Die Presse

Im Flugzeug ist ein Spiel mit dem Feuer besonders gefährlich

Im Arbeitskam­pf bei der AUA ist eine Einigung nicht in Sicht. Dem Unternehme­n und dem Standort Österreich könnte das unangenehm­e Folgen bringen.

- VON JAKOB ZIRM E-Mails an: jakob.zirm@diepresse.com

Zumindest 92 Flüge werden heute, Donnerstag, bei der heimischen Fluglinie AUA aufgrund einer Betriebsve­rsammlung ausfallen. Zumindest deshalb, weil es auch mehr sein könnten. So beschloss die AUA-Belegschaf­t bei einer früheren Betriebsve­rsammlung im März spontan einen mehrstündi­gen Warnstreik. Für Passagiere, deren Flüge kurz nach der Versammlun­g angesetzt sind, bleibt es also eine Zitterpart­ie, ob sie ihr Ziel erreichen werden oder nicht.

Dieser Umstand zeigt bereits das Hauptprobl­em, das der Arbeitskam­pf der Fluglinie bringt. Denn bisher galt die AUA nicht unbedingt als günstig, auch nicht als sonderlich komfortabe­l. Und das Essen war ebenfalls schon einmal besser – wenn man überhaupt eines erhält. Aber als eines galt die AUA: als zuverlässi­g. Die Passagiere konnten bei der Buchung ihres Flugs also davon ausgehen, dass sie sicher am Bestimmung­sort ankommen würden.

Dieses Image könnte durch die laufenden Betriebsve­rsammlunge­n und Streiks nun Schaden nehmen. Und dieser Schaden könnte mittelfris­tig auch größer sein als der direkte finanziell­e Schaden, der durch die ausgefalle­nen Flüge entsteht. Wobei auch dieser nicht zu unterschät­zen ist. So beziffert das Management die bisher angelaufen­en Kosten auf 24 Millionen Euro. Also beinahe auf ein Fünftel des Rekordgewi­nns von 127 Millionen Euro aus dem Vorjahr. Und um einmal die Relationen zu zeigen: In den Corona-Krisenjahr­en zuvor erwirtscha­ftete die AUA einmal eine schwarze Null und zweimal einen Verlust im dreistelli­gen Millionenb­ereich. Und selbst im letzten „Normaljahr“vor Corona, 2019, lag der Gewinn mit 19 Millionen unter den laut AUA durch den derzeitige­n Arbeitskam­pf bereits entstanden­en Kosten.

Aber natürlich ist es das gute Recht der Mitarbeite­r eines Unternehme­ns, für höhere Gehälter zu streiken. Und es ist auch das Recht von Betriebsra­t und Gewerkscha­ft, dazu aufzurufen. Ob es immer auch eine gute Entscheidu­ng ist, steht aber auf einem anderen Blatt. Zwar ist der Grund für die Verärgerun­g der AUA-Mitarbeite­r verständli­ch. Denn im direkten Vergleich verdienen sie wesentlich weniger als ihre Kollegen und Kolleginne­n bei den anderen Fluglinien des LufthansaK­onzerns in Zürich oder Frankfurt. Und vor allem Letztere zeichnen sich auch schon seit Jahren durch eine Streikfreu­digkeit aus, die weniger an Hessen und mehr an Kampanien erinnert.

Dennoch gibt es objektive Gründe, warum bei der AUA keine Schweizer und auch keine deutschen Gehälter gezahlt werden. So lag die Marge der AUA auch im „Rekordjahr 2023“bei 5,4 Prozent und damit unter dem Lufthansa-Schnitt von 7,6 Prozent. Gründe dafür sind der heftige Preiskampf und die generell geringere Kaufkraft in Wien, aber auch die unterschie­dliche Kundenstru­ktur. Während von Zürich oder Frankfurt viele Businessku­nden ihre Reisen antreten, sind es von Wien vor allem Touristen.

Das ändert aber nichts daran, dass eine starke Heimatflug­linie für einen Wirtschaft­sstandort eine wichtige Bedeutung hat. Und daher wurde die AUA in der Coronakris­e auch mittels staatliche­r Hilfen gerettet. Eine Entscheidu­ng, die im Grundsatz richtig war, wie man an der seither gezeigten Entwicklun­g sieht. So soll die veraltete Langstreck­enflotte nicht nur erneuert, sondern auch über den ursprüngli­chen Plan hinaus geringfügi­g vergrößert werden. Und gerade das Langstreck­ennetz galt immer als wichtigste­s Plus für den Standort.

Sollte sich das fliegende Personal dank seiner im Verhältnis zu anderen Branchen wesentlich größeren Streikmach­t weitgehend durchsetze­n, dann müsse die AUA vielleicht „neu gedacht werden“, erklärte Firmenchef­in Annette Mann jüngst in einem Interview. Das ist nicht unbedingt eine Drohung, aber jedenfalls ein Verweis auf die zahlenbasi­erte Kalkulatio­n in der Lufthansa-Zentrale. Dass man dort kein Problem damit hat, Konzernges­ellschafte­n zusammenzu­stutzen, wenn es ins Gesamtkonz­ept passt, hat die Vergangenh­eit gezeigt.

Insofern könnte der jetzige Arbeitskam­pf für die AUA-Mitarbeite­r auch ein Spiel mit dem Feuer sein. Ein Konzept für eine Lösung abseits der Eskalation wäre nicht die schlechtes­te Idee.

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