„Ohne Eigentümer wird der Wald geplündert“
Viele Waldbesitzer hätten sich beim Klimawandel verschätzt, sagt Felix Montecuccoli. Die grünen Pläne der EU lehnt er dennoch ab. Ein Gespräch über die Illusion, die Uhr zurückzudrehen, und Einbahnsysteme in überfüllten Wäldern.
Wien. Felix Montecuccoli wurde die Liebe zum Wald in die Wiege gelegt. Fast zwanzig Jahre lang war der „genetische Waldbesitzer“, wie er sich selbst bezeichnet, Präsident der Land- und Forstbetriebe Österreichs, kümmerte er sich um wachsende Wälder, Borkenkäfer und Radfahrer. Nun macht er Platz und blickt zurück – denn begonnen hat alles ganz anders.
Die Presse: Sie treten nach zwei Jahrzehnten als oberster Forstwirt des Landes ab. Dabei haben Sie zunächst Erdöltechnik studiert. Wie geht das zusammen?
Felix Montecuccoli: Wer in seiner Jugend keine revolutionären Ideen hat, hat kein Herz. Ich bin mit dem Wald aufgewachsen, war aber immer technisch interessiert und wollte als junger Mann auch etwas anderes sehen als das, was ich kannte. Nach zwei Sommern auf technischen Anlagen habe ich festgestellt, dass ich lieber im Wald lebe. Und ich habe es nie bereut.
Heute sind die Auswirkungen des Klimawandels wohl das größte Problem für Forstbesitzer. Aber auch das ist nicht über Nacht gekommen. Konnten das Waldbesitzer nicht schon lang ahnen?
Ich selbst habe bei uns im Wald Mitte der 1990er-Jahre die ersten großen Borkenkäferkalamitäten gehabt. Damit konnten wir damals nicht umgehen, weil solche Schäden sehr selten waren. Aber seitdem ist das Problem permanent da. Damals haben wir das alle nicht als Klimawandel erkannt. Im Rückblick sehen wir klarer.
Heute durchmischen Waldbesitzer ihre Fichten-Monokulturen mit anderen Baumarten, um den Wald resistenter gegen die Erderwärmung zu machen. Eine (zu) späte Einsicht?
Nein, es gab auch damals einzelne Vorreiter, aber die wurden belächelt. Jeder hat sich gedacht, dass es schon wieder vergehen wird.
Ein Problem in Österreich ist auch die starke Konzentration auf die Fichte, die hohe Gewinne abwirft, aber sehr anfällig für den Borkenkäfer ist. Was verändert der Umbau des Waldes?
Wir haben in Österreich Regionen, da ist der Fichtenwald der natürliche Wald. Dort gehört er auch hin. Anderswo wird sich der Wald stark
ändern. Aber der Laubwald hat andere ökonomische Rahmenbedingungen, die Ausbeute an guter Qualität ist geringer. Dennoch wird die Forst- und Holzwirtschaft eine Zukunft haben – wenn wir dürfen.
Sie sprechen den Widerstand der heimischen Forstwirte gegen die Entwaldungsverordnung der EU an. Warum wehren Sie sich dagegen, Wälder nachhaltig zu bewirtschaften?
Die EU sich ein Ziel für 2050 gesetzt. Das mag für Politiker weit weg sein, für uns ist das schon sehr bald. Betrachten wir diesen kurzen Zeitraum, dann lässt sich es tatsächlich darstellen, dass es für das Klima besser ist, bis 2050 kein Holz mehr in Europa zu ernten und so mehr CO2 im Wald zu speichern. Über einen ganzen Waldzyklus von 120 bis 150 Jahren sehen wir aber, dass es der falsche Weg ist. Kohlenstoff, der im Wald gespeichert wird, wird irgendwann freigesetzt. Irgendwann wird der Baum absterben, von Bakterien aufgearbeitet werden, dann ist das CO2 in der Atmosphäre. Dabei müssten wir Emissionen reduzieren, indem wir fossile Brennstoffe durch nachwachsende Rohstoffe ersetzen. Da stellt sich die Frage: Wo kommen die her? Wir sagen, die kommen aus dem Wald.
Aber Brüssel will ja nicht die Forstwirtschaft stoppen, sondern mehr Flächen naturnah bewirtschaftet wissen und die Rodung der Regenwälder bremsen. Ist das nicht auch in Ihrem Sinne?
Es ist durchaus in unserem Sinne, den Wald stabil in die Zukunft zu führen. Zehn Prozent des Waldes außer Nutzung zu nehmen und 30 Prozent naturnah zu bewirtschaften, klingt gut. Aber darunter versteht jeder etwas anderes. In Österreich haben wir schon starke Regularien, die uns verbieten, den gesamten Zuwachs zu nutzen. Wollen wir aber die Fossilen ersetzen, müssten wir den Zuwachs voll nutzen. Der Wald wird nicht so bleiben, wie er vor 30 Jahren war. Die Wiederherstellung der Natur ist eine Illusion in Zeiten des Klimawandels. Und zentrale Vorgaben aus Brüssel sind im Schnitt für Europa vielleicht brauchbar, aber der Wald ist in Finnland anders als in Spanien, im Wienerwald anders als in den Hohen Tauern.
Aber was passiert, wenn es keine Vorgaben gibt? Sind die rumänischen Forstwirte auch so „grün“wie die österreichischen?
Wir haben ein sehr einfaches Rezept dafür, das heißt privates Eigentum. Wenn ich zu Allerheiligen bei uns in der Familiengruft stehe und dort die Särge von 400 Jahren Familiengeschichte vor mir habe, dann kommt mir einfach der Gedanke: Ich will nicht der Letzte gewesen sein. Ich möchte das weitergeben, was ich erhalten habe.
Das sehen nicht alle so.
In Rumänien haben wir das Problem, dass dort die Leute ausgesperrt werden aus dem Wald. Die brauchen aber Brennholz, also gehen sie trotzdem hinein und holen es sich. Wo es kein Eigentum gibt, wird der Wald geplündert. Wo es Eigentum gibt, gibt es eine bunte Mischung an unterschiedlichen Konzepten. Und auch Diversität bedeutet Resilienz.
Es heißt immer, Österreichs Wald wächst. Aber tut er das nicht nur, weil der Klimawandel die Baumgrenze nach oben verschiebt?
Die Waldfläche wächst immer dann, wenn die Landwirtschaft sich zurückzieht. Also etwa, wenn Almen aufgegeben werden. Aber nicht nur die Fläche, auch der Holzvorrat in Österreichs Wald nimmt laufend zu. Wir ernten nie so viel, wie zuwächst. Trotzdem werden wir jetzt in ein bürokratisches System gepresst, das den Amazonas, das die sibirischen Nadelwälder, die afrikanischen Wälder schützen soll. Ein kleiner Waldbesitzer in Österreich, der zwei Hektar bewirtschaftet, hat den gleichen Aufwand wie einer in den USA, der 200.000 Hektar bewirtschaftet. Das schaffen wir nicht, da können wir nicht mit.
Um den Wald klimafit zu machen, braucht es viele Investitionen. Die Republik zahlt den Waldbesitzern über den von Ihnen initiierten Waldfonds bis zu achtzig Prozent. Warum soll das die Allgemeinheit finanzieren?
Unsere Bitte an den Steuerzahler, an den Staat war, die Waldbesitzer, die sich um ihren Wald bemühen, zu unterstützen. Alles, was gefördert wird, muss der Waldbesitzer auch mitfinanzieren. Warum ist es gerechtfertigt, öffentliches Geld zu nehmen? Weil alle etwas davon haben. Der Wald ist wichtig für den Klimaschutz, für die Landwirtschaft, für den Schutz vor Naturgefahren. Das alpine Österreich hätte ein großes Problem, wenn es den Wald nicht gäbe. In manchen Tallagen hätten wir dreimal im Winter einen mehrtägigen Ausfall der Stromversorgung wegen Lawinen. Der Wald bietet der Gesellschaft viel. Er ist das, was Österreich lebenswert macht.
Verändert sich, was die Menschen vom Wald erwarten?
Menschen wollen vom Wald heute Rohstoff, Schutz und Erholung. Wie sehr das aus dem Ruder laufen kann, haben wir in der Coronazeit gesehen. Damals wurden wir überrannt. Im Nahbereich der größeren Städte hat man versucht, im Wald Einbahnsysteme zu machen, um den Mindestabstand einhalten zu können. Wäre das so weitergegangen mit den Lockdowns, hätten wir Besucherlenkungsmaßnahmen setzen müssen. Man muss kein Hellseher sein, um zu sagen, dass sich die Freizeitnutzung des Waldes in den nächsten zwanzig Jahren verdoppeln wird. Dann haben wir stellenweise ein echtes Problem.