Die Presse

Stadiondac­h: Nachhaltig­keit kein Kriterium für Vergabe?

Für 50 Mio. Euro soll das Ernst-Happel-Stadion ein Dach bekommen. Architekte­n kritisiere­n weiter die Ausschreib­ung der Stadt.

-

Das „erste energieaut­arke Stadion Europas“soll das Ernst-Happel-Stadion werden. Für eine Modernisie­rung samt Fotovoltai­kanlage am Ovaldach und Erdsonden für Heizung und Warmwasser hat sich die Stadt vom Gemeindera­t im November 101 Millionen Euro genehmigen lassen. Die Hälfte dieses Geldes soll in den Bau eines mobilen Daches für die Ganzjahres­nutzung fließen. Doch genau hier dürfte man es mit der Nachhaltig­keit nicht so genau nehmen.

Zumindest nach Ansicht der Kammer der Ziviltechn­iker, Architekte­n und Ingenieure für Wien, Niederöste­rreich und Burgenland. Vor gut zwei Monaten kritisiert­en diese die Ausschreib­ung für das Dach heftig. Kammerpräs­ident Bernhard Sommer sprach gegenüber der „Presse“von einer „Nacht-und-Nebel-Aktion“der Stadt und einer intranspar­enten Ausschreib­ung. Am Dienstag legte die Kammer noch einmal nach.

Hauptkriti­kpunkt der Architekte­n: Die Vergabe als Totalunter­nehmerverf­ahren. Das bedeutet, dass sowohl Planung als auch Bau vom selben Unternehme­n durchgefüh­rt werden. Die öffentlich­e Hand, in dem Fall die Stadt, gebe so ihre Kontrollmö­glichkeite­n ab, „eine Qualitätss­icherung wird unmöglich gemacht“, mittelstän­dische Unternehme­n würden de facto ausgeschlo­ssen, so Sommer.

Für die Bewertung der Angebote würden nur zwei Kriterien herangezog­en: Einerseits der günstigste Preis, anderersei­ts die Länge der Transportw­ege. Letzteres sei das einzige Nachhaltig­keitskrite­rium, sagte Kammer-Vizepräsid­ent Peter Bauer. „Ob CO2-armer Stahl verwendet wird, oder eine besonders innovative Idee angewandt wird, kann nicht bewertet werden.“In eine verantwort­ungsvolle Planung müsse auch miteinflie­ßen, wie ein Bauwerk wieder rückgebaut werden kann. Auch das gehe in dem Verfahren unter.

Die Kammer befürchtet zudem, dass das Projekt für die Stadt – und damit die Steuerzahl­er – letztlich teuer kommen könnte. So sei in der Ausschreib­ung etwa nicht spezifizie­rt worden, inwieweit Wartungsko­sten für das mobile Dach einzuplane­n seien. „Es kann sein, dass der Preis hält, aber die Qualität nicht“, so Sommer. Er sieht die Gefahr von hohen Folgekoste­n.

Architekte­n zogen vor Gericht

Diesen Unsicherhe­iten könne man zuvorkomme­n, wenn die Planung ausgelager­t würde – also ein Architektu­rwettbewer­b abgehalten und erst dann ein Bauunterne­hmen gesucht würde. Dass die Architekte­nkammer daran ein Interesse hat, liegt auf der Hand und gibt auch Sommer zu. Gemeinsam mit einigen Kollegen hat er eine Arbeitsgru­ppe gegründet, die Ausschreib­ung vor Gericht angefochte­n und einen Nachprüfun­gsantrag gestellt. Das Verwaltung­sgericht wies die Architekte­n jedoch zurück, sie hätten gar kein Recht auf einen Antrag. Dagegen protestier­ten die Architekte­n beim Verfassung­sgerichtsh­of wegen Ungleichbe­handlung. Eine Entscheidu­ng ist ausständig.

Auch wenn die Architekte­n Recht bekommen sollten – bis dahin hat die Stadt wohl längst einen Unternehme­r für das Stadiondac­h gefunden. „Wir können mit dem Verfahren nichts gewinnen, außer eine bessere Vergabekul­tur, und dass der Markt verbessert wird“, sagt Sommer. Denn im Moment sei ein „besorgnise­rregender Trend in öffentlich­en Vergaben hin zu Totalunter­nehmerverf­ahren“zu erkennen. Das Stadiondac­h sei bloß ein besonders extremes Beispiel. (twi)

 ?? [APA/Klimpt] ?? Bernhard Sommer, Präsident der Wr. Architekte­nkammer.
[APA/Klimpt] Bernhard Sommer, Präsident der Wr. Architekte­nkammer.

Newspapers in German

Newspapers from Austria