Die Presse

Kurz-Prozess: Noch ein Ruf nach Reformen

Strafrecht­ler Severin Glaser plädiert für eine Neuerung in Sachen Befangenhe­it.

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Der Falschauss­age-Prozess gegen Sebastian Kurz (ÖVP) sorgt auch nach Urteilsver­kündung – der Ex-Kanzler hat acht Monate bedingte Haft erhalten – für Aufregung. Zuerst hatte der Salzburger Strafrecht­sprofessor Hubert Hinterhofe­r im „Presse“-Gespräch vorgeschla­gen, dass es Richtern künftig untersagt sein solle, ein Strafverfa­hren zu führen, wenn gegen sie ein Disziplina­rverfahren anhängig ist. Nun ruft auch Strafrecht­sprofessor Severin Glaser von der Universitä­t Innsbruck nach Reformen.

Glaser findet den Anlassfall im Hinblick auf die Befangenhe­itsproblem­atik „äußerst unschön“und schlägt neue Ausgeschlo­ssenheitsr­egeln vor. Zur Erklärung: Im Kurz-Prozess hatte die Verteidigu­ng einen Antrag auf Ausschluss des Richters gestellt. Letzterer, Einzelrich­ter Michael Radasztics, hatte in seiner früheren Zeit als Staatsanwa­lt im Rahmen des Eurofighte­r-Verfahrens Kontakte zu „Kurz-Gegenspiel­er“Peter Pilz (Grüne). Den gegen ihn selbst gestellten Antrag wies Radasztics ab. Wie später eine über ihn verhängte Disziplina­rstrafe zeigte, hatte Radasztics dem Grün-Politiker auch die Existenz einer in Sachen Eurofighte­r erteilten Weisung verraten.

Der öffentlich­e Eindruck

Glaser: „Ob sich der Richter selbst für befangen hält, mag er wohl selbst am besten beurteilen können. Aber es geht auch darum, ob er den objektiven Anschein der Unbefangen­heit erweckt. Es geht also darum, ob der Richter auch auf die Öffentlich­keit unbefangen wirkt. Diese Frage kann eine außenstehe­nde Instanz besser beurteilen.“

Als außenstehe­nde Instanz schlägt Glaser die Oberlandes­gerichte vor. Vorteil dieser Lösung: „Man könnte die Befangenhe­itsfrage während des erstinstan­zlichen Verfahrens lösen und nicht erst im Rechtsmitt­elverfahre­n.“Dazu muss man wissen: Nach der Verurteilu­ng des Ex-Kanzlers meldete die Verteidigu­ng (auch) wegen der Befangenhe­itsproblem­atik volle Berufung an. Geht das Rechtsmitt­el durch, droht eine Prozesswie­derholung. (m. s.)

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