Startet nun der Kiff-Tourismus?
Drogen. In Deutschland ist Cannabis legalisiert. Ist nun Cannabis-Tourismus à la Amsterdam aus Österreich zu erwarten?
Zum Kiffen nach Deutschland? Die Cannabis-Legalisierung in Deutschland wird sich in den nächsten Wochen wohl auch in Österreich bemerkbar machen. Indem wieder über Entkriminalisierung diskutiert wird. Aber auch, weil es wohl, besonders im grenznahen Gebiet, manche zum Konsumieren nach Deutschland ziehen wird.
Was erwartet die Polizei?
Die Polizei stellt sich darauf ein, dass mehr Autolenker unter Drogeneinfluss unterwegs sein könnten, und startet in den Grenz-Bundesländern Oberösterreich, Salzburg, Tirol und Vorarlberg Schwerpunktaktionen. Die sollen bis auf Weiteres laufen, sagt der Salzburger Polizeisprecher, Hans Wolfgruber. Drogen im Straßenverkehr sind ohnehin ein Problem, das zunehmend auffällt: Die Zahl der Lenker, die unter Suchtmitteleinfluss angehalten werden, ist binnen weniger Jahre stark gestiegen. Auch, weil das besser erkannt wird: Österreichweit wurden Hunderte Polizistinnen und Polizisten speziell ausgebildet, um Drogenkonsum an Motorik, Augen, Bindehautrötung etc. zu erkennen. Auch wurde die Zahl der Schnelltestgeräte sukzessive ausgebaut. Cannabiskonsum kann damit via Speicheltest nachgewiesen werden. Ist der positiv, geht es zum Amtsarzt.
Cannabis-Tourismus im großen Stil, wie er in Richtung Niederlande stattfindet, ist erst einmal eher nicht zu erwarten. Denn freien Verkauf gibt es auch über der Grenze nicht. Erlaubt wurde lediglich, dass, wer 18 Jahre und älter ist, zu Hause bis zu 50 Gramm aufbewahren und maximal 25 Gramm mit sich führen darf. Es geht explizit um Eigengebrauch. Zu Hause dürfen drei Pflanzen angebaut werden. Der Konsum in der Öffentlichkeit ist, unter Bedingungen, erlaubt.
Ab dem Sommer sollen Anbau und Bezug primär über Klubs stattfinden: Diese „Anbauvereinigungen“dürfen maximal 500 Mitglieder haben und Cannabis in begrenzten Mengen an Mitglieder abgeben – nicht verkaufen. Auch Besucher aus Österreich dürfen dort offiziell nicht einkaufen: Mitglied werden kann nur, wer einen Hauptwohnsitz in Deutschland hat. Der freie Verkauf war angedacht, daraus wurde nichts. Angekündigt wurde, dass Produktion, Vertrieb und Verkauf in speziellen Geschäften durch Unternehmen in Pilotprojekten getestet werden soll.
Zum legalen Einkauf über die Grenze? Daraus wird also nichts. Zu erwarten sei aber, das sagt etwa Primar Hannes Bacher, der ärztliche Leiter der Suchthilfe Salzburg, dass es in der ersten Zeit einen Hype geben wird. Dass in Deutschland ein Probierkonsum stattfinden wird. Und dass auch Menschen aus Österreich über die Grenze fahren, um legal zu konsumieren.
„Man muss damit rechnen, dass mehr gekifft wird, wenn mehr THC auf dem Markt ist, auch wenn der Handel nicht erlaubt ist“, sagt Bacher. Und: „Es wird am Anfang einen Trend geben: Juhu, wir fahren nach Deutschland. Weniger, um Cannabis mitzunehmen, als um es dort zu konsumieren. Bis dann die Ersten aufklatschen werden, weil sie unter Drogeneinfluss Auto fahren oder weil sie eine Psychose entwickeln“, sagt der Suchtmediziner und betont, dass er aus medizinischer Sicht nur negative Folgen des Cannabisrauchens sieht und er klar vom Konsum abrate. Von der Polizei heißt es, man müsse abwarten, inwiefern Österreicher in Deutschland legalen Zugang zu Cannabis haben werden. Man fordere jedenfalls auf, dass, wer zum Kiffen über die Grenze fährt, nicht am Straßenverkehr teilnimmt. Fährt man dazu nach Deutschland und kommt „eingeraucht“auf dem Bahnhof wieder an, ohne Drogen einzuführen, „ist ja erst einmal noch nichts passiert“.
Was ist ohnehin erlaubt?
Primar Bacher erwartet aber außer einem kurzen Hype keinen wesentlich höheren Konsum in Österreich durch die Legalisierung in Deutschland. „Ich beobachte das seit mehr als 20 Jahren: THC-Konsum gibt es immer schon, dass das unter Strafe steht, ist eine Tatsache, ob man sich daran hält oder nicht, ist den Einzelnen überlassen.“Sprich: Wer kiffen will, kann das in Österreich relativ einfach ohnehin tun – und macht das oft auch relativ ungestört.
Entkriminalisierung wurde in Österreich oft diskutiert, zuletzt erst 2022 vom Verfassungsgerichtshof abgelehnt. Damit ist der Besitz von Cannabis strafbar (Einfuhr, Erwerb, Weitergabe, Handel, Anbau zwecks Suchtgiftgewinnung sowieso). Es drohen Haft- und Geldstrafen, aber bei kleineren Mengen gibt es den Graubereich Eigenbedarf.
Beziehungsweise gibt es in der Praxis eine gewisse Entkriminalisierung des privaten Konsums: Zwar ist grundsätzlich der Besitz kleiner Mengen strafbar, aber Staatsanwaltschaften und Gerichte können auf Strafverfolgung verzichten (oder diese für eine Probezeit zurücklegen), wenn eine gewisse Grenzmenge (20 Gramm reines THC, das entspricht 80 bis 300 Gramm Cannabisblüten) unterschritten ist.