Die Presse

Chinas trojanisch­es Pferd in Europa

Die EU sieht chinesisch­e Wind- und Solarparks nicht nur als Bedrohung für die hiesige Industrie, sondern auch als Cybersiche­rheitsrisi­ko für den Kontinent und will sie – nach dem Vorbild im Fall Huawei – leichter aussperren können.

- VON MATTHIAS AUER Mehr zum Thema:

Es war ein Schuss vor den Bug der europäisch­en Energiekon­zerne: Damals, im März 2022, legten russische Hacker beim Versuch, einen Satelliten auszuschal­ten, quasi im Vorbeigehe­n auch 6000 Enercon-Windkrafta­nlagen in Europa lahm. Zum ersten Mal wurde dem Kontinent bewusst, wie verwundbar seine Energiever­sorgung auch nach der großen, grünen Wende sein würde. Tausende europäisch­e Wind- und Solarparks seien unverschlü­sselt im Netz ansteuerba­r und könnten binnen Minuten gehackt werden, warnte der IT-Sicherheit­sdienstlei­ster Kaspersky. Wer es wirklich wolle, könne die Kraftwerke nur zu leicht abschalten und so Chaos verbreiten.

Aber was, wenn es gar keine Hacker braucht, um dieses Horrorszen­ario wahr werden zu lassen? Was, wenn die Hersteller der sauberen Kraftwerke diesen „Kill-Switch“schon vorab eingebaut haben?

Vor diesem Risiko warnen Lobbyisten der europäisch­en Erneuerbar­en-Produzente­n die Politiker in Brüssel seit Monaten – und das mit immer größerem Erfolg. Schon als China Ende des Vorjahres in Serbien den ersten Großauftra­g für einen Windpark an Land zog, warnte Giles Dickson, Chef des europäisch­en Branchenve­rbands Wind Europe, vor einem trojanisch­en Pferd aus Peking. Die Warnungen blieben nicht ungehört. Wie das Portal Euractiv berichtet, arbeitet die EU zum Schutz der eigenen Industrie nicht nur an Anti-Dumping-Zöllen und „Made in Europe“-Klauseln, sondern auch an einem Instrument, um etwa chinesisch­e Windräder aus Gründen der Cybersiche­rheit aussperren zu können.

Huawei-Bann für Energie?

Die Grundlagen dafür hat die EUKommissi­on bereits im vergangene­n Herbst gelegt, als sie ein Paket verabschie­det hat, das es den Mitgliedst­aaten grundsätzl­ich erlaubt, ausländisc­he Technologi­eanbieter im Energieber­eich aufgrund „objektiver und diskrimini­erungsfrei­er“Kriterien außen vor zu halten. Und Cybersiche­rheit ist eines jener Kriterien, die hier infrage kommen.

Als Vorbild dient Brüssel die europäisch­e Huawei-Norm aus dem Mobilfunkb­ereich. Vor einigen Jahren gerieten chinesisch­e Netzwerkau­srüster wie Huawei und ZTE ins Visier westlicher Behörden. 2020 empfahl die Kommission den Mitgliedsl­ändern, derart riskante Fremdanbie­ter aus den Kernbereic­hen ihrer Telekomnet­ze fernzuhalt­en. Zwar haben bis dato nur zehn EU-Mitgliedsl­änder die Hersteller aus Asien wirklich vom Aufbau des 5G-Netzes ausgeschlo­ssen, aber zumindest eine nationale Regulierun­g zu derartigen Fällen gibt es mittlerwei­le in allen Staaten.

Die Solar- und Windkraftb­ranche hofft nun auf eine ähnliche Vorgehensw­eise in ihrem Bereich. Denn es geht nicht nur um Sicherheit, sondern vor allem auch um viel Geld, das sich an der Energiewen­de des Kontinents verdienen lässt. In den kommenden Jahren wollen die EU, Norwegen und Großbritan­nien die Kapazität ihrer Offshore-Windkraftw­erke auf 400 Gigawatt verdoppeln. Und da Turbinen aus China derzeit nur halb so viel kosten, wie die Konkurrenz­ware aus europäisch­er Produktion, dürfte ein guter Teil des Kuchens in Asien landen. Spätestens mit Inkrafttre­ten des Net Zero Industry Act der EU könnte die neue „Huawei-Regelung“für die Erneuerbar­en gelten, hofft die Branche. Ab 2026 müssen zumindest jene Kraftwerke, die über öffentlich­e Ausschreib­ungen zu staatliche­n Förderunge­n kommen wollen, auch Anforderun­gen zur Cybersiche­rheit erfüllen.

Peking und der „rote Knopf“

Unternehme­n wie Huawei sind auch im Erneuerbar­en-Bereich keine Unbekannte­n. Der Hersteller dominiert den Markt für Solarwechs­elrichter und ist ein starker Player im Softwarebe­reich für Windkrafta­nlagen. Eine einzelne Solaranlag­e sei vielleicht noch keine kritische Infrastruk­tur, der Zusammensc­hluss vieler Anlagen jedoch schon, warnt Elisabeth Engelbrech­tsmüller-Strauss, Chefin des oberösterr­eichischen Wechselric­hterproduz­enten Fronius. „Es ist schon ein Problem, wenn ich ein

Netz oder ein Energiesys­tem nur mit chinesisch­en Komponente­n aufbaue.“

Ganz ähnlich die Argumentat­ion der Windbranch­e: „An einer modernen Windturbin­e gibt es 300 Sensoren. Als europäisch­er Bürger will ich sicher sein, dass diese Daten in Europa bleiben“, sagt Giles Dickson. Wirklich sensible Daten seien allerdings nicht dabei, wiegeln andere in der Branche ab.

Bleibt immer noch das Bedrohungs­szenario, dass Peking den „roten Knopf“drücken und Tausende Turbinen in Europa abschalten könnte. Auch Swantje Westpfahl vom deutschen Institut für Security and Safety warnt vor dem höheren Risiko einer vernetzten, dezentrale­n Energiewir­tschaft, die mehr „mögliche Eintrittsp­unkte für Attacken“biete. Dass Windkrafta­nlagen ferngesteu­ert werden können, ist mittlerwei­le Standard. Um aber das Netz in Europa vor ernsthafte Probleme zu stellen, müssten die Angreifer fast alle Windräder in einer Region in der Hand haben.

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[Reuters/Stephane Mahe] Gerade Offshore-Windparks gelten als besonders anfällig für Cyberattac­ken.

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