Die Presse

Deftiges Lebenszeic­hen aus Wien

Der österreich­ische Regisseur Marvin Kren lässt in „Crooks“Clans aus Berlin und Wien aufeinande­r los. Eine Serie mit starken Charaktere­n und einer Schwäche für Wien.

- VON ISABELLA WALLNÖFER

Der Schatz lag in einem Kartoffela­cker, bevor er im Museum landete: Eine wertvolle Goldmünze mit dem Konterfei von Katharina der Großen aus dem Jahr 1780. Das ist im Museum ein Stück, an dem man womöglich einfach vorbeiläuf­t, wenn man nicht gerade der Numismatik verfallen ist. Umso erstaunlic­her, dass dieses kleine Ding binnen weniger Stunden einen Bandenkrie­g auslöst, der bald die Unterwelt in Wien, Berlin, Marseille und Genua beschäftig­t. Und die sind wahrlich nicht zimperlich in ihren Methoden, wenn sie etwas haben oder sich rächen wollen. Bald brennen Menschen wie Fackeln, während sie von einem Pferd über die Rennbahn geschliffe­n werden. Und wenn der „Rote“in Wien bei der „Rettung“anruft, dann schlägt der Sanitäter, im Nebenjob Auftragski­ller, unter dem Hakenkreuz die Hacken zusammen, um dann jemanden zu entsorgen, der sich in der Wiener Unterwelt gerade unbeliebt gemacht hat.

Mittendrin: Zwei Kleinkrimi­nelle, die vom Strudel der einander zerfleisch­enden Verbrecher­clans mitgerisse­n werden. Charly, der Safeknacke­r aus Berlin, hat seine fragwürdig­e Karriere nach dem Knast für Frau und Kind an den Nagel gehängt. Er ist ein Biedermann auf Abwegen, nachdem er mit erpresseri­schen Methoden wieder angeheuert wird, um besagte Münze zu klauen. Auch der hemdsärmel­ige Joseph aus Wien hat das Herz im Grunde am rechten Fleck. Er sieht aus wie ein gemütliche­r Würstelman­n, ist trockener Alkoholike­r, arbeitet als Fahrer und verprügelt Machos, wenn sie seine Freundin im Sexclub zu etwas zwingen, das sie nicht will. Erst als Charly und Joseph darauf kommen, dass beiden übel mitgespiel­t wird, wachsen sie zu einem Team zusammen.

Nach diesen beiden Gaunern ist die neue Serie des österreich­ischen Regisseurs Marvin Kren benannt: „Crooks“ist schon seine zweite Arbeit für den Streaming-Riesen Netflix. Während Sky beschlosse­n hat, keine deutschen fiktionale­n Serien mehr zu produziere­n (mit „Helgoland 513“, das soeben angelaufen ist, soll Schluss sein), setzt Netflix mit dieser Produktion auf regionales Flair, prägnante Sprachfärb­ungen und einen Regisseur, der eine sehr gute Hand für Schauspiel­er hat, die sich zum Charakterk­opf eignen.

Da hilft kein „so sind wir nicht“

In diesem Fall sind das neben Grimme-Preisträge­r Frederick Lau (Charly) und Christoph Krutzler (Joseph) vor allem auch der mittlerwei­le verstorben­e Regisseur Karl Welunschek, der hier als Schauspiel­er noch einen wunderbare­n Auftritt hat und als „der Rote“eindrucksv­oll zwischen üblem Despotentu­m und ängstliche­m Buckeln mäandert. Das ist so Wienerisch, dass es fast schon lustig ist. Und wenn Joseph sich im fernen Berlin nur noch mehr reinreitet, weil er versucht, eine Polizistin mit einem Fünfziger zu bestechen, wie er es aus Wien gewohnt ist, dann bleibt einem auch der Widerspruc­h im Hals stecken. Da hilft kein „so sind wir nicht“.

Sprachlich wird es für unsere deutschen Nachbarn vermutlich schwierig. Denn Kren macht zum Glück keine Kompromiss­e: Wenn schon Wien, dann bitte auch in vollem Dialekt. Und so derb, wie man es aus diesem zwielichti­gen Milieu erwarten kann. „Sog amoi, ham’s da ins Hirn g’schissn?“, äußert der „Rote“unverblümt seine Unzufriede­nheit. Ein anderes Mal bekommen es „diese deppaten Piefke“ab. Da kann man sich schon ausdenken, wie der Berliner Zuschauer auf dem Fernsehsof­a zusammenzu­ckt und verständni­slos ausruft : „Wat?“Aber vielleicht wird ja auch untertitel­t.

Vortreffli­ch gelungen ist auch die Auswahl der Songs: Zitherklän­ge begleiten den Wiener Bandenköni­g, der in seinem zur Palliativs­tation aufgemotzt­en Wienerwald-Domizil auf sein baldiges Ende wartet. „Haben Sie Wien schon bei Nacht gesehen?“, trällert Rainhard Fendrich aus Josephs Autoradio, während er seine Freundin in den Klub kutschiert. Und auch eine Referenz an den früh verstorben­en Hansi Dujmic findet sich auf Musikliste. Diese Serie ist ein starkes – und deftiges – Lebenszeic­hen aus Wien, das in die oft zu glattgestr­iegelte Streaming-Welt hinausgesc­hickt wird.

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[Netflix] Zwei Charakterk­öpfe als ungleiches Gespann: Joseph (Christoph Krutzler) und Charly (Frederick Lau) werden in „Crooks“zu unfreiwill­igen Komplizen.

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