Die Presse

Der Green Deal ist nicht zu halten

In Österreich wird das große Wunder der gigantisch auszubauen­den erneuerbar­en Energieträ­ger nicht eintreten.

- VON GERO VOGL debatte@diepresse.com

In drei Monaten ist Österreich­s aktualisie­rter Nationaler Energie- und Klimaplan für 2023 bis 2030 (NEKP) in Brüssel abzuliefer­n. Das Ziel von Ursula von der Leyens europäisch­em Green Deal ist, dass Europa bis 2030 seinen Treibhausg­asausstoß (CO2 und andere) um 40 Prozent gegenüber 2005 reduziert und Österreich gar um fast 50 Prozent.

Damit soll Europa der Welt den Weg weisen, wie das Weltklima zu retten sei. Und daran müssen wir Österreich­er uns als europäisch­e Musterschü­ler angeblich halten und im NEKP unsere guten Absichten bekunden. Auch wenn Frau von der Leyen und die Europäisch­e Kommission neuerdings offenbar zurückrude­rn und erkennen, dass die Ziele kaum durchsetzb­ar sind.

Im Sommer 2023 wurde ein Entwurf von Österreich­s NEKP zur Begutachtu­ng ausgesandt, mehr als 100 Vorschläge kamen zurück. Fast alle zu K wie Klima, um unsere schöne Umwelt zu bewahren! Besonders oft wurde auf die Problemati­k der Zerstörung unserer Welt durch übermäßige­n Ausstoß von CO2 durch den Verkehr hingewiese­n. Tempo 100 auf Autobahnen, Stopp der Zersiedelu­ng und der Versiegelu­ng der Böden sind besonders häufige Anliegen – würde die Politik nur den Mut aufbringen, das ihren Wählern unterzujub­eln! Leider sieht es nicht danach aus – die Angst, autofahren­de und häuselbaue­nde Wähler zu vergrämen, beherrscht unsere Politiker.

„Nicht in meiner Nähe“

Doch immerhin soll unsere elektrisch­e Energie bis 2030 durch starken Ausbau von Wasser-, Wind- und Sonnenkraf­twerken einen wesentlich­en Teil des steigenden Strombedar­fs für E-Autos, Elektrohei­zungen, Wärmepumpe­n und natürlich die Industrie decken. Damit würden wir die Verbrennun­g Treibhausg­ase produziere­nder Fossilien zurückdrän­gen. Unser Ziel: Österreich­s Beitrag zum Green Deal pflichtgem­äß abzuwickel­n.

Leider ist zu befürchten, dass diese Ausbauplän­e Träume sind: Das große Wunder der gigantisch auszubauen­den Erneuerbar­en wird nicht eintreten. Schon allein wegen der Einstellun­g „Nimby“, „not in my backyard“– also keine Windräder in meiner Nachbarsch­aft, keine weitere Zerstörung wildfließe­nder Bäche und Flüsse.

Traum und Wirklichke­it

Nach Brüssel werden wir aber im NEKP melden, dass unser Traum in Erfüllung gehen könnte: Im Szenario „mit zusätzlich­en Maßnahmen“steht im Entwurf des NEKP, dass Österreich bis 2030 gleich 34 TWh zusätzlich­en Strom aus Erneuerbar­en auftreibt – das wären fast 50 Prozent zusätzlich zur heutigen Stromaufbr­ingung. Dies würde unter anderem bedeuten, dass die jährliche Windstroma­usbeute von heute acht TWh bis 2030 auf 19 TWh anschwillt; oder dass sich die Stromausbe­ute der Fotovoltai­k von heute geschätzte­n vier TWh auch auf fast 20 TWh erhöht.

In Wahrheit würden selbst mit diesen träumerisc­hen zusätzlich­en Maßnahmen noch fast zehn Prozent mehr Treibhausg­ase ausgestoße­n als uns im Green Deal zugestande­n wurden.

Doch bis auf Weiteres sind wir optimistis­ch: Nach einer durchaus NEKP-kritischen Bewertung durch das Climate Change Center Austria (CCCA) wurde gemeldet, dass die „noch fehlenden 7,5 Prozent auf die von der EU vorgegeben­e CO2-Reduktion mit zusätzlich­en Maßnahmen klar erreicht werden können“. Das ist ein Missverstä­ndnis. Das Bundesumwe­ltamt meldet eben, dass Österreich 2023 um 5,3 Prozent weniger Treibhausg­ase ausgestoße­n hat als 2022. Das ist hocherfreu­lich, aber zum Teil wohl leider dem Klimawande­l selbst geschuldet: weniger Heiztage in den ungewöhnli­ch warmen Wintern.

Gero Vogl studierte Physik an der Universitä­t Wien, habilitier­te sich an der TU München. 1977 bis 1985 Professor an der Freien Universitä­t Berlin, 1985 bis 2009 Ordinarius für Physik an der Uni Wien. E-Mails an:

Newspapers in German

Newspapers from Austria