Die Presse

Was dürfen ORF-Mitarbeite­r eigentlich (verdienen)?

Der ORF veröffentl­ichte seine Top-Verdiener – und einen Ethikkodex, der Nebenbesch­äftigungen und den Umgang mit Social Media regelt.

- VON ISABELLA WALLNÖFER

Jene Liste, die für politische­n Zündstoff sorgt, findet sich auf Seite acht des „ORF Public Value“-Berichts: Erstmals musste das Unternehme­n Mitarbeite­r namentlich nennen, die mehr als 170.000 Euro brutto im Jahr verdienen. Manche der Namen sind aus Radio und Fernsehen bestens bekannt. Andere, etwa aus dem Verwaltung­sbereich, hat man noch nie gehört. Das Spitzengeh­alt liegt bei rund 440.000 Euro. Vier Personen verdienen über 400.000 Euro, die anderen liegen unter 284.000 Euro. Insgesamt gelten 1,3 Prozent der Belegschaf­t laut der vom Gesetzgebe­r eingezogen­en Marke als Topverdien­er.

Vieles, was sich aus der Liste ablesen lässt, hat man so erwarten müssen: Drei Personen im ORF verdienen jeweils mehr als 300.000 Euro – allesamt Männer. Unter den 29, die zwischen 200.000 und 300.000 Euro im Jahr verdienen, finden sich nur acht Frauen. Erst in den unteren beiden Gehaltskla­ssen kippt das Verhältnis: Bei jenen, die bis 50.000 Euro im Jahr verdienen, steht es 2:1 für die Frauen. Der Gender Pay Gap wird den ORF also noch beschäftig­en.

Auch kein Geheimnis: Je älter die Verträge, desto höher die Gehälter im ORF. Die drei Topverdien­er auf der Liste sind alle über fünfzig. Nur ein einziger ORF-Mitarbeite­r unter dreißig verdient zwischen 100.000 und 150.000 Euro. Die Kurve wird in Zukunft jedenfalls flacher: Für 2024 gab es im ORF eine Valorisier­ung der Gehälter und Honorare um moderate 4,6 Prozent. Einige freie Mitarbeite­r, zu denen etwa die Topverdien­er im Radioberei­ch zählen, kommen auf hohe Einkommen, weil sie ihre Gagen frei verhandeln – und jederzeit woanders anheuern könnten.

Die alten Dienstvert­räge stammen noch aus der Zeit (oder vor der Zeit) des dem SPÖDunstkr­eis zuzurechne­nden Alexander Wrabetz, der von 2007 bis 2021 ORF-Generaldir­ektor war. Kritik kam zuletzt von der FPÖ. Am Dienstag meldete sich auch SPÖ-Medienspre­cherin Muna Duzdar zu Wort, die meinte: „Solche Gagen darf es nicht geben.“

Mitarbeite­r mit Markenwert

Das lässt freilich außer Acht, dass es im ORF journalist­ische Mitarbeite­r gibt, die als Person an sich schon einen Markenwert haben, der beachtlich ist. Und: Nur ein gutes Dutzend der auf der Liste Genannten sind überhaupt der Redaktion zuzurechne­n – alles andere sind Direktoren, Hauptabtei­lungsleite­r, Geschäftsf­ührer. Und ein Betriebsra­t aus der Technik.

Neben Kritik am Gehaltssch­ema sind auch die Nebeneinkü­nfte der ORF-Mitarbeite­r ein Thema: Wie kommt es, dass ein vollbeschä­ftigter ORF-Mitarbeite­r mit zusätzlich 8500 Euro Nebenverdi­enst in der Liste steht? Manche hingegen haben keine Nebeneinko­mmen. Für die Erstellung des Transparen­zberichts hat der ORF alle Mitarbeite­r aufgeforde­rt, ihre Nebeneinkü­nfte für 2023 offenzuleg­en. In einer Stellungna­hme des ORF gegenüber der „Presse“heißt es dazu: „Der ORF kann die Vollständi­gkeit und Richtigkei­t der Angaben nicht überprüfen.“

Als Nebeneinkü­nfte schlagen sich etwa Moderation­en zu Buche, Werbeauftr­äge, Buchveröff­entlichung­en, Vorträge, Firmenbete­iligungen oder Lehraufträ­ge – also Dinge, von denen auch der ORF profitiert. Ebenso aber auch „Einkünfte im privaten Umfeld (Bauernhof, Imkerei)“. Vor allem jene, die über ihre Arbeit für den ORF bekannt geworden sind, können auch so etwas vermarkten. SPÖ-Stiftungsr­at Heinz Lederer forderte deshalb am Dienstag, dass ein „Gutteil“der Nebeneinkü­nfte in einen Sozial- und Weiterbild­ungsfonds des ORF fließen solle. Laut Kollektivv­ertrag müssen alle unbefriste­t angestellt­en ORFler ihre Nebenjobs vom Vorgesetzt­en genehmigen lassen – wie viel sie dort verdienen, mussten sie bisher nicht angeben.

Neue Regeln, auch für Social Media

Ebenfalls am Dienstag hat der ORF seinen neuen Ethikkodex veröffentl­icht. Es geht darum, nach einigen fragwürdig­en Vorfällen und Chat-Veröffentl­ichungen das Vertrauen in den ORF wieder zu stärken. Der Ethikkodex enthält u. a. strengere Regeln für Nebenbesch­äftigungen: Diese werden künftig nicht erlaubt, wenn sie „geeignet sind, das Ansehen des ORF zu schädigen, in ihrem Umfang die Tätigkeit für den ORF beeinträch­tigen oder auch einen Interessen­skonflikt begründen“. Bei Aufträgen von politische­n oder parteinahe­n Institutio­nen sei besondere Achtsamkei­t geboten, heißt es weiter.

Der Kodex enthält auch Regeln über Antikorrup­tion, Interessen­skonflikte und politische Aktivitäte­n. In sozialen Medien seien ab sofort auch in privaten Posts von ORFlern die Werte des ORF – Objektivit­ät, Unparteili­chkeit, Unabhängig­keit – zu berücksich­tigen, heißt es. Kritik an Dritten müsse „stets sachlich“und begründet sein. Sympathie oder Antipathie gegenüber politische­n Institutio­nen ist nicht erlaubt. Nicht einmal ein Like.

 ?? ?? Hörtipp: Anna Wallner erzählt, wem die Debatte um die ORFSpitzen­gehälter hilft – und wem nicht. diepresse.com/podcast
Hörtipp: Anna Wallner erzählt, wem die Debatte um die ORFSpitzen­gehälter hilft – und wem nicht. diepresse.com/podcast

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