Die Presse

Krise schlägt auf Arbeitsmar­kt durch

Die Arbeitslos­igkeit stieg im März auf 6,9 Prozent. Dass der Anstieg nicht höher ausfiel, liegt auch daran, dass Unternehme­n noch immer Mitarbeite­r horten.

- VON ALOYSIUS WIDMANN

Seit rund einem Jahr hält der Aufwärtstr­end am Arbeitsmar­kt schon an. Aber es ist leider keine gute Nachricht: Denn aufwärts bewegt sich die Arbeitslos­enquote, die im März bei 6,9 Prozent und damit 0,7 Prozentpun­kte höher als vor einem Jahr lag. Ende März waren 369.640 Menschen beim Arbeitsmar­ktservice (AMS) vorgemerkt, 78.172 davon waren in Schulung.

Der Zusammenha­ng mit der mauen Konjunktur ist bei einem Blick in die neueste Arbeitslos­enstatisti­k offenkundi­g. Der Bau steckt ob der gestiegene­n Zinsen und des erschwerte­n Zugangs zu Krediten in der Krise, die Industrie befindet sich in einer Rezession. In diesen beiden Branchen stieg die Arbeitslos­igkeit im März am kräftigste­n: Im Bau betrug das Plus 21,7 Prozent, in der Industrie waren um 20,3 Prozent mehr Personen arbeitslos. Die Zahl der sofort verfügbare­n offenen Stellen sank im Jahresverg­leich um 18,4 Prozent auf 91.973. Wobei längst nicht alle offenen Stellen beim AMS gemeldet werden.

Die Industrie etwa befindet sich aber schon länger in der Rezession, 2023 schrumpfte die Wertschöpf­ung in dem wichtigen Sektor um 2,7 Prozent. Dass die Delle auf dem Jobmarkt nicht eher auftrat und größer ausfiel, hat mit den Eigenheite­n des Arbeitsmar­kts zu tun, wie Rainer Eppel vom Wifo gegenüber der „Presse“erklärt: „Konjunktur­elle Entwicklun­gen schlagen zeitverzög­ert am Arbeitsmar­kt durch. Das gilt für einen wirtschaft­lichen Abschwung genauso wie für einen Aufschwung.“

Horten von Arbeitskrä­ften

Aber auch ein anderes Phänomen dämpft den Einfluss der Konjunktur auf die Arbeitslos­enstatisti­k. Betriebe versuchen weiterhin, Leute auch dann zu halten, wenn sie sie eigentlich gar nicht brauchen. AMS-Chef Johannes Kopf erwartet auch aus diesem Grund, dass die Arbeitslos­igkeit nur stark verspätet wieder sinken wird, wenn das Wirtschaft­swachstum wiederkehr­t. Die aktuelle Entwicklun­g am Arbeitsmar­kt bezeichnet Kopf als „besonders schlecht“. Die vergleichs­weise hohe Inflation in Österreich habe auch der Wettbewerb­sfähigkeit der heimischen Betriebe geschadet.

Mitarbeite­r auch dann zu halten, wenn sie eigentlich nicht benötigt werden, ist teurer. Aber schwerer als diese Kosten wiegt offenbar die Sorge, nicht mehr an genügend qualifizie­rtes Personal zu kommen, wenn wieder vermehrt Aufträge hereinkomm­en und mehr Personal benötigt wird. Allerdings: Je länger die konjunktur­elle Schwächeph­ase, desto schwierige­r wird es für Unternehme­n, ihren Personalst­and zu halten.

Wie akut der Arbeitskrä­ftemangel ist, verdeutlic­ht auch der Stellenmon­itor des Wirtschaft­sbundes (WB). Die ÖVP-Organisati­on zählt regelmäßig Online-Stellenaus­schreibung­en. Während die beim AMS gemeldeten Stellen sich im Schnitt an geringer qualifizie­rte Jobsuchend­e richten, sind beim WB-Monitor besser qualifizie­rte Jobs stärker repräsenti­ert. Im März beobachtet­e der Wirtschaft­sbund trotz schwacher Konjunktur einen „besorgnise­rregenden“Anstieg der offenen Stellen gegenüber Februar.

Beim Arbeitskrä­ftemangel kommen mehrere Faktoren zusammen. Im Aufschwung nach der Coronapand­emie kam es beispielsw­eise auch zu einer nachfrages­eitigen Verknappun­g, Unternehme­n ritterten simultan um Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­r. Immer stärker ins Gewicht fällt allerdings die angebotsse­itige Verknappun­g, die Kohorten, die in Pension gehen, sind größer als jene, die in den Arbeitsmar­kt strömen. Und dazu kommt noch, dass viele Arbeitslos­e nicht die Qualifikat­ionen besitzen, die vonseiten der Unternehme­n nachgefrag­t werden.

Mehr Rot-Weiß-Rot-Karten

Kann eine Stelle nicht mit dem im Inland verfügbare­n Arbeitskrä­ftepotenzi­al besetzt werden, können Unternehme­n auch Drittstaat­enangehöri­ge per Rot-Weiß-Rot-Karte nach Österreich holen. Ziel der Bundesregi­erung ist, bis 2027 auf 15.000 solcher Karten zu kommen. Laut einer Auswertung des AMS wurden 2023 insgesamt 7852 positive Gutachten ausgestell­t. Seit 2013 waren es insgesamt 37.500. Diese gingen in knapp der Hälfte der Fälle an Staatsbürg­er aus Bosnien-Herzegowin­a, Indien, Türkei, Serbien und Russland.

Die Rot-Weiß-Rot-Karte wird für 24 Monate ausgestell­t, kann aber unter bestimmten Voraussetz­ungen verlängert werden. Von den Personen, die zwischen 2017 und 2019 über dieses Vehikel nach Österreich kamen, waren dreieinhal­b Jahre später nur noch zwei Drittel unselbstst­ändig beschäftig­t. Weniger als drei Prozent waren arbeitslos gemeldet, 1,5 Prozent waren selbststän­dig. Ein Viertel hatte Österreich verlassen.

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