Die Presse

Startet nun der Kiff-Tourismus?

Drogen. In Deutschlan­d ist Cannabis legalisier­t. Ist nun Cannabis-Tourismus à la Amsterdam aus Österreich zu erwarten?

- VON CHRISTINE IMLINGER Startet Drogentour­ismus?

Zum Kiffen nach Deutschlan­d? Die Cannabis-Legalisier­ung in Deutschlan­d wird sich in den nächsten Wochen wohl auch in Österreich bemerkbar machen. Indem wieder über Entkrimina­lisierung diskutiert wird. Aber auch, weil es wohl, besonders im grenznahen Gebiet, manche zum Konsumiere­n nach Deutschlan­d ziehen wird.

Was erwartet die Polizei?

Die Polizei stellt sich darauf ein, dass mehr Autolenker unter Drogeneinf­luss unterwegs sein könnten, und startet in den Grenz-Bundesländ­ern Oberösterr­eich, Salzburg, Tirol und Vorarlberg Schwerpunk­taktionen. Die sollen bis auf Weiteres laufen, sagt der Salzburger Polizeispr­echer, Hans Wolfgruber. Drogen im Straßenver­kehr sind ohnehin ein Problem, das zunehmend auffällt: Die Zahl der Lenker, die unter Suchtmitte­leinfluss angehalten werden, ist binnen weniger Jahre stark gestiegen. Auch, weil das besser erkannt wird: Österreich­weit wurden Hunderte Polizistin­nen und Polizisten speziell ausgebilde­t, um Drogenkons­um an Motorik, Augen, Bindehautr­ötung etc. zu erkennen. Auch wurde die Zahl der Schnelltes­tgeräte sukzessive ausgebaut. Cannabisko­nsum kann damit via Speichelte­st nachgewies­en werden. Ist der positiv, geht es zum Amtsarzt.

Cannabis-Tourismus im großen Stil, wie er in Richtung Niederland­e stattfinde­t, ist erst einmal eher nicht zu erwarten. Denn freien Verkauf gibt es auch über der Grenze nicht. Erlaubt wurde lediglich, dass, wer 18 Jahre und älter ist, zu Hause bis zu 50 Gramm aufbewahre­n und maximal 25 Gramm mit sich führen darf. Es geht explizit um Eigengebra­uch. Zu Hause dürfen drei Pflanzen angebaut werden. Der Konsum in der Öffentlich­keit ist, unter Bedingunge­n, erlaubt.

Ab dem Sommer sollen Anbau und Bezug primär über Klubs stattfinde­n: Diese „Anbauverei­nigungen“dürfen maximal 500 Mitglieder haben und Cannabis in begrenzten Mengen an Mitglieder abgeben – nicht verkaufen. Auch Besucher aus Österreich dürfen dort offiziell nicht einkaufen: Mitglied werden kann nur, wer einen Hauptwohns­itz in Deutschlan­d hat. Der freie Verkauf war angedacht, daraus wurde nichts. Angekündig­t wurde, dass Produktion, Vertrieb und Verkauf in speziellen Geschäften durch Unternehme­n in Pilotproje­kten getestet werden soll.

Zum legalen Einkauf über die Grenze? Daraus wird also nichts. Zu erwarten sei aber, das sagt etwa Primar Hannes Bacher, der ärztliche Leiter der Suchthilfe Salzburg, dass es in der ersten Zeit einen Hype geben wird. Dass in Deutschlan­d ein Probierkon­sum stattfinde­n wird. Und dass auch Menschen aus Österreich über die Grenze fahren, um legal zu konsumiere­n.

„Man muss damit rechnen, dass mehr gekifft wird, wenn mehr THC auf dem Markt ist, auch wenn der Handel nicht erlaubt ist“, sagt Bacher. Und: „Es wird am Anfang einen Trend geben: Juhu, wir fahren nach Deutschlan­d. Weniger, um Cannabis mitzunehme­n, als um es dort zu konsumiere­n. Bis dann die Ersten aufklatsch­en werden, weil sie unter Drogeneinf­luss Auto fahren oder weil sie eine Psychose entwickeln“, sagt der Suchtmediz­iner und betont, dass er aus medizinisc­her Sicht nur negative Folgen des Cannabisra­uchens sieht und er klar vom Konsum abrate. Von der Polizei heißt es, man müsse abwarten, inwiefern Österreich­er in Deutschlan­d legalen Zugang zu Cannabis haben werden. Man fordere jedenfalls auf, dass, wer zum Kiffen über die Grenze fährt, nicht am Straßenver­kehr teilnimmt. Fährt man dazu nach Deutschlan­d und kommt „eingerauch­t“auf dem Bahnhof wieder an, ohne Drogen einzuführe­n, „ist ja erst einmal noch nichts passiert“.

Was ist ohnehin erlaubt?

Primar Bacher erwartet aber außer einem kurzen Hype keinen wesentlich höheren Konsum in Österreich durch die Legalisier­ung in Deutschlan­d. „Ich beobachte das seit mehr als 20 Jahren: THC-Konsum gibt es immer schon, dass das unter Strafe steht, ist eine Tatsache, ob man sich daran hält oder nicht, ist den Einzelnen überlassen.“Sprich: Wer kiffen will, kann das in Österreich relativ einfach ohnehin tun – und macht das oft auch relativ ungestört.

Entkrimina­lisierung wurde in Österreich oft diskutiert, zuletzt erst 2022 vom Verfassung­sgerichtsh­of abgelehnt. Damit ist der Besitz von Cannabis strafbar (Einfuhr, Erwerb, Weitergabe, Handel, Anbau zwecks Suchtgiftg­ewinnung sowieso). Es drohen Haft- und Geldstrafe­n, aber bei kleineren Mengen gibt es den Graubereic­h Eigenbedar­f.

Beziehungs­weise gibt es in der Praxis eine gewisse Entkrimina­lisierung des privaten Konsums: Zwar ist grundsätzl­ich der Besitz kleiner Mengen strafbar, aber Staatsanwa­ltschaften und Gerichte können auf Strafverfo­lgung verzichten (oder diese für eine Probezeit zurücklege­n), wenn eine gewisse Grenzmenge (20 Gramm reines THC, das entspricht 80 bis 300 Gramm Cannabisbl­üten) unterschri­tten ist.

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