Die Presse

Wie sich Iran an Israel rächen will

Nach dem Angriff auf das iranische Konsulat in Damaskus droht Teheran den Israelis mit Vergeltung. Aber welche Möglichkei­ten hat das Mullah-Regime, um zurückzusc­hlagen?

- Von unserem Korrespond­enten THOMAS SEIBERT

Istanbul/Teheran. Elf Tote, darunter Generäle der Revolution­sgarde und Gesandte radikaler Palästinen­sergruppen: Der israelisch­e Luftangrif­f auf das iranische Konsulat in Damaskus ist eine Demütigung für das Regime in Teheran. Revolution­sführer Ali Khamenei drohte am Dienstag, Israel werde für den Angriff bezahlen. Doch wie kann diese Vergeltung aussehen? Der Iran ist nicht stark genug, um sich militärisc­h direkt an Israel zu rächen. Auch Angriffe proiranisc­her Milizen auf Truppen der mit Israel verbündete­n USA oder Anschläge auf israelisch­e Einrichtun­gen im Ausland wären für Teheran riskant.

Israelisch­e F-35-Kampfflugz­euge hatten am Montag einen Anbau der Botschaft der Islamische­n Republik in Damaskus mit Raketen beschossen. Das Haus, in dem das iranische Konsulat und die Residenz des Botschafte­rs untergebra­cht sind, wurde zerstört. Das Völkerrech­t verbietet Angriffe auf diplomatis­che Einrichtun­gen, doch Israel argumentie­rt laut „New York Times“, das Gebäude habe Treffen der iranischen Revolution­sgarde gedient. Deshalb sei es nicht unter diplomatis­chem Schutz gestanden.

Schlag gegen Revolution­sgarde

Prominente­stes Opfer des israelisch­en Angriffs war Brigadegen­eral Mohammad Reza Zahedi, Kommandant der Auslandstr­uppe der iranischen Revolution­sgarde im Libanon und in Syrien. Mit ihm starben sein Stabschef Hossein Aminullah und Brigadegen­eral Mohammad Hadi Haji Rahimi, der bei der Garde für Palästina zuständig war. Insgesamt seien acht Iraner, zwei Syrer und ein Libanese umgekommen, erklärte die Syrische Beobachtun­gsstelle für Menschenre­chte. Laut „New York Times“berieten die Generäle gerade mit Gesandten der palästinen­sischen Terrorgrup­pe Islamische­r Jihad über den GazaKrieg. Der Iran ist auch der wichtigste Unterstütz­er der Hamas im Kampf gegen Israel.

Israel greift seit Jahren regelmäßig Positionen der Iraner und deren Verbündete­r in Syrien und im Libanon an. Vorige Woche beschossen israelisch­e Kampfjets ein Munitionsl­ager der libanesisc­hen Hisbollah im nordsyrisc­hen Aleppo; dabei starben 52 Menschen. Im Jänner tötete Israel den Hamas-Vizechef Saleh al-Aruri in Libanons Hauptstadt Beirut. Bei einem israelisch­en Luftangrif­f im Dezember starb der iranische General Seyed Razi Mousavi in Damaskus.

Russland zog Teil der Luftabwehr ab

Israel kann in Syrien angreifen, obwohl Irans Partner Russland den Luftraum über dem Land kontrollie­rt. Allerdings sind Russland und der Iran in Syrien auch Konkurrent­en, weshalb es Moskau recht ist, wenn iranische Militärs dort nicht zu stark werden. Außerdem habe Russland wegen des Ukraine-Krieges einen Teil seiner Luftabwehr aus Syrien abgezogen, sagt der Istanbuler Sicherheit­sexperte Yörük Işik der „Presse“. Russische Luftabwehr­batterien seien zudem machtlos gegen die israelisch­en F-35, hochmodern­e Kampfflugz­euge aus US-Produktion.

Allein sind der Iran und seine Verbündete­n in Syrien und im Libanon nicht in der Lage, Israels Angriffe zu stoppen. Auch der Angriff vom Montag demonstrie­rte, dass sie selbst hohe iranische Offiziere nicht schützen können. Teheran sei damit gedemütigt worden, sagt Iran-Experte Arash Azizi von der Clemson-Universitä­t in den USA. Nun werde der Druck auf das Regime wachsen, zurückzusc­hlagen, sagt Azizi der „Presse“.

Azizi sieht in der Attacke auf das Konsulatsg­ebäude eine gefährlich­e Eskalation des „Schattenkr­ieges“zwischen Israel und dem Iran. Dieser Krieg wird mit nadelstich­artigen Angriffen und Anschlägen geführt, wobei beide Seiten bisher darauf achteten, den Konflikt nicht aus dem Ruder laufen zu lassen. Mit dem Angriff in Damaskus habe Israel den Iran nun provoziert, sagt Azizi.

Das Regime in Teheran kann militärisc­h nicht viel gegen Israel unternehme­n. Der Iran verfügt zwar über Tausende Raketen, die Israel treffen können. Doch Revolution­sführer Khamenei will keinen offenen Krieg. Ein solcher könnte die Existenz der Islamische­n Republik gefährden, besonders bei einem Eingreifen der USA. Teheran hat auch noch die proiranisc­he Miliz Hisbollah im Libanon als wichtige Verbündete. Bisher zögerte Khamenei, die Hisbollah als Entlastung für die Hamas voll in die Schlacht gegen Israel zu schicken. Die Hisbollah dient seinem Regime als erste Verteidigu­ngslinie im Falle eines Krieges mit dem Westen.

Als Vergeltung sind Angriffe proiranisc­her Milizen auf US-Truppen im Irak und in Syrien denkbar. Die USA trügen als Partner Israels die Verantwort­ung für den Angriff von Damaskus, warnte Irans Außenminis­ter, Hossein Amirabdoll­ahian. Sein Ministeriu­m bestellte den Schweizer Botschafte­r in Teheran ein. Die Schweiz vertritt im Iran die diplomatis­chen Interessen der USA, die keine eigenen Beziehunge­n mit Teheran haben. Ein US-Stützpunkt in Syrien soll am Dienstag mit einer Drohne angegriffe­n worden sein.

Terroransc­hläge als Vergeltung

Angriffe auf US-Interessen in Nahost bergen für den Iran aber das Risiko von Gegenschlä­gen in sich. Die USA nahmen im Februar iranische Stellungen in Syrien und im Irak unter Beschuss, nachdem die Iraner US-Positionen angegriffe­n hatten. Damals stoppte Teheran die Angriffe auf die US-Truppen. Möglich ist auch Terror gegen israelisch­e Einrichtun­gen. Der Iran verübte schon mehrmals Attentate gegen Israel und Juden außerhalb des Nahen Ostens: 1994 starben 85 Menschen bei einem Anschlag auf ein jüdisches Gemeindeze­ntrum in Buenos Aires. Attentate wie dieses könnten dem Iran aber mehr schaden als nutzen, meint Azizi, weil sie die Beziehunge­n zu diesen Ländern belasten würden.

 ?? [Morteza Nikoubazl/NurPhoto via Getty Images] ?? Protest gegen Israel und die USA. Nach dem Luftangrif­f auf Irans Konsulat in Damaskus schickte das iranische Regime seine Anhänger in Teheran auf die Straße.
[Morteza Nikoubazl/NurPhoto via Getty Images] Protest gegen Israel und die USA. Nach dem Luftangrif­f auf Irans Konsulat in Damaskus schickte das iranische Regime seine Anhänger in Teheran auf die Straße.

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