Mehr Kokain durch das EU-Gesetz?
Perus und Kolumbiens Botschafter warnen, dass Kleinbauern künftig wegen des EU-Entwaldungsgesetzes erneut vermehrt Koka anbauen könnten.
Das ab 30. Dezember 2024 geltende EU-Gesetz zur Eindämmung der Rodung tropischer Wälder könnte einen negativen Nebeneffekt haben, warnen die Botschafter Perus und Kolumbiens bei der EU gegenüber dem Magazin „Politico“. Sie behaupten, dass es vielen kleinen Landwirten, die mittels Regierungsprogrammen vom KokaAnbau abgebracht und in Richtung legaler Feldfrüchte wie Kakao oder Kaffee gelenkt werden, unmöglich sein werde, diese EU-Vorschrift einzuhalten. Als Folge dessen würden sie sich dazu gezwungen sehen, erneut illegal Koka-Pflanzen zu kultivieren.
„Viele Kleinbauern waren früher Produzenten von Kokablättern“, sagte der peruanische Botschafter, Luis Chávez Basagoitia. „Wenn wir Schwierigkeiten haben, Kakao oder Kaffee nach Europa zu verkaufen, können wir nicht ausschließen, dass diese kleinen Produzenten wieder zu Kokablättern zurückkehren.“
Die Entwaldungsverordnung hat das Ziel, dass bestimmte Rohstoffe und Produkte, die mit Entwaldung und Waldschädigung in Verbindung stehen, künftig nicht mehr in die EU importiert werden dürfen. Das soll den kommerziellen Anreiz für Brandrodungen vor allem tropischer Wälder beseitigen, um beispielsweise Soja, Kaffee und Kakao anzubauen oder geschlägerte Edelhölzer aus ursprünglichen Wäldern zu exportieren.
Schwieriger Nachweis
Zu diesem Zweck müssen die Importeure solche Rohstoffe und Produkte nachweisen, dass sie nicht von Landflächen stammen, die nach dem Stichdatum Dezember 2020 gerodet wurden. Das ist grundsätzlich mittels Satellitenbildern eine Aufgabe von überschaubarer Komplexität. Kritiker des Gesetzes warnen jedoch davor, dass die europäischen Kaffeeröster, Importeure und Einzelhändler diese Nachweispflicht auf die Kleinbauern abwälzen oder ganz einfach nichts mehr von ihnen kaufen.
„Die EU sagt, dass sie unseren Kaffee nicht mehr importieren wird, weil es ein Problem mit Rodungen gibt. Das geben wir zu, aber wir kämpfen auch selbst dagegen. Wenn man keinen Kaffee importieren kann, werden wir mehr Drogenhandel sehen“, sagte Jorge Rojas Rodríguez, Kolumbiens Botschafter in Brüssel.
Aktivisten warnen vor PR-Trick
Umweltaktivisten wenden demgegenüber ein, dass das schlagzeilenträchtige Thema Kokain gezielt von den wahren Profiteuren des Rodens von Urwäldern – nämlich großen Agrarkonzernen – als PR-Mittel verwendet wird. Kolumbien beispielsweise legalisiere derzeit im Eiltempo Felder, die streng genommen nicht der EU-Entwaldungsverordnung entsprechen, damit sie zumindest auf dem Papier rechtskonform aussehen, sagte Julia Urrunaga, Peru-Expertin bei der Environmental Investigation Agency, einer Nichtregierungsorganisation.
Die Entwaldungsverordnung gilt für Vieh, Kakao, Kaffee, Palmöl, Kautschuk, Soja und Holz sowie für alle aus ihnen hergestellten Produkte. Bei Holz lautet die Regel, dass es nicht dadurch gewonnen werden darf, dass Urwälder abgeholzt und durch Baumplantagen ersetzt werden.