Das schätzten Zeitgenossen höher als Mozart
Im Museumsquartier wagte man sich konzertant an Cimarosas „L’Olimpiade“.
Domenico Cimarosa war zu seiner Zeit in Wien zwar nicht so populär wie Paisiello, Salieri oder Martín y Soler. Aber er wurde schon vor seinem Megahit „Il matrimonio segreto“deutlich öfter aufgeführt als Mozart. „L’Olimpiade“– basierend auf Pietro Metastasios populärstem Libretto – wurde bisher allerdings noch nie in Wien gespielt. Das hat sich jetzt dank des Musiktheaters an der Wien geändert. Dass man die Qualitätsgaranten in Form von Christophe Rousset und seinen Talens Lyriques zur Hand hatte, um auf den vermeintlichen Opernspatzen zu schießen, lohnte sich. Kann man doch nur so herausfinden, ob es denn wirklich ein Spatz ist oder die Vernachlässigung des Werks den Kaprizen der Rezeptionsgeschichte geschuldet ist.
Schöne Momente, viele Längen
Ein englisches Sprichwort besagt, dass die Qualität des Puddings beim Essen bestimmt wird. Es ist ein Privileg für jede Generation, die das für sich herausfinden darf. Allein deshalb schon sind die Bemühungen des Theaters an der Wien Gold wert. Aber … „L’Olimpiade“kommt in der schon damals altmodischen Form der Opera seria und die Neuerungen und Feinheiten, mit denen der Komponist seine Oper gespickt hat, gehen heutzutage unter. Man müsste wohl sehr tief in die Materie tauchen, um so manche Nuance entsprechend zu würdigen. Wobei da das Heilmittel eventuell schlimmer als die Krankheit wäre. Was bleibt, sind ein hinreißendes Finalensemble, einzelne schöne Momente – und viele Längen.
Da wäre einerseits die etwas eintönige Instrumentierung, in der das Streichorchester nur hin und wieder von Bläsern aufgelockert wird. Bei aller Qualität hätte man sich hier auch von Rousset und Les Talens Lyriques doch etwas mehr Spritzigkeit gewünscht. Immerhin eine wunderbar lyrische Cellokantilene stach heraus. Die Barockoboen, im Duett mit einer Arie der Aristea sowie in der Gruppe, kieksten derweil nasal und krumm.
Cimarosa versucht zwar, den höfischen, steifen Stoff von Potentatenhuldigung auf Liebesgeschichte zu trimmen, aber die Emotionen haben trotzdem noch die Komplexität eines Lichtschalters: an, aus. Die griechischantik verpackte Verwechslungsgeschichte bannt bedingt. Und auch schöne Arien überleben ihre Anmut, wenn sie acht Minuten brauchen, um zwei Sätze zu formulieren. Da bleibt bei einer konzertanten Produktion nur der Gesang als potenzielle Attraktion. „L’Olimpiade“entstand einst ja als Vehikel für die berühmtesten Sänger. Diesmal hieß es: „Ja, aber …“. Denn Rousset setzt auf einerseits ausgezeichnete, andererseits junge, recht neutrale Stimmen, auf ihre Art grundsolid, sogar bewundernswert, die meisten der zum Teil außerordentlichen Schwierigkeiten glänzend meisternd. Selten aber klingen sie einprägsam.
Eine andere Königin der Nacht
Immerhin: Josh Lovells König Clistene zeigte, trotz genudelter Koloraturen und der Tendenz, die Stimme tief in die Stirn zu ziehen, Stärke und Charakter. Rocío Pérez, als Königstochter Aristea, hatte Königin-derNacht-ähnliche Herausforderungen zu meistern. Sie tat das mit Bravour und leichter, etwas spitzer Stimme.
Mathilde Ortscheidt in der Hosenrolle des Licida zerspringt vor Potenzial, mit ihrem leicht angepressten, vollmundigen Organ, dessen natürliches Volumen und harmonischer, breiter Ton dem Ohr schmeicheln. Ob das genügte, um Kurzweil zu schaffen?