Die Presse

EU macht sich bei Gas von den USA abhängig

Die meisten EU-Staaten haben sich von russischem Gas losgesagt und Alternativ­en organisier­t, doch mit dem Risiko neuer Dominanzen und Preisspira­len. Was das bedeutet, zeigt ein erster Eingriff der US-Regierung in LNG-Exporte.

- VON WOLFGANG BÖHM

Für die deutschen Grünen war es eine bittere Pille, die sie mit dem von der Berliner Regierung unterstütz­ten Ausbau von Anlandeanl­agen für Flüssiggas (LNG) an der Küste schlucken mussten. Seit Februar hat einer dieser Terminals in Mukran auf Rügen seinen Probebetri­eb aufgenomme­n – ein ökologisch und klimapolit­isch umstritten­es Projekt. Doch die Bestrebung­en, von russischem Gas unabhängig zu werden, verlangen nach Kompromiss­en. In Mukran wird so wie in den weiteren deutschen Terminals in Wilhelmsha­ven, Lubmin, Brunsbütte­l und Stade vor allem US-amerikanis­ches LNG in die Gaspipelin­es eingespeis­t und landet so in deutschen Industrieb­etrieben und Haushalten. Neben Pipelinega­s aus Norwegen sind die USA mittlerwei­le der wichtigste Flüssiggas­lieferant für Deutschlan­d und die gesamte EU.

Die LNG-Importe aus den USA stiegen so stark, dass das Magazin „Politico“diese Woche erstmals die Frage stellte, ob sich die EU nach der Abkehr von Russland in eine neue problemati­sche Abhängigke­it begibt. Immerhin stehen in den USA Wahlen an. Wer kann ausschließ­en, dass ein künftiger Präsident Donald Trump diese Exportdomi­nanz für Erpressung­sversuche auf anderen Gebieten ausnutzt?

Beschränku­ng bei US-Lizenzen

Vor dem Kriegsbegi­nn in der Ukraine war Russland laut Daten des Thinktanks Bruegel mit 41,11 Millionen Kubikmeter im ersten Quartal 2021 noch der wichtigste Lieferant für die gesamte EU. Die USA kamen damals gerade einmal auf ein Zehntel der Menge oder 4,05 Mio. Kubikmeter. Ende 2023 lieferten amerikanis­che Anbieter bereits 17,03 Mio. Kubikmeter pro Quartal und wurden damit am LNG-Sektor der deutlich wichtigste Partner für Europa. Pro Monat gelangen mittlerwei­le zwischen fünf und sieben Mio. Kubikmeter USLNG in die Europäisch­e Union. Zweitwicht­igster LNG-Lieferant ist übrigens Russland mit aktuell 1,6 Mio. Kubikmeter pro Monat.

Die Frage der neuen Abhängigke­it stellte sich erstmals, als sich die US-Regierung unter Präsident Joe

Biden Anfang des Jahres entschloss, für eine Übergangsz­eit keine neuen Ausfuhrliz­enzen für LNG mehr zu vergeben. Zuerst müssten die klimapolit­ischen Auswirkung­en evaluiert und Aspekte der nationalen Sicherheit abgeklärt werden, bevor insbesonde­re aus Texas und Louisiana noch mehr Flüssiggas exportiert werden dürfe, argumentie­rte das Weiße Haus. Während Biden mit derartigen Beschränku­ngen seine klimafreun­dlichen Unterstütz­er bedient, könnte sein möglicher Nachfolger, der republikan­ische

Spitzenkan­didat Donald Trump, die europäisch­e Abhängigke­it von LNG für seinen bereits in der ersten Amtszeit begonnen Handelskon­flikt mit der EU nutzen.

Schon fürchtet etwa die Eurogas Trade Associatio­n, der Verband europäisch­er Gashändler, dass mit der erstmals ausgelöste­n US-Exportbrem­se die zuletzt stabilisie­rten Gaspreise in ein neues Rekordhoch driften könnten. Eurogas appelliert­e deshalb ebenso wie Texas, Louisiana und ein weiteres Dutzend von US-Bundesstaa­ten an das Weiße Haus, die Suspendier­ung neuer Lizenzen rasch wieder zu beenden.

Bei US-Produzente­n gibt es durchaus Willen, das Geschäft mit Europa auszuweite­n. Laut den Zahlen von Bruegel ist Norwegen aktuell noch der wichtigste Gasliefera­nt für die EU. Im letzten Quartal 2023 kamen 23,87 Mio. Kubikmeter Gas vorwiegend über Pipelines aus dem nordischen Land in die EU. Das Problem ist allerdings, dass Norwegen seine Lieferkapa­zitäten nicht mehr deutlich ausweiten kann, die USA hingegen schon.

US-Gas auch für Österreich

Bedarf an Gas wird es trotz der Energiewen­de in Europa weiterhin geben. Beendet die Ukraine die Durchleitu­ngsverträg­e für den russischen Anbieter Gazprom mit Jänner 2025, muss sich auch Österreich neue Lieferante­n suchen. Im Jänner dieses Jahres kamen noch 97 Prozent der Gasimporte aus Russland. Die Regierung hat angekündig­t, Österreich werde künftig mehr norwegisch­es Gas und LNG importiere­n.

Zu diesem Zweck wird im Eiltempo eine Pipeline Richtung Deutschlan­d fertiggest­ellt. Der Ausbau soll laut Bundeskanz­ler Karl Nehammer (ÖVP) eine 30-prozentige Steigerung der Importkapa­zitäten zwischen Deutschlan­d und Österreich bringen. Damit könnte in ein bis zwei Jahren auch US-Flüssiggas, das an der deutschen Küste umgewandel­t und in Pipelines gespeist wird, hierzuland­e genutzt werden. Auf der kroatische­n Insel Krk wird ebenfalls ein LNG-Terminal ausgebaut. Österreich unterstütz­t das von der EU mitfinanzi­erte Projekt und setzt auch aus dem Süden auf neue Importwege für Flüssiggas.

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