu ziehen, sondern darum, eine Botschaft zu vermitteln.“
„Künstler wollen umworben werden“
So funktionieren oft besonders jene Bücher, die Biografisches mit einem weiteren Thema verbinden. Lutecka nennt Wolfram Pirchners Buch über seine Panikattacken („Das war ein Riesen-Bestseller“) oder „Look at me“, in dem Musicaldarstellerin Ana Milva Gomes über Alltagsrassismus berichtet. „Sie wollte niederschreiben, was sie sich für ihre kleine Tochter wünscht: dass die Welt für diese als erwachsene schwarze Frau eine andere sein wird.”
Umfassende Biografien, mit sämtlichen Karrierestationen, darf man sich von solchen Titeln nicht erwarten. „Man kann nicht immer das ganze Leben in ein Buch packen“, sagt Lutecka. Vollständige Biografien seien oft das erste Buch einer Person – oder das letzte: „Je älter Menschen werden, desto eher sind sie bereit, das zu erzählen, was sie früher verschwiegen hätten. Waltraut Haas hat berührend offen von ihrer großen Liebe erzählt. Das wollte sie, solang ihr Mann gelebt
hat, nicht tun.” Wobei nicht jede prominente Person, um die sich ein Verlag bemüht, tatsächlich schreiben will.
Beziehungsweise schreiben lassen: Standardmäßig wird Celebritys ein Ghostwriter angeboten. Dennoch brauche es oft mehrere Anläufe, um sie zu überzeugen. „Das sind ja alles Künstler, die wollen umworben werden“, so Lutecka. Wenige würden ihr Buch selbst schreiben wie Arik Brauer. Bei den anderen gelte es, einen Ghostwriter zu finden, mit dem die Chemie stimmt. „Da braucht
man viel Vertrauen. Es ist eine innige und intensive Beziehung.”
Ghostwriter: „Schreiben nie selbst“
Genannt würden die Ghostwriter bei Amalthea, wenn nicht auf dem Cover, dann auf dem „Schmutztitel“, der ersten Seite, mit dem Zusatz „aufgezeichnet von“. Das ist aber keine Selbstverständlichkeit. Sechs Bücher hat Anatol Vitouch im Namen anderer geschrieben – Biografien und Sachbücher österreichischer Kulturpersönlichkeiten, erschienen bei verschiedenen Verlagen. Dabei wurde vereinbart, dass er sich öffentlich nicht als Autor zu erkennen gibt und sämtliche Rechte an dem Text abtritt. Mit der Bezahlung war seine Leistung abgegolten. „Man hat kein Recht auf Nennung. Teilweise war mir das auch sehr recht. Ich muss mich nicht fragen, ob ich zu diesem Buch stehe.“
Als Dienstleister, auch Geburtshelfer für einen Text beschreibt Vitouch, der mittlerweile Textchef beim Magazin „Datum“ist, seine frühere Aufgabe, die sehr unterschiedlich ausfallen konnte: „Ghostwriting kann heißen, man schreibt alles selbst. Oder es ist ein gemeinsamer Prozess des Erarbeitens mit vielen Feedbackschleifen.“
Es gebe Personen, die ihre Erzählung quasi diktieren, manche würden genau bestimmen wollen, was in ihrem Buch steht, andere ließen ihn machen und schauten am Ende drüber, um etwaige Fehler auszubessern. „Selbst schreiben“– im Sinne von händischem Tippen – „tun sie nie“. 7000 Euro bekam er vor einigen Jahren für eine Autobiografie. „Heute würde ich das Doppelte verlangen.“
Fremde Worte aus Ich-Perspektive
Die Kunst des Ghostwritings sei es, den Ton und Sprachduktus der Person zu treffen, dabei aber zugleich nicht zu mündlich zu klingen. „Fast immer ist es so, dass die Leute von der ersten Fassung entsetzt sind. Sie sagen entweder: Das klingt nicht nach mir! Oder: So kann man doch kein Buch schreiben! Wenn man etwas aus der Ich-Perspektive liest, was man nicht selbst geschrieben hat, dann fühlt sich das im ersten Moment falsch an. Das erzeugt so ein gruseliges Fremdheitsgefühl.“
Nach nur einem Überarbeitungsschritt seien seine Projektpartner aber stets begeistert gewesen: „Unglaublich, wie Sie das getroffen haben!“Am Ende müssen sie selbst zu dem Geschriebenen stehen. Eine Schauspielerin, die als Autorin auftrat, sah Vitouch einmal im Fernsehen: „Das war lustig. Da sitzt sie und spricht über das Schreiben: ,Ein ganz schwieriger Prozess.’ Da musste ich lachen: Stimmt!“
Aus anderen Gründen schwierig erwies sich die Entstehung der Biografie „Kommen Sie näher“, die im vergangenen Herbst über den verstorbenen Schauspieler Peter Simonischek erschien. „Peter Simonischek mit Saskia Jungnikl-Gossy“steht auf dem Cover. Der Molden-Verlag – der gerade auch ein Sachbuchstipendium für biografisches Schreiben vergibt, in Kooperation mit der „Presse“(Einreichfrist: 8. April) – hatte die Journalistin und Autorin mit Simonischek zusammengebracht.
In erst sporadischen, bald wöchentlichen Treffen nahmen sich die beiden vor, Rückschau zu halten. Das Sterben – und das Leben im Angesicht des Todes – seien als