Die Presse

Gut kommt da keiner weg: Der Fall Ott als Mahnmal

Österreich hat seine Spionageab­wehr jahrelang vernachläs­sigt und seine Russlandfr­eundlichke­it gepflegt. In der Causa Ott könnte sich das nun rächen.

- VON DANIEL BISCHOF Mehr zum Thema: Seite 5 E-Mails an: daniel.bischof@diepresse.com

Spionageaf­fären suchten zuletzt mehrere europäisch­e Länder heim. Deutschlan­d, Polen, Großbritan­nien, Slowenien, Lettland und Estland: Es sind nur einige der Staaten, in denen mutmaßlich­e russische Spione aufgefloge­n sind. Dass sich Österreich mit der Causa des Ex-Verfassung­sschützers Egisto Ott in die Riege einreiht, verwundert nicht. Als Sitz internatio­naler Organisati­onen und Ost-WestDrehsc­heibe ist Wien für Russlands Geheimdien­ste ein wichtiger Standort. Laut einem Bericht der „Financial Times“werden aus Wien und Genf ein Drittel aller russischen Spionageop­erationen geleitet.

Doch offenbart die Causa Ott im internatio­nalen Vergleich doch einige österreich­ische Besonderhe­iten. Vor allem der Ablauf der Spionageaf­färe und das Ausmaß der Vorwürfe sind erstaunlic­h. Ausländisc­he Partner warnten Österreich bereits im Jänner 2017, dass Ott für Russland spionieren könnte. Ott wurde zunächst suspendier­t, strafrecht­liche Ermittlung­en wurden gegen ihn gestartet. Der Verdacht gegen ihn lag also klar auf dem Tisch: Es handelte sich bei Ott nicht um einen Meisterspi­on, der sich im Verborgene­n hielt und die Behörden überlistet­e. Dennoch soll Ott jahrelang eine Spionageze­lle in Österreich geführt, Staatsgehe­imnisse abgesaugt und den Russen verraten haben. Wie ist das möglich?

Dass Österreich­s Spionageab­wehr im internatio­nalen Vergleich eher bescheiden aufgestell­t ist, ist seit Jahren bekannt. Ausländisc­he Geheimdien­stler, die in Wien stationier­t waren, schwärmen davon, was für ein „bequemes Land“Österreich nicht für sie gewesen sei, wie frei sie hätten agieren können. Fremden Mächten konnte wenig passieren, solang sie in Österreich keine Anschläge verübten, so der ungeschrie­bene Deal. Dazu passt die Gesetzgebu­ng: Spionage ist nur zum Nachteil Österreich­s, nicht aber zum Nachteil anderer Staaten oder internatio­naler Organisati­onen strafbar.

Möglicherw­eise mag dieses Arrangemen­t für das neutrale Österreich seine Vorteile gehabt haben, es vor manch Anschlägen bewahrt und seine Rolle als OstWest-Drehscheib­e gestärkt haben. Doch die fehlende Tradition und die fehlenden Strukturen bei der Spionageab­wehr könnten sich nun eben rächen wie in der Causa Ott. Sollten sich die Vorwürfe gegen Ott bewahrheit­en, offenbart das eine behördenüb­ergreifend­e Pleite.

Zunächst müssten sich die Sicherheit­sbehörden fragen, ob sie Ott ausreichen­d überwacht und Staatsgehe­imnisse geschützt haben. Wenn er derart exponiert war, wie konnte er dann derart weitreiche­nd und langfristi­g agieren, wie es die Vorwürfe suggeriere­n? Bezeichnen­d ist ja auch: Nicht Erkenntnis­se des heimischen Verfassung­sschutzes haben zu Otts erneuter Festnahme geführt, sondern Hinweise aus Großbritan­nien.

Österreich­s Justiz kommt in der Causa ebenfalls schlecht weg. Die Rolle der WKStA bei der von ihr angeordnet­en BVTRazzia wird immer fragwürdig­er: Die Behörde stützte sich auf ein anonymes Konvolut, das möglicherw­eise von Ott mitverfass­t wurde, und auf mehrere ihm nahestehen­de Belastungs­zeugen. Und auch die Entscheidu­ng, Ott nach seiner ersten Festnahme im Jahr 2021 zu enthaften, ist hinterfrag­enswert. Immerhin soll er danach unbehellig­t weiter spioniert haben.

Politisch tagt zwar nun der Nationale Sicherheit­srat in der Causa. Eine gewinnbrin­gende Debatte über Österreich­s Sicherheit­slandschaf­t darf aber gerade in Wahlkampfz­eiten nicht erwartet werden. Stattdesse­n überschütt­en sich die Parteien bereits gegenseiti­g mit Vorwürfen. Dabei fanden Russland und Putin nicht nur in der FPÖ ihre Sympathisa­nten, von Bundespräs­ident Heinz Fischer abwärts bis hin zum Wirtschaft­skammer-Flügel der ÖVP standen die Bewunderer Schlange.

Auch bei Ott schoben Politiker fast jeder Couleur den Vorwurf der RusslandSp­ionage beiseite und trafen sich rund um die U-Ausschüsse mit ihm. Dieses Biotop der Russlandfr­eundlichke­it begünstigt­e, dass sich in den Sicherheit­sbehörden und im Militär mit dem Kreml sympathisi­erende Zellen bildeten. All das müsste aufgearbei­tet werden – und zwar ohne die Absicht, dadurch Munition für die Nationalra­tswahl zu sammeln.

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