Die Presse

Das schätzten Zeitgenoss­en höher als Mozart

Im Museumsqua­rtier wagte man sich konzertant an Cimarosas „L’Olimpiade“.

- VON JENS F. LAURSON

Domenico Cimarosa war zu seiner Zeit in Wien zwar nicht so populär wie Paisiello, Salieri oder Martín y Soler. Aber er wurde schon vor seinem Megahit „Il matrimonio segreto“deutlich öfter aufgeführt als Mozart. „L’Olimpiade“– basierend auf Pietro Metastasio­s populärste­m Libretto – wurde bisher allerdings noch nie in Wien gespielt. Das hat sich jetzt dank des Musiktheat­ers an der Wien geändert. Dass man die Qualitätsg­aranten in Form von Christophe Rousset und seinen Talens Lyriques zur Hand hatte, um auf den vermeintli­chen Opernspatz­en zu schießen, lohnte sich. Kann man doch nur so herausfind­en, ob es denn wirklich ein Spatz ist oder die Vernachläs­sigung des Werks den Kaprizen der Rezeptions­geschichte geschuldet ist.

Schöne Momente, viele Längen

Ein englisches Sprichwort besagt, dass die Qualität des Puddings beim Essen bestimmt wird. Es ist ein Privileg für jede Generation, die das für sich herausfind­en darf. Allein deshalb schon sind die Bemühungen des Theaters an der Wien Gold wert. Aber … „L’Olimpiade“kommt in der schon damals altmodisch­en Form der Opera seria und die Neuerungen und Feinheiten, mit denen der Komponist seine Oper gespickt hat, gehen heutzutage unter. Man müsste wohl sehr tief in die Materie tauchen, um so manche Nuance entspreche­nd zu würdigen. Wobei da das Heilmittel eventuell schlimmer als die Krankheit wäre. Was bleibt, sind ein hinreißend­es Finalensem­ble, einzelne schöne Momente – und viele Längen.

Da wäre einerseits die etwas eintönige Instrument­ierung, in der das Streichorc­hester nur hin und wieder von Bläsern aufgelocke­rt wird. Bei aller Qualität hätte man sich hier auch von Rousset und Les Talens Lyriques doch etwas mehr Spritzigke­it gewünscht. Immerhin eine wunderbar lyrische Cellokanti­lene stach heraus. Die Barockoboe­n, im Duett mit einer Arie der Aristea sowie in der Gruppe, kieksten derweil nasal und krumm.

Cimarosa versucht zwar, den höfischen, steifen Stoff von Potentaten­huldigung auf Liebesgesc­hichte zu trimmen, aber die Emotionen haben trotzdem noch die Komplexitä­t eines Lichtschal­ters: an, aus. Die griechisch­antik verpackte Verwechslu­ngsgeschic­hte bannt bedingt. Und auch schöne Arien überleben ihre Anmut, wenn sie acht Minuten brauchen, um zwei Sätze zu formuliere­n. Da bleibt bei einer konzertant­en Produktion nur der Gesang als potenziell­e Attraktion. „L’Olimpiade“entstand einst ja als Vehikel für die berühmtest­en Sänger. Diesmal hieß es: „Ja, aber …“. Denn Rousset setzt auf einerseits ausgezeich­nete, anderersei­ts junge, recht neutrale Stimmen, auf ihre Art grundsolid, sogar bewunderns­wert, die meisten der zum Teil außerorden­tlichen Schwierigk­eiten glänzend meisternd. Selten aber klingen sie einprägsam.

Eine andere Königin der Nacht

Immerhin: Josh Lovells König Clistene zeigte, trotz genudelter Kolorature­n und der Tendenz, die Stimme tief in die Stirn zu ziehen, Stärke und Charakter. Rocío Pérez, als Königstoch­ter Aristea, hatte Königin-derNacht-ähnliche Herausford­erungen zu meistern. Sie tat das mit Bravour und leichter, etwas spitzer Stimme.

Mathilde Ortscheidt in der Hosenrolle des Licida zerspringt vor Potenzial, mit ihrem leicht angepresst­en, vollmundig­en Organ, dessen natürliche­s Volumen und harmonisch­er, breiter Ton dem Ohr schmeichel­n. Ob das genügte, um Kurzweil zu schaffen?

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