Gut kommt da keiner weg: Der Fall Ott als Mahnmal
Österreich hat seine Spionageabwehr jahrelang vernachlässigt und seine Russlandfreundlichkeit gepflegt. In der Causa Ott könnte sich das nun rächen.
Spionageaffären suchten zuletzt mehrere europäische Länder heim. Deutschland, Polen, Großbritannien, Slowenien, Lettland und Estland: Es sind nur einige der Staaten, in denen mutmaßliche russische Spione aufgeflogen sind. Dass sich Österreich mit der Causa des Ex-Verfassungsschützers Egisto Ott in die Riege einreiht, verwundert nicht. Als Sitz internationaler Organisationen und Ost-WestDrehscheibe ist Wien für Russlands Geheimdienste ein wichtiger Standort. Laut einem Bericht der „Financial Times“werden aus Wien und Genf ein Drittel aller russischen Spionageoperationen geleitet.
Doch offenbart die Causa Ott im internationalen Vergleich doch einige österreichische Besonderheiten. Vor allem der Ablauf der Spionageaffäre und das Ausmaß der Vorwürfe sind erstaunlich. Ausländische Partner warnten Österreich bereits im Jänner 2017, dass Ott für Russland spionieren könnte. Ott wurde zunächst suspendiert, strafrechtliche Ermittlungen wurden gegen ihn gestartet. Der Verdacht gegen ihn lag also klar auf dem Tisch: Es handelte sich bei Ott nicht um einen Meisterspion, der sich im Verborgenen hielt und die Behörden überlistete. Dennoch soll Ott jahrelang eine Spionagezelle in Österreich geführt, Staatsgeheimnisse abgesaugt und den Russen verraten haben. Wie ist das möglich?
Dass Österreichs Spionageabwehr im internationalen Vergleich eher bescheiden aufgestellt ist, ist seit Jahren bekannt. Ausländische Geheimdienstler, die in Wien stationiert waren, schwärmen davon, was für ein „bequemes Land“Österreich nicht für sie gewesen sei, wie frei sie hätten agieren können. Fremden Mächten konnte wenig passieren, solang sie in Österreich keine Anschläge verübten, so der ungeschriebene Deal. Dazu passt die Gesetzgebung: Spionage ist nur zum Nachteil Österreichs, nicht aber zum Nachteil anderer Staaten oder internationaler Organisationen strafbar.
Möglicherweise mag dieses Arrangement für das neutrale Österreich seine Vorteile gehabt haben, es vor manch Anschlägen bewahrt und seine Rolle als OstWest-Drehscheibe gestärkt haben. Doch die fehlende Tradition und die fehlenden Strukturen bei der Spionageabwehr könnten sich nun eben rächen wie in der Causa Ott. Sollten sich die Vorwürfe gegen Ott bewahrheiten, offenbart das eine behördenübergreifende Pleite.
Zunächst müssten sich die Sicherheitsbehörden fragen, ob sie Ott ausreichend überwacht und Staatsgeheimnisse geschützt haben. Wenn er derart exponiert war, wie konnte er dann derart weitreichend und langfristig agieren, wie es die Vorwürfe suggerieren? Bezeichnend ist ja auch: Nicht Erkenntnisse des heimischen Verfassungsschutzes haben zu Otts erneuter Festnahme geführt, sondern Hinweise aus Großbritannien.
Österreichs Justiz kommt in der Causa ebenfalls schlecht weg. Die Rolle der WKStA bei der von ihr angeordneten BVTRazzia wird immer fragwürdiger: Die Behörde stützte sich auf ein anonymes Konvolut, das möglicherweise von Ott mitverfasst wurde, und auf mehrere ihm nahestehende Belastungszeugen. Und auch die Entscheidung, Ott nach seiner ersten Festnahme im Jahr 2021 zu enthaften, ist hinterfragenswert. Immerhin soll er danach unbehelligt weiter spioniert haben.
Politisch tagt zwar nun der Nationale Sicherheitsrat in der Causa. Eine gewinnbringende Debatte über Österreichs Sicherheitslandschaft darf aber gerade in Wahlkampfzeiten nicht erwartet werden. Stattdessen überschütten sich die Parteien bereits gegenseitig mit Vorwürfen. Dabei fanden Russland und Putin nicht nur in der FPÖ ihre Sympathisanten, von Bundespräsident Heinz Fischer abwärts bis hin zum Wirtschaftskammer-Flügel der ÖVP standen die Bewunderer Schlange.
Auch bei Ott schoben Politiker fast jeder Couleur den Vorwurf der RusslandSpionage beiseite und trafen sich rund um die U-Ausschüsse mit ihm. Dieses Biotop der Russlandfreundlichkeit begünstigte, dass sich in den Sicherheitsbehörden und im Militär mit dem Kreml sympathisierende Zellen bildeten. All das müsste aufgearbeitet werden – und zwar ohne die Absicht, dadurch Munition für die Nationalratswahl zu sammeln.